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Restaurant Confessionals

Ich wurde von meinem Souschef attackiert

„Ich werde diesen Vorfall immer als den schlimmsten meiner ganzen 10-jährigen Laufbahn in Erinnerung behalten. Der Angriff? Es geht mir gut, ich habe ihn überlebt. Aber alles, was danach passierte, lässt mich nicht mehr los.“
Foto von Luke Robison via Flickr

Ich konnte nicht atmen. Er knallte mich gegen die Theke meiner Station und das Schneidebrett rammte mir in den Rücken, während er mir die Kante des Notizbretts gegen den Hals presste. Eine Ader trat an seiner Stirn hervor und seine Augen waren voller Hass. Ich zappelte vor Panik mit den Beinen, bis ich es endlich schaffte, in sein Knie zu treten. Ich befreite mich und rannte so schnell ich konnte durch die Hintertür hinaus.

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Aggressives Verhalten und bösartige Scherze sind in Küchen üblich. Einmal beobachtete ich, wie der Küchenchef einem Koch einen Löffel voller heißer Pfefferkörner in die Jacke kippte. Ein anderer Küchenchef heizte seine Zange am Gasherd auf und zwickte die Köche damit in den Unterarm, während er sie anschrie, sie sollten sich gefälligst beeilen. In Frankreich reichte ein Koch eine Klage gegen Joël Robuchons Michelin-Sternerestaurantimperium ein, weil er behauptete, zu 15-stündigen Schichten ohne längere Pausen und ohne Essen verdonnert worden zu sein und dass sein Küchenchef ihn zwang, versalzenes Kochwasser zu trinken. Auch der Michelin-Sternekoch Yannick Alléno wird von ehemaligen Mitarbeitern verklagt, die ihm gewalttätiges Verhalten vorwerfen.

Damals in unserer Küche gab es einen tollen Gemeinschaftsgeist, der die Arbeit dort so aufregend machte. Der Souschef hingegen wollte eine leise Küche, in der jeder in Angst vor seinem Zorn lebte. Es dürfte also nicht überraschen, dass wir uns hassten.

An einem Abend, an dem der Küchenchef im Urlaub war, übernahm der Souschef das Ruder. Alles ging beim Service daneben und ich stritt mich mit ihm, weil er einfach meine Calamari-Pfannen genommen hatte—die einzigen Pfannen, die dünn genug sind, um schnell heiß zu werden und die Calamari richtig scharf anzubraten. Als der Service endlich zu Ende war, putzten wir die Küche und der Souschef winkte mich zu sich.

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„Du nimmst jetzt diesen Herd auseinander und schrubbst ihn, bis er glänzt", sagte er. Es war Mitternacht. Ich hatte seit 18:00 Uhr am Herd gestanden und war seit 14:00 Uhr in der Küche gewesen. Das war meine Strafe für den Vorfall mit den Calamari-Pfannen. Ich sagte ihm, dass ich es nicht machen würde und wenn der Küchenchef zurückkäme, könnten wir ihm die Situation erklären und er könnte entscheiden, wer recht hatte. Dann sagte ich zu ihm, er sollte sich ins Knie ficken und rannte davon. Wutentbrannt lief er mir nach, stieß mich gegen die Theke und rammte mir die Kante des Notizbretts gegen den Hals.

Als ich nach Hause kam, erzählte ich meinem Mann was passiert war. Er wollte, dass ich die Polizei verständige, aber ich weigerte mich. Das Restaurant war mein Leben und die Köche waren meine einzigen Freunde in dieser Stadt. Trotz des Souschefs mochte ich meinen Job. Ich beschloss, mich an die Besitzerin des Restaurants zu wenden. Eine 50 kg schwere Köchin zu attackieren mit dem gesamten Küchenpersonal als Zeugen? Das konnte sie nicht auf sich sitzen lassen.

Ich werde diesen Vorfall immer als den schlimmsten meiner ganzen 10-jährigen Laufbahn in Erinnerung behalten. Der Angriff? Es geht mir gut, ich habe ihn überlebt. Aber alles, was danach passiert ist, lässt mich nicht mehr los.

Als ich ihr die Geschehnisse schilderte, fing ich an zu hyperventilieren. Sie sagte mir, ich wäre im Unrecht und ich hätte kein Recht, so mit meinem Souschef zu reden und seine Anweisungen zu missachten. Wenn ich meinen Job behalten wollte, sollte ich mich zusammenreißen und drüber wegkommen. Weinend ging ich zurück zur Arbeit. Als der Küchenchef ein paar Tage später zurückkam, reichte er mir ein Blatt Papier. Er sah beschämt aus. In diesem Dokument stand, dass ich die Autorität des Souschefs respektieren muss und verpflichtet war zu tun, was er sagt. Ganz unten war Platz für meine Unterschrift.

Dieser Typ hatte mich angegriffen und mich gewürgt. Zwei Cousins des Küchenchefs und der Neffe der Besitzerin waren an diesem Abend in der Küche. Sie waren Zeugen. Niemand zweifelte daran, dass er mich mit blinder Wut attackiert hatte, aber es war ihnen egal. In ihren Augen war ich im Unrecht.

Ich fühlte mich noch nie so schrecklich, noch nie so im Stich gelassen. Aber meine Tage in dieser Küche waren nicht vorbei. Ich arbeitete mit der Besitzerin zusammen in ihrer Kochshow, bevor ich das Restaurant endgültig hinter mir ließ. Ich werde diesen Vorfall immer als den schlimmsten meiner ganzen 10-jährigen Laufbahn in Erinnerung behalten. Der Angriff? Es geht mir gut, ich habe ihn überlebt. Aber alles, was danach passiert ist, lässt mich nicht mehr los.

In Küchen herrscht eine tyrannische Kultur. Nicht in allen—aber es gibt sie, und in manchen Restaurants (wie in meinem) wird dieses Verhalten akzeptiert. Aber die Zeiten ändern sich.

Der Souschef arbeitet jetzt als Inspektor für Geflügel und verbringt seine Tage damit, Massentierhaltungsbetriebe zuzulassen. Umgeben von Dreck und Hoffnungslosigkeit ist er genau dort gelandet, wo er hingehört.