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Restaurant Confessionals

Mein Job bei einem Starkoch hat meine Karriere ruiniert

Der vielversprechende Job bei einem Starkoch sollte eigentlich eine lukrative Chance für den erfolgreichen Koch sein. Stattdessen entpuppte er sich zur schlechtesten Entscheidung seiner Karriere.
Foto von lorilj3 via Flickr

Willkommen zurück zu den Restaurant Confessionals, wo wir den Leuten aus der Gastronomie eine Stimme geben, die ansonsten viel zu selten zu Wort kommen. Hier erfährst du, was sich hinter den Kulissen in deinen Lieblingsrestaurants so alles abspielt. Dieses Mal erzählt uns ein ehemals erfolgreicher Koch, wie sein vielversprechender Job bei einem Starkoch vom Segen zum Fluch wurde.

Wenn ich eineinhalb Jahre zurückdenke, würde ich sagen, dass es mir damals gut ging. Ich hatte mich gerade von einer Beinoperation, die fast das Karriereende bedeutet hätte, erholt und eine Zusage für einen sehr begehrten Job bekommen. Für diese Stelle setzte ich mich sogar mit den Ellenbogen gegen einen Koch durch, mit dem ich zuvor in einem angesehenen Restaurant Seite an Seite gearbeitet hatte. Ich kam langsam wieder auf die Beine, verlor einige Kilos und war bereit für meine nächste Herausforderung.

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Heute? Naja, die Kilos sind fast alle wieder auf den Hüften, ich bin Single, mein Selbstwert ist im Keller, beim Gedanken an meine nächste „Herausforderung" kommt mir das Kotzen und ich versuche mir krampfhaft vorzustellen, wie ich mit dem Gehalt eines Supermarktkassierers auskommen soll. Irgendwann musste sich die Überheblichkeit ja rächen.

Ich sah eine Ausschreibung für eine Stelle als Küchenmanager in einem Restaurant in der Nähe meines bisherigen Arbeitsplatzes, das gerade einen dritten Standort eröffnete. „Küchenmanager" ist die Bezeichnung für einen Chef de Cuisine, der kein Mitspracherecht bei der Speisekarte hat und dessen kreativer Input nicht gefragt ist. Meistens ist es ein Job, der nach den Maßstäben der Gastronomie überdurchschnittlich gut bezahlt ist—auf jeden Fall besser als jegliche Jobs im Fine Dining-Bereich. Ich bekam sofort ein Angebot. Ehrlich gesagt, war ich für den Job überqualifiziert, aber nachdem ich schon lange nicht mehr selbst gekocht hatte, dachte ich mir, der Job wäre eine Chance für ein lukratives Comeback.

Die Eröffnung des Restaurants war im Juni und die ersten paar Monate waren unglaublich. Wir wurden überrannt und galten als die aufregendste Neueröffnung in einer aufsteigenden Gegend. Unsere starke Marke schien unverwüstlich. Der Küchenleiter (heißt: der Marketinguru, der durch das einfallsloseste Hummersandwich zu einem Starkoch wurde) brachte gerade ein Kochbuch bei einem großen Verlags raus und hatte sogar eine Sendung auf dem Food Network in Aussicht. Nichts konnte uns aufhalten. Unser Team war auf dem Vormarsch.

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Der erste Sommer war der Wahnsinn. Natürlich gab es auch Probleme, aber wir hatten sehr viel Spaß. Wir hatten einen Geschäftsführer angestellt, der Alkoholiker war, einer dieser Typen, der sich wünschte, die Party würde nie enden. Er gab uns ständig Alkohol, während er sich mit Kokain und durch grenzwertige sexuelle Annäherungsversuche mit den attraktiven Mitarbeiterinnen vergnügte. Mit den Finanzen des Restaurants konnte er nicht umgehen. Tabellen lassen sich eben nicht so leicht entziffern, wenn man schneeblind ist. Manchmal überreichte er mir Umschläge mit sehr viel Geld drin und sagte, das wäre das Trinkgeld für die Küche und bat mich, es unter den Mitarbeitern aufzuteilen. In der ersten Woche waren es 3.000! Klar, meine Alarmglocken läuteten zwar, aber ich arbeitete 70 Stunden pro Woche. Sollte ich wirklich Fragen stellen? Immerhin war er mein Chef. Nach dieser Woche vergötterten mich meine Mitarbeiter. Die Küche war ziemlich klein, deshalb bekamen die meisten einen Umschlag, mit dem quasi ihr Lohn verdoppelt wurde.

