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Andalusien ist ein Weihnachtsparadies aus Schinken, Süßigkeiten und Prozessionen

Andalusien ist möglicherweise eine der wenigen übrig gebliebenen Orte im Westen, wo die Leute zu Weihnachten mehr mit dem Essen und der Familie als mit Shoppen beschäftigt sind.

Jeder, der schon einmal in Andalusien war, hat wahrscheinlich bemerkt: Die Andalusier behandeln ihr Essen mit vollstem Respekt und sind stolz darauf, sich die Zeit zu nehmen, um das Beste aus den Zutaten zu machen, die sie in ihrem eigenen Garten anbauen.

Man merkt sofort, dass sich alles um Essen dreht. Familien und Freunde essen und trinken stundenlang zusammen—adobo, jamon iberico, espinacha con garbanzos. Das Essen dort ist einfach der Wahnsinn.

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Und zu keiner Zeit wird das mehr zelebriert als an Weihnachten. Da kommen die drei Eckpfeiler des Lebens zusammen: Essen, Religion und die Familie.

Wie in anderen römisch-katholischen Ländern wird auch in Andalusien Weihnacht am Abend des 24. Dezembers (noche buena) gefeiert. Noche buena ist eine Familienangelegenheit, die nach der abendlichen Weihnachtsmesse in der Kirche stattfindet. Vor 22:00 Uhr passiert also gar nichts. Das kommt dem einen oder anderen vielleicht spät vor, aber so läuft das hier eben. Gewöhn dich dran. Trink noch ein Glas Cava.

Was das Essen anbelangt, landet das Beste, was Andalusien zu bieten hat, auf dem Tisch. Ich habe mich mit Victor Silvestre von Taller Andaluz de Cocina unterhalten. Er lebt schon seit 25 Jahren in Sevilla und weiß alles, was man über das Essen dieser Region wissen muss. Ursprünglich kommt er aus Madrid, deshalb sind seine frühesten Erinnerungen an Weihnachten „Lamm, Spanferkel, Bratkartoffeln, Gemüse und eine große Schinkenkeule, die wir nach abwechselnd aufschnitten". (Na, neidisch?) Weiter südlich im Land hingegen bringt er „consomé al Jerez, huevos rellenos, gambas blancas, jamón ibérico. Und natürlich carrilladas" mit Weihnachten in Verbindung.

Dabei handelt es um sehr traditionelle Gericht aus Zutaten, die das Leben in Andalusien prägen: die consomé mit Sherry aus Jerez, gambas von Meer im Süden, der jamón von den schwarzen Schweinen, die in Huelva gehalten werden.

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Die Zahlen der praktizierenden katholischen Christen zeichnen alles andere als ein rosiges Bild der Lage: eine Erhebung aus dem Jahr 2010 zeigte, dass nur etwa 15 Prozent der Katholiken regelmäßige eine Messe besuchen. Die Jugend des Landes, seine religiöse Zukunft, flieht vor den miserablen Arbeitslosenzahlen—35 Prozent in Andalusien—in wohlhabende lateinamerikanische Länder, nach Großbritannien oder Deutschland.

Dennoch zieht sich der Katholizismus durch Andalusien wie ein roter Faden. Es ist ein viel akzeptierterer Teil der lokalen und nationalen Identität als anderswo und Traditionen werden beachtet—ohne jegliche abfälligen Kommentare, nicht so wie wenn ich mit ein paar Freunden in die Kirche gehen würde.

Das Weihnachtsfest wird nicht nur mit der Buena noche gefeiert. An Navidad, dem ersten Weihnachtstag, zieht die La Cabalgata durch die Straßen, eine Prozession, die von drei Königen angeführt wird. Süßigkeiten werden an Kinder (und große Kinder) verteilt. Ich fragte Victor, ob da überhaupt jemand hingeht. „Ja", erwiderte er, „besonderes Familien mit Kindern, aber auch Gruppen von Freunden und junge Paare."

In der Vorweihnachtszeit gibt es Weihnachtsmärkte, bei denen ausschließlich Krippen und alles drum herum verkauft werden—Pantomimekünstler oder Schießstände sucht man vergeblich. Am 6. Januar wird das Dreikönigsfest gefeiert. Am Vorabend bekommen Kinder Geschenke, es gibt ein großes Festmahl und eine weitere Cabalgata.

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„Weihnachten dreht sich in Andalusien immer noch stark um die religiösen Aspekte", findet Victor und fügt hinzu: „Aber keine Frage, die kommerzielle Seite ist im letzten Jahrzehnt immer wichtiger und größer geworden."

Auch die Familie spielt—nicht nur zu Weihnachten—eine enorm wichtige Rolle. Jeder Mann, den ich kenne, der eine andalusische Frau geheiratet hat, erzählt, wie nah sie ihrer Familie steht. Manche jammern: „Sie muss schon wieder ihre Mutter besuchen."

Aber im Laufe der Zeit lernen die meisten die enge Verbundenheit der andalusischen Familien zu schätzen. Gerade in der heutigen Zeit scheint das besonders wichtig sein. Andalusien, wo Landwirtschaft und Tourismus wirtschaftliche Säulen bilden, geht es besonders schlecht. Neben der Wirtschaftskrise war außerdem die Olivenernte vergangenes Jahr besonders schlecht. Wenn man bedenkt, dass es in Andalusien 165 Millionen Olivenbäume und 60 Prozent des gesamten Olivenöls der Welt werden produziert werden, sind die Auswirkungen alles andere als marginal.

Aufgrund der Immobilienkrise 2007 waren auch viele junge Erwachsene gezwungen, wieder zu ihren Eltern zu ziehen: Derzeit wohnen 50 Prozent bei ihren Familien und es sieht nicht so aus, als würde sich das in naher Zukunft großartig ändern. Aber egal, was passiert, die Familien sind immer noch da und mit ihnen leben auch die Traditionen weiter.

Vielleicht könnten wir uns alle ein Stück von den Andalusiern abschneiden. Weihnachten funktioniert hier so gut und ist noch nicht zur Kommerzhölle verkommen. Warum? Noche buena und La Cabalgata werden nicht von irgendeiner Cola-Werbung mit einer eingängigen Melodie weitergegeben, sondern von abuelo y abuela, von tio oder tia, mama oder papa. Und das Gleiche gilt auch für das Essen.

Das Essen ist genauso sehr Teil der Identität wie die Kirche, die sie jedes Jahr für die Weihnachtsmesse besuchen. Das muss doch gut für die Seele sein. Wie könnte es auch nicht, bei dem leckeren Essen?