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Warum menschliche Füße den besten Portwein machen

"In den ersten zwei Stunden braucht es militärische Disziplin."
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Es fühlt sich bizarr an, in einen riesigen Behälter voller zermatschter Trauben zu steigen. Meine nackten Füße glitschen durch Traubenhäute, Fruchtfleisch und Saft, der mal Wein wird. Ich stehe in einem großen Gärbecken aus Beton – in Portugal nennt man diese Becken lagares. Es fühlt sich seltsam an; als würde ich etwas Perverses tun. Hier im Douro-Tal werde ich Zeugin davon, wie der Produzent Taylor's seine Trauben stampft, um daraus Portwein zu machen.

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Das Douro-Tal

In der Ecke spielt ein Typ Synthesizer und ich schließe mich den portugiesischen Arbeitern an. Ich stampfe den Trauben buchstäblich die Grütze aus dem Leib. Dabei lerne ich: Dieser Vorgang ist nicht einfach ein Gimmick. Portwein-Hersteller, die etwas auf sich halten, ziehen das Traubenstampfen anderen mechanischen Methoden vor.

Der menschliche Fuß ist stark genug, um die Frucht zu zerdrücken, aber nicht so hart und unnachgiebig, dass dabei der Traubenkern aufplatzt. Wenn du schon einmal auf einem Traubenkern herumgekaut hast, dann weißt du, wie bitter das schmeckt. Das ist nichts, was man hinterher im Port haben will.

Nach zwanzig Minuten Stampf-Tanz in den Lagares fange ich an zu schwitzen – und frage mich, ob ich dem Geschmacksprofil des zukünftigen Portweins wohl etwas Salziges hinzufüge.

Einen Monat später bei einem anderen Portwein-Winzer entlang dem Fluss Douro: Quinta Vale D. Maria. Ich schaue in die Behälter, in denen die diesjährige Traubenernte bereits gestampft wurde. In dem Raum stehen Tische und Stühle – das Weingut verwendet ihn zu besonderen Anlässen für Dinnerpartys.

"Wir verwenden einen Granitbehälter, und zwar nur so hoch, dass die Trauben über die Knie einer stehenden Person gehen", sagt Cristiano van Zeller, der das uralte Familienunternehmen von 1780 leitet. "Wir stampfen die Trauben mit den Füßen und gären den Wein hier."

"Es ist sehr harte Arbeit, vor allem in den ersten zwei Stunden – da braucht es militärische Disziplin", sagt van Zeller. "Man muss zwei Stunden am Stück das Tempo halten und marschieren, um alles gleichmäßig zu zerstampfen. Dann schreit man 'Freiheit!' und freut sich, erst einmal eine oder eineinhalb Stunden tun zu dürfen, was man will."

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Ich frage van Zeller, ob seine Mitarbeiter sich beim Stampfen interessante Zeitvertreibe ausdenken.

"Früher haben die Arbeiter, die den ganzen Tag bei der Ernte verbrachten, abends viel gesungen und getanzt. Die Frauen tanzten, während die Männer stampften. Das war vor vielen Jahren", sagt van Zeller. "Heute haben alle so viel Spaß, wie sie können, während sie stampfen. Sie hören Musik und reden über Fußball."

Das Stampfen mag die traditionelle Methode sein, doch Port-Winzer haben sie nicht durchgehend eingesetzt.

"Inzwischen sind wir wieder beim Anfang angekommen", sagt van Zeller. "Bis in die 1950er und 60er wurde Portwein immer so gemacht, doch in den folgenden Jahrzehnten kamen alle auf die Idee, sie bräuchten ganz viel Edelstahl. Dann stellten wir und andere fest, dass Stampfen viel besser ist, und so haben uns wieder auf die alte Tradition besonnen."

Beim Mittagessen fließt der Portwein wie Wasser und ich frage mich, wessen Füße wohl die ganze Arbeit gemacht haben.