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Wasser

Dieser riesige Korb macht aus Luft Trinkwasser

Nach einem Besuch in Äthiopien kam einem italienischen Architekten die Idee, wie man quasi aus dem Nichts Trinkwasser gewinnt. Sein WarkaWater—ein riesiger, korbähnlicher Turm—sammelt Kondensationströpfchen. Auch wenn das Ganze wirklich gut aussieht...
WarkaWater in Ethiopia

Alle Fotos bereitgestellt von WarkaWater.

Im Frühling 2012 entschied sich der italienische Architekt Arturo Vittori dazu, durch Äthiopien zu fahren.

Während einer schicken Tagung über Flugzeugkabinen-Design in der Hauptstadt Addis Abeba hatte er ein wenig freie Zeit, um eine Tour durch das Land zu machen. Der äthiopische Architekt Tadesse Girmay Gebreegziabher nahm ihn mit Richtung Norden auf eine Strecke, die an den legendären Felsenkirchen von Lalibela, den historischen Schlössern von Gondar und dem funkelnden Tana-See in Bahr Dar vorbeiführte.

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Der Architekt hatte viele Fragen. Tadesse erzählt: „Unterwegs haben wir Frauen gesehen, die Kanister schleppten und Arturo fragte mich, was die denn da machten. Ich sagte ihm—denn als Kinder haben wir das Gleiche gemacht— dass sie Wasser nach Hause trugen, weil sie dort sonst keinen Zugang dazu haben."

Diese Erfahrung beschäftigte Vittori. „Wir sahen diese harte Realität mit eigenen Augen, dass Frauen und Kinder kilometerweit marschieren, um Wasser zu holen, das dann nichtmal unbedingt trinkbar ist", sagte er mir. „Also machte ich mir Gedanken über eine Alternativlösung."

Und so war das WarkaWater-Konzept geboren: ein riesiges Vasen-Korb-Turm-Ding, das quasi aus dem Nichts Wasser macht.

Das Projekt hat schon für viel Aufsehen gesorgt und es spricht viel für die Idee. Die Außenhülle aus Schilfrohr ist mit einem Geflecht bespannt, das Kondensationströpfchen sammelt, die dann in bereit stehende Behälter fließen.

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Vittori schätzt, dass so zwischen 50 und 100 Liter Wasser am Tag gesammelt werden können und es nur ungefähr 370 Euro kostet, eine Anlage aufzubauen (ein grundlegender Brunnen kann tausende Euro kosten). Dabei werden keine mechanischen Werkzeuge benötigt. Das Bauwerk hat keine beweglichen Teile und ist benutzerfreundlich, wartungsarm und biologisch abbaubar.

Anderswo machen sich die Leute Kondensation schon zu Nutze, wie zum Beispiel im Hochland von Chile und Peru, wo schlichte, wasserabweisende Netze zwischen zwei Stangen aufgehängt werden und so an einem guten Tag mehrere hundert Liter Wasser gewonnen werden können. Natürlich sind solche Mengen nur an Orten möglich, wo sehr dichter Nebel herrscht. Aber wenn etwas so einfaches so gut funktioniert, warum sind Warka-Türme dann so aufwendig?

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Für Vittori ist Architektur Kunst. Seine Arbeit fand schon großen Anklang bei internationalen Ausstellungen, von Peking über Kairo bis hin zu San Francisco. „Wenn du etwas nachhaltig machen willst, dann ist die Ästhetik ein wichtiger Faktor", sagte er. „Wenn es gut aussieht, dann wissen es die Leute zu schätzen und nehmen es besser an."

„Es sieht aus wie eine Blume!", sagt Tadesse. „Sie wollen wohl, dass es schön aussieht."

Im Kontext des echten, ländlichen Äthiopiens gibt es jedoch keine Garantie, dass der schön anzusehende WarkaWater-Turm auch richtig funktioniert. Fünf Prototypen wurden gebaut, aber dieser wurden noch nicht unter echten Bedingungen getestet. Das Projekt benötigt immer noch ein fertiges Geschäftsmodell, bevor es Investoren auf sich aufmerksam machen kann, und das finale Design ist auch noch in der Entwicklung. Das bekannteste Modell—in Mailand ausgestellt—war neun Meter groß und man verwendete ein starkes, flexibles Schilfrohr der Juncus-Gattung, das aus Asien importiert wurde. Vittori sagt, dass der finale Turm 12 Meter groß sein könnte und aus lokalen Produkten hergestellt werden soll. Er glaubt, dass Bambus auch funktioniert.