Wie die meisten guten Dinge, war das irgendwann vorbei. Das Wetter wurde schlechter, die Terrasse wurde geschlossen und die saisonbedingten Pausen kamen. Und dann riefen die Gläubiger an. Zu diesem Zeitpunkt war der Geschäftsführer bereits rausgeschmissen worden. Zum Glück, zum Ende hin war er wirklich nur noch ein Häufchen Elend. Wir waren mit den Rechnungen in Verzug. Lieferanten musste ich per Nachnahme bezahlen. Nach vier kurzen Monaten sah es ziemlich düster aus. Und dann stellten sie einen Profi ein. Ein Typ mit ersthafter Berufserfahrung als Restaurantmanager. Einer, der bei Finanzangelegenheiten den Durchblick hat. Dachten wir zumindest.

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Es stellte sich heraus, dass er schwerer Alkoholiker war und gerne mit den Mitarbeiterinnen schlief. Meistens lief es so: Wir schlossen die Bar, sperrten die Türen zu und tranken bis fünf Uhr morgens. Es gibt keinen besseren Barkeeper als ein betrunkener Geschäftsführer, der sich davor drückt, zu seiner kaputten Beziehung nach Hause zu gehen. Er wird mit Sicherheit dafür sorgen, dass du dich völlig wegschießt. Eines Tages kam seine dunkle Seite unweigerlich zum Vorschein. Die Sache erreichte ihren Höhepunkt, als er in einer Nacht mit einem Messer vor der Barkeeperin, mit der er Sex hatte, herumfuchtelte und versuchte, sich ihr sexuell aufzudrängen—vor anderen Mitarbeitern und vor allem vor den Überwachungskameras. Nach diesem Vorfall kündigte er. Nach so einer Nacht kann man den Respekt seiner Mitarbeiter niemals mehr zurückgewinnen.

Ich hingegen war kurz davor, einen Job als Konzernküchendirektor anzunehmen—ein Job, bei dem ich mehrere Einheiten managen sollte. Das war ein großer Schritt nach vorne, auf den ich mich sehr freute. Ich sollte den Job an dem Tag antreten, an dem der zweite Geschäftsführer kündigte. Das führte zu meiner Beförderung. Und ich stand da, in einem Meeting mit den Besitzern über die Zukunft des Restaurants und wurde vor die Entscheidung gestellt: Entweder du nimmst den Job als Geschäftsführer an oder wir müssen schließen. Unser toller Küchenleiter/Besitzer war nicht bereit, auch nur die geringste Verantwortung zu übernehmen. Sein Partner, der mehrere Nachtclubs in der Stadt besaß, war nicht gerade der, der selbst anpackt, also überließen sie die Entscheidung mir. Fast wie wenn die Großtante einem ihren Hund vermacht, den man nie wollte. Aber ich nahm die Stelle an. Mehr Geld, kleiner Bonus, neuer Titel—es würde schon alles gut werden.

Ich hatte zumindest kein Alkoholproblem, das muss also für die Mitarbeiter schon ein Fortschritt gewesen sein. Ich hatte zwar was mit einem Mädchen aus der Küche, aber die Sache war ernster und ich spielte nicht mit ihr. So wurde ich also zum dritten Geschäftsführer. Ich hatte keinerlei Qualifikationen für den Job und bekam auch keine Unterstützung, auch keine Einschulung. Während unser Küchenleiter seine neue Kochsendung in Asien promotete, musste ich alleine dieses scheiternde Restaurant aus dem Sumpf ziehen. Ich fing an zu trinken. Jeden Tag bekam ich Anrufe von Gläubigern. Jeden Tag wollte ich diesen Job weniger machen.

Die darauffolgenden sechs Monate verbrachte ich damit, meine Leidenschaft für Restaurants zu zerstören. Es gibt nichts Entmutigenderes, als ein Restaurant zu führen, das zum Scheitern verurteilt ist. Man verfällt in einen apathischen Zustand. Mit jedem Zahltag schwindet der Erfolgswille mehr. Man macht nur noch das absolut Nötigste. Irgendwann macht man nicht einmal mehr das. Man betet für die Entlassung. Es reißt einem die Seele aus dem Leib. Eine ehemals vielversprechende Kochkarriere versaut durch den Namen eines Restaurants, das von vornherein ein einziger Reinfall war. Auch die Mitarbeiter wurden leere Hüllen ihrer selbst.

Bis alle die Flucht ergriffen. In der gleiche Woche, in der ich das Restaurant verließ, zogen 40 Prozent der Mitarbeiter nach. Der Geruch des Todes verbreitete sich in dem Laden. Es war eine Erleichterung, entlassen zu werden. Sie konnten sich mein Gehalt nicht mehr leisten. Und das war ein Segen, besonders wenn sie mir irgendwann die Abfindung bezahlen, die mir zusteht.

Jetzt muss ich mich selbst dazu zwingen, wieder an den Herd zu stehen, um herauszufinden, ob ich meine Leidenschaft für die Gastronomie, die so tief in mir verwurzelt ist, wieder entfachen kann. Ob sie nicht endgültig erloschen ist, als ich meinem alten Chef dabei zusah, wie er sich zum Starkoch hochmogelte—ohne überhaupt wirklich kochen zu können. Ein weiteres Produkt der Generation Food Network.