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Dieses Dorf nennt sein Traditionsgebäck N****schnitte

"Ein besserer Name ist bisher niemandem eingefallen", steht als Ausrede auf der Gemeinde-Website.
Foto Schaumküsse: Bru-nO | Pexels | Bild Wappen: Wikimedia | CC0

Dieser Artikel stammt aus unserer Redaktion in Zürich.

Ein Kuchen aus dunklem, saftigen Biskuit-Teig, eine Schicht Vanillecreme, die mit einem Schuss Mandacher Kirsch veredelt wurde, abgerundet mit einer schokoladigen Glasur. Klingt lecker, denkst du? Ist es auch. Bestellen werde ich diesen Kuchen allerdings nie, denn die Spezialität aus dem Schweizer Kanton Aargau nennt sich "N****schnitte".

Man muss nicht gerade den Ku-Kluxs-Klan-Film Blackkklansman im Kino gesehen haben, um zu verstehen, warum einem als weisse Person nicht zusteht, dieses Wort zu verwenden. Das Wort ist rassistisch, herabwürdigend und unnötig. Und auch der Kuchen aus dem 300-Einwohner-Dorf Mandach im Aargau würde ohne prima auskommen. So wie der Schokokuss, der auch ganz ohne N-Wort in den Supermarktregalen überlebt hat. Bloss die Schweizer Firma Dubler nennt ihr Produkt noch immer "Mohrenköpfe". Das wird sich auch nicht ändern. Die Begründung ist einfach: "Sie heissen immer schon so", sagt Robert Dubler zu 20 Minuten.

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Das Dorf Mandach hat für seine N****schnitte eine viel bessere Ausrede parat, um die brennenden Fackeln zu löschen, bevor der liberale Mob mit ihnen zum Protest durch die Felder und Gassen des Dorfs stürmen kann: "Einen passenderen Namen hat bisher noch niemand gefunden", steht auf der Seite der Gemeinde. Aha. Ja dann.


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Dem Dorf ist bewusst, dass der Name für die Schnitte ziemlich daneben ist und "nach heutigen Massstäben politisch unkorrekt", wie es auf der Seite weiter heisst. Ich frage beim Gemeindeschreiber Mandachs nach, ob das wirklich ihr Ernst sei. Die kurze Antwort: Ja, das sei ihr voller Ernst. Die lange Antwort: "Die Bezeichnung der Mandacher Spezialität ist eine alte Tradition und keineswegs despektierlich oder rassistisch begründet."

Dabei werden die Worte N**** oder Mohr schon seit dem 16. Jahrhundert als abwertend konnotiert, wie das Schweizerische Idiotikon festhält. Auch heute ist es eigentlich völlig klar, dass solche Begriffe rassistisch sind, sagt der Historiker Bernhard Schär von der ETH Zürich. Und trotzdem kannst du im Jahr 2018 noch den Dubler'schen "Mohrenkopf" kaufen. Und an Mandacher Volksfesten auch heute noch die beliebte "N****schnitte" geniessen.

Dass der Mohr im Wappen des Dorfes einer typischen (und übrigens auch rassistischen) Karikatur eines Schwarzen Mannes gleicht, obwohl damit der Heilige Mauritius dargestellt werden soll, scheint in Mandach dann auch keinen zu kratzen. Warum auch? Ist ja nicht rassistisch gemeint sondern bloss schon immer so gewesen.

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Man sei schon des Öfteren auf den Namen der Spezialität angesprochen worden, antwortet Gemeindeschreiber Martin Hitz per Mail. Auf die Frage, ob man denn jemals ernsthaft überlegt hätte, den Namen zu ändern, schreibt er, dass das gar nicht ginge: "Die Bezeichnung dieses Gebäcks liegt nicht in der Kompetenz des Gemeinderates."

Und wer kann das tun? Die Antwort ist so ernüchternd wie absurd: "Die Gemeinde verfügt weder über eine Bäckerei, noch über einen Laden oder dergleichen. Es gibt dementsprechend keine 'kompetente Stelle' an welche ich Sie verweisen kann", schreibt Gemeindeschreiber Hitz. Armes Mandach, auf ewig dazu verdammt, das Dorf mit der N****schnitte zu sein. Für immer gebrandmarkt als rassistischer Schandfleck der Schweiz. Bloss weil irgendein Mandacher Bäcker vor vielen hundert Jahren dachte, das sei ein prima Name für seine (relativ innovationslose) Patisserie-Innovation.

"Der guten Ordnung halber", warnt Hitz aber in seiner Antwort, "müssen wir die Bedeutung dieses Gebäcks richtig einordnen. Über den Kreis der Personen, welche einen Bezug mit unserer Gemeinde haben, ist das Gebäck mit der entsprechenden Bezeichnung kaum bekannt." Puh, da haben wir also noch einmal Glück gehabt und die Schweiz wird jetzt nicht als rassistische Nation in die Weltgeschichte eingehen. Es bekommt ja offenbar eh kaum einer mit, was zwischen fremdenfeindlicher Alpenromantik und rassistischen Fasnachts-Umzügen sonst so in diesem Land abgeht.

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Dass diese Schnitte aber auf der Mandacher Gemeindeseite als "weitherum sehr beliebt" bezeichnet wird, scheint der gute Mann vergessen zu haben. Er erzählt mir auch, dass Mandach "etwas ausserhalb" liegt, und es darum "ausser wenigen Wanderern keinerlei Touristen oder Besucher gibt". Dass ich über diese Sache einen Online-Artikel schreibe, der für immer im Internet zu finden sein wird, muss ihm wohl kurz entfallen sein.

Rechtlich vorgehen lässt sich gegen die Bezeichnung der Schnitte aber nicht, denn nicht mal die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus will etwas unternehmen, "auch wenn sie aus heutiger Sicht unangemessen und verletzend wirkt", wie die Aargauer Zeitung die Behörde zitiert.

Mir fallen auf Anhieb Dutzende bessere Namen für dieses Dessert ein. Ein paar davon, könnte der Tourismusverband Aargau sogar für Werbekampagnen verwenden, um statt eines wütenden Mobs endlich mal Gäste in das kleine Dorf zu locken. Mandacher Schnitte zum Beispiel. War gar nicht so schwer.

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