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Aber selbst wenn das Design steht, dann muss man sich immer noch Gedanken um die Umgebung machen.

Äthiopien ist bei Gutmenschen sehr beliebt. Inzwischen sind drei Jahrzehnte vergangen, seit die verheerende Hungersnot in den 80ern das Land heimsuchte—und der Medienrummel Äthiopien ins Scheinwerferlicht rückte, durch Spenden mehrere Millionen Dollar zusammengetragen wurden und es mit der Karriere des Musikers Bob Geldof steil nach oben ging. Und viele Leute aus der westlichen Welt sehen das Land immer noch als einen Ort des bitteren Elends. Aber es hat sich Einiges verändert. Mit der Hilfe der weiter gehenden Spendenhilfe hat Äthiopien gute Fortschritte gemacht und die Häufigkeit von Armut, Müttersterblichkeit und Unterernährung bei Kindern verringert—alles Anzeichen, die Entwicklungsexperten in Verzückung versetzen.

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Trotzdem muss noch ungefähr ein Drittel der Bevölkerung mit weniger als 90 Cent am Tag auskommen. Zirka 80 Prozent der Menschen wohnen in ländlichen Gegenden, wobei die meisten von Landwirtschaft im kleinen Maßstab leben. Äthiopien geht diese Probleme von oben nach unten an—man könnte es auch autoritär nennen. Initiativen aus Addis Abeba werden durch tiefgreifende Bildungsprogramme und den Fortschritt überwachende „Entwicklungsagenten" aufgezwungen. Die Regierung baut eine Wasser-Infrastruktur von Brunnen zu Brunnen auf, wobei Grundwasser-Quellen die geläufigste Lösung sind.

Ich habe mich mit Dr. Geremew Sahilu getroffen. Er ist Experte für Wasser-Infrastruktur an der Universität von Addis Ababa und denkt, dass WarkaWater eine interessante Idee ist, aber „noch viel geforscht werden muss, in welchen Bereichen es tatsächlich effektiv ist, denn erst dann kannst du eine Diskussion auf staatlicher Ebene führen." „Ich sage nicht, dass irgendwelche Probleme auftauchen würden, aber sie sollten doch in das System passen und besorgte Interessenvertreter von Anfang an mit einbeziehen", sagte er.

Alles könnte auf eine Frage hinauslaufen: Ist so ein kleines Projekt wie WarkaWater wirklich nötig? UNICEF schätzt, dass Gemeinden pro Tag Zugang zu 20 Litern Wasser—also ein normal-großer Kanister—pro Person benötigen, um die Grundbedürfnisse zu decken. In Äthiopien besteht ein normaler Haushalt in ländlichen Gegenden aus mindestens fünf Personen. Also müsste die durchschnittliche Frau (und der Job wird unverhältnismäßig oft von Frauen erledigt), die stark genug zum Tragen von zwei vollen Kanistern ist, drei Mal zur nächsten Wasserstelle hin- und zurücklaufen, um ihre Familie gesund zu halten.

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Jetzt stell dir vor, dass es in der Gemeinde einen Warka-Turm gibt. Die Vorteile sind quasi verschwindend gering. Wenn pro Tag maximal 100 Liter gesammelt werden, dann ist ein Turm nach den Standards von UNICEF ausreichend für fünf Leute. Du bräuchtest eine ganze Armee von Vasen-Korb-Turm-Dingern, um genügend Wasser für ein Dorf bereit zu stellen. Und das funktioniert auch nur dann, wenn die Umgebung und die Temperaturen förderlich für die Kondensation sind, was in tief liegenden Gegenden eigentlich nicht der Fall ist.

Zum Glück gibt es in Äthiopien viel Hochland. Geremew glaubt, dass in dem Projekt Potenzial steckt, da selbst nur ein WarkaWater-Turm für eine Schule oder ein Gesundheitscenter nützlich sein könnte. Letztendlich ist Kondensationsausnutzung für Äthiopien technisches Neuland. „Einen Versuch ist es wert und für einige Leute ist auch die Forschung sehr interessant", sagt er.

Vittori hofft, dass gegen Ende des Jahres 2015 der erste funktionierende WarkaWater-Tower dort in Betrieb geht, und er wird wunderschön aussehen. „Das ist ein wichtiger Teil meine Philosophie von Design, dass Kunst irgendwie helfen sollte", sagt er. „Alles an Äthiopien ist schön und die Natur ist wirklich unangefochten Spitzenreiter, wenn es darum geht, Dinge zu erschaffen, die gleichzeitig praktisch und schön sind."

Alles Fotos: WarkaWater