Wie ich es endlich schaffte, die besten Ramen der Welt zu essen
Vor dem Tutsa. Warten. Alle Bilder vom Autor.

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Michelin-Stern

Wie ich es endlich schaffte, die besten Ramen der Welt zu essen

Was ist das nur für 1 Ramen, für den alle warten? Ich habe eine Nummer gezogen, in drei Schlangen gestanden, am Tisch auf mein Essen gewartet und dann musste ich schnell wieder weg, weil hinter mir andere in der Schlange waren.

Adrian ist gerade in Japan. Für Munchies isst er sich durch das Land, weitere Texte werden folgen. Seine Reise dokumentiert er für uns auch auf Instagram (sogar zwei Mal) und bald auch auf Snapchat. Nachdem er beim letzten Mal in Japan gescheitert ist, will er nun alles besser machen.

Bei meinem letzten Tokyo-Aufenthalt habe ich die beste Ramen der Welt verpasst. Weil ich nicht wusste, dass es eine gibt. Von der Existenz des ersten Ramen-Ya (Ramen-Restaurants), das mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet wurde, erfuhr ich erst wieder in Berlin. Dieses Mal hatte ich eine Mission. Meine #roadtoramen war lange geplant.

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Das Tsuta ist im Norden von Tokyo und mittlerweile auch weit außerhalb der Grenzen Tokyos bekannt. Diesem Internet zufolge sollte man sich früh auf den Weg machen, da das Restaurant nicht so lange offen hat, am Abend hat es geschlossen. Zwischen 11 und 16 Uhr zieht man ein Ticket. Und dann wartet man. Lange. Erst dann kommt man in den Genuss von Yuki Onishis Kreationen.

Yuki führt das Tsuta noch gar nicht so lange. Bevor er sich dazu entschloss, Ramen-Meister zu werden, importierte er Mode nach Japan und erst ein Businesstrip nach New York brachte die Wende. Die Liebe, die dort der japanischen Küche entgegengebracht wurde, inspirierte ihn, eine neue Karriere zu starten.

Sein Vater führte in seiner Heimatstadt Kanagawa schon lange ein Ramen-Ya und hier erlernte Yuki die dunklen Künste, die ihn Jahre später in ein Buch eines französischen Reifenherstellers bringen sollten. 2012 eröffnete er seinen Laden.

Nachdem ich es vier Tage in Folge nicht geschafft habe, früh genug aufzustehen, um rechtzeitig beim Tsuta anzukommen, um noch ein Ticket zu ziehen, aß ich mich die ersten Tage erstmal durch die lokalen Ramen-Geschäfte. Es galt sich eine Grundlage zu schaffen, man muss ja schließlich vergleichen können, um am Ende der Woche einen Dschungelkönig wählen zu können. Nachdem ich einen kurzen Stopp bei Itchiran Ramen und Afuri Ramen gemacht hatte, war die Messlatte schon relativ hoch.

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Ich war wirklich aufgeregt.Itchiran

Bei beiden Ramenläden handelt es sich um Franchise-Unternehmen. Aber im Gegensatz zu den seelenlosen Ketten, die sich wie ein Geschwür durch so manche gastronomischen Viertel einer Großstadt ziehen, bedeutet das in Japan noch lange nichts Schlechtes. zum Beispiel gehört zu einem der besten und am meisten ausgezeichneten Tonkotsu Ramen-Läden Japans. Die Kette hat sich auf genau dieses eine Gericht spezialisiert und zelebriert es jeden Tag wie der FC Bayern jede Saison die Meisterschaft. Das Ergebnis ist jedoch viel spannender als die Bundesliga und die Bayern mag sowieso (fast) keiner.

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Am vierten Tag also schaffte ich es endlich, mich frühzeitig auf den Weg zu Tsuta zu machen. Was ist das für 1 Ramen, stimmen die Ramenbedingungen? Ein Haufen blöder Gedanken schossen mir durch den Kopf, als ich mich in dem Zug nach Sugamo befand. Wird das Tsuta seinem Ruf wirklich gerecht?

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Die Konkurrenz I Die Konkurrenz II

Yugi kombiniert für seinen Shoyu-Ramen drei besondere Soja Saucen, die Nudeln sind handgemacht und am Ende streicht er noch Trüfelpaste auf den gegrillten Schweinebauch – das mögen die Menschen bei Michelin. Halleluja, die Erwartungen waren hoch.

Angekommen vorm Tsuta bekamen meine Begleitung und ich gegen ein Pfand von 1000 Yen – etwa neun Euro– erwartungsvoll einen Zettel in die Hand gedrückt. In zwei Stunden sollten wir wiederkommen.

Darauf war ich vorbereitet, das überrascht euch jetzt. Ich nahm mir eine kleine Auszeit in Rikugien Gardens, das ist um die Ecke. Die Pause hatte ich mir verdient, war ja früh aufgestanden.

Erst Eis essen, dann Ramen.

Erst Eis, dann Ramen. Da ist das Ding.

Zwei Stunden später befanden wir uns wieder vor dem Tsuta und durften noch einmal warten. Eine Viertelstunde später betrat ich dann endlich den Laden, am Eingang wurde ich noch mal freundlich daran erinnert, mit meiner Kamera bitte keine Fotos zu machen. Ausnahme: Die Ramen. Daran konnte ich mich nicht halten, das Bild von Yuki behalte ich aber dennoch besser für mich.

Yuki Onishi strahlte eine unglaubliche Ruhe aus, niemand sprach auch nur ein Wort in dem kleinen Raum, der neun Sitzplätze und eine kleine Bank für die Wartenden beinhaltete. Während Yuki gerade die ersten Nudeln aus dem kochenden Wasser hinter ihm zog, fünf Sekunden mit leerem und gleichzeitig konzentriertem Blick in die Luft starrte, wusste ich: Die Sache wird ernst.

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Im Raum schwebte der angenehm süßlicher Duft der Shoyu Brühe und einer gehörigen Portion Trüffel, die sich harmonisch mit dem Rest vereinten. Außer dem Schlürfen der Gäste, die schon ihre Schüssel vor sich stehen hatten, war es totenstill im Raum.

Hatte ich erzählt, dass ich wieder warten musste? Nach noch einmal zehn Minuten bekamen wir nun endlich unsere Plätze am Tresen vor Yuki zugeordnet. Meine Begleitung bestelle den Shoyu Ramen und ich die Dipping Soba, eine weitere Spezialität des Hauses. Das Tsuta hatte den Stern schließlich nicht nur für seinen Shoyu Ramen bekommen. Und ich bin auch kein Freund davon, das gleiche wie meine Begleitung zu bestellen.

Yuki begann, sich um unsere Schüsseln zu kümmern, fast wie in Ekstase führte er die Bewegungen aus. Er hat das schon unzählige Male so gemacht, er hat es perfektioniert. Mit einer kleinen Kelle rührte er den Grundstock für die Ramen an, mit einer größeren kam eine Brühe hinzu. Die Nudeln kochten derweil in kleinen Köchern in einem großen Nudelbad vor sich hin. Das Trüffelaroma wurde immer intensiver und meine Aufregung stieg an. Ein kurzes Klingeln weckte mich aus diesem ehrfürchtigen Moment auf. Die Nudeln waren fertig.

Yuki hob den Köcher mit den Nudeln wieder nach oben, streckte den Arm in die Luft und verweilte wieder für wenige Sekunden in dieser Position und starrte in die Leere. Ich war mir nicht mehr sicher, wie ich mit der Situation umgehen sollte. Ich beschloss mich so zu verhalten, als wäre ich bei der Geburt einer der wichtigsten Ideen der Menschheit dabei und versuchte nun auch, mit jeder meiner Bewegungen die gleiche Würde wie der große Meister auszustrahlen. Nachdem Yuki den Köcher noch einmal wie einen Cocktail in der Luft geschüttelt hatte und die fertigen Nudeln mit dem gebratenen Char Sui (Schweinebauch), fermentiertem Bambus und dem gekochten Ei kombinierte, landeten die Schüsseln vor unseren Augen.

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Ich beschloss nun kurz einen Snap aufnehmen und in die Welt zu schicken und jegliche Würde wurde somit zeitgleich aus meinem Körper gesnapt - egal. Mein Vorsatz hielt nicht lang.

Bei meinen Dipping Sobba handelte es sich um keine herkömmliche Ramen, die Soba Nudeln müssen hier per click-and-drop-Verfahren in die Sauce eingetaucht und dann verzehrt werden. Wenn ihr versteht, was ich meine. Der erste Löffel haute mich von den Socken – die Sauce war fantastisch, sehr würzig, durchaus fett und wahnsinnig geschmackvoll.

In der Sauce befanden sich noch das Ei, der Schweinebauch und die fermentierten Bambusstücke. Jede Zutat ist einzeln schon perfekt auf den Punkt gebracht, aber zusammen so stark wie Megatron von Transformers oder dieser riesige Power Ranger, auf dem am Ende der weiße Adler landet. Ihr wisst.

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Meine Begleitung und ich tauschten jetzt Schüsseln. Der erste Versuch von der Brühe streichelt mich fast vom Stuhl, sehr intensiv, aber gleichzeitig so smooth. Das Trüffelaroma ist perfekt mit der Brühe verschmolzen, das Char Sui ist auf den Punkt gebraten. Die Soba Nudeln sind al dente as fuck, wie ein Italo-Amerikaner wohl sagen würde.

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Das ist das Ende.

Ich bin begeistert. Dadurch, dass der ganzen Laden still bleibt, konzentriert man sich haargenau auf jeden einzelnen Bissen, und jede kleinste Nuance des Essens. Man entschärft eine Geschmacksbombe nach der anderen und schaut dabei andächtig Yuki und seinen Gehilfen zu – die Blicke werden kein einziges Mal erwidert, der Mann hat zu tun. Alles was ich jetzt will, ist einmal Augenkontakt mit dem Meister.

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So lange es auch gedauert, so schnell ist es auch wieder vorbei. Nach gefühlten fünf bis acht Minuten steht man nach einer flüchtigen und schüchternen Verabschiedung wieder auf der Straße. Man möchte sich auch nicht zu viel Zeit lassen. Andere warten auch. Der Laden hat nur neun Plätze.

Aber war das jetzt die beste Ramen der Welt, ist der Michelin Stern verdient? Kann man nun zufrieden seine Koffer packen und jedem Ramenliebhaber zu Hause in die Suppe spucken? Ja, ja, ja und nein.

Das Tsuta war mit Abstand die beste Ramen meines Lebens. Das komplette Setting ist ein Traum, es war fast eine Messe. Man isst wie in Trance und fühlt sich angenehm erleuchtet in dieser schlürfenden Ruhe. „Brauchts das denn?", würde mein bayerischer Onkel fragen.

Absolut, so magisch isst man wohl sonst nirgendwo eine Ramen. Der Ruf des Ladens und die Aura von Yuki schaffen eine ganz spezielle Stimmung, die die Sinnesnerven noch einmal besonders triggern.

Ob es in einer Stadt wie Tokyo, wo es angeblich über 5000 Ramenläden geben soll – also 5000 andere Yukis, mit eigener Vision und Traum - möglich sein kann das Tsuta zum besten Ramen-Ya der Welt zu erheben? Macht euch selbst ein Bild, guten Appetit, Itadakimasu!