Libanon, Palästina, Syrien: Wie die Kriege im Nahen Osten Berlins Fast-Food-Szene verändern

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Fast Food Week

Libanon, Palästina, Syrien: Wie die Kriege im Nahen Osten Berlins Fast-Food-Szene verändern

Wenn irgendwo im Nahen Osten ein Krieg ausbricht, dann dauert es nicht lange und in Berlin macht auf der Neuköllner Sonnenallee ein Fast-Food-Restaurant auf.

Seit einer Weile kommen die Iraker wieder, im letzten Sommer waren es Menschen aus Syrien, davor schon Kurden und Libanesen und alle versammeln sich auf der Sonnenallee, die manche auch die "arabische Straße" nennen. Dabei sind es nur 700 Meter, die vielleicht arabisch sind: zwischen Hermannplatz und Weichselstraße. Auf der Ecke an der Weichselstraße steht das City Chicken, das von Libanesen gegründet wurde. Der libanesische Bürgerkrieg war der erste Krieg, vor dem manche auf die Sonnenallee flüchteten. Das ist nun 30 Jahre her.

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Es gibt dort in der Nähe eine Menge Hühnerhäuser, das erfolgreichste ist sicher Risa Chicken. Die BZ hat Risa Chicken vor einigen Jahren den "falschen KFC" genannt, was sicher respektlos ist, aber auch ein wenig stimmt. Optisch erinnert der Laden an die Kette, die Qualität des Essens ist aber besser. Gegründet hat Risa Chicken vor 15 eine Frau, die vor dem libanesischen Bürgerkrieg flüchten musste und die ihren Namen lieber nicht in der Presse lesen möchte. Die Leuten von Risa Chicken reden zwar mit uns, aber aus unbekannten Gründen sind sie etwas pressescheu. Heute hat sie vier Läden in Berlin, bald gibt es einen fünften. Der erste Risa Chicken eröffnete auch auf der Sonnenallee, Ecke Reuterstraße. Dort ist er noch heute, darin dreht sich ein großes Rad, in dem sich zwischen zwei Metallgittern etwa 100 Hähnchen drehen.

Hühnerrad und Deutschlandflagge

"Risa Chicken ist der beste Laden", sagt Mahmoud Kaddoura. Mahmoud kam 2015 aus Aleppo nach Berlin. In Aleppo war er Englischlehrer; nach 83 Tagen Haft, 80 Verhören, Erpressung und Schlägen verließ er Aleppo mit seiner Familie. Heute führt er für "Querstadtein", bei denen Geflüchtete ihre Stadt zeigen, Interessierte über die Sonnenallee. Damit verdient er sich etwas Geld dazu. Er kennt die Straße sehr genau, hier kauft er seine Lebensmittel und hier geht er hin, um zu essen. Das erste Mal war er an einem Sonntag auf der Sonnenallee, keine Menschenseele war dort. Beim zweiten Mal liebte er es, er fühlte sich wie auf den Straßen von Aleppo oder Damaskus. Wenn Mahmoud mit seinem Vater telefoniert, der noch in Aleppo ist, dann ziehen sie sich gegenseitig auf, am Anfang hatte der Vater Recht, Mahmoud bekam nicht das Essen, das er liebte, und der Vater spöttelte über ihn. Dann, über die Jahre, wurde die Versorgung in Aleppo immer schlechter, während die Versorgung auf der Sonnenallee viel besser wurde. Wenn sie heute telefonieren, zeigt Mahmoud ihm den Kühlschrank und lacht.

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Mahmoud führt uns zum Al-Andalos, einem libanesischen Imbiss. Die Inneneinrichtung ist ein Klischee, das Essen sei "in Ordnung". Es schmecke bloß nicht so, wie er es kennt. In dem Laden stehen nur Deutsche, viele Studenten. Das Essen ist billig. Er zeigt auf den Spieß, nur Hähnchenbrust dürfe es sein, wenn es nach ihm geht. Das hier sieht aus wie Dönerfleisch. Es fehlt an den klassischen Gewürzen, die in ein Shawarma kommen, unter anderem Zimt, Kreuzkümmel, Koriandersamen und Zitrone. Außerdem benutzen sie zusammen mit Roter Bete eingelegte Rübe, die dadurch pink wird. Das gehöre nicht auf ein Shawarma, sagt er.

Mahmoud vor dem Al-Dimashqi

Die neuen Läden, die kommen, machen das anders. Das Al-Dimashqi eröffnete im letzten Jahr, vor Kurzem sind sie in einen größeren Laden gezogen, heute wartet man eine Dreiviertelstunde auf sein Shawarma, wenn es gerade voll ist. Dort gibt es syrisches Essen. Wenn man den Laden betritt, steht man vor einem massiven, zwei Meter langen Holzkohlengrill und in einer Schlange. Auf dem Shawarma ist Thoum, eine Knoblauchcreme, das Essen ist nicht bloß eine Variation des Döners, so wie es manchmal scheint. Es ist ein anderes, besseres Essen. Die Sonnenallee hat das beste arabische Fast Food und sie heben damit den Standard des Essens in der ganzen Stadt. Sicher, in Berlin findet sich noch immer viel Schlechtes, die Verbesserung braucht seine Zeit.


Auch bei MUNCHIES: Die Schrippenmutti von Berlin

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Die ersten Libanesen kamen vor 30 Jahren auf die Sonnenallee und langsam wird ihr Einfluss auch über die Sonnenallee hinaus spürbar. Der fünfte Laden, den Risa Chicken eröffnen wird, wird nicht im Kiez sein. Sie eröffnen in einem großen Laden, direkt am Bahnhof Zoo, in einem alten McDonald's. Eine klassische Touristengegend. Das ist nur konsequent, denn auch wenn die BZ etwas abfällig vom "falschen KFC" sprach, dann muss auch gesagt werden, dass das Essen bei Risa Chicken besser ist als das von KFC. Das Fleisch ist saftiger, die Panade krosser. Auch andere Läden heben die Qualität des Essens.

Im Risa Chicken

Das Azzam auf des Sonnenallee ist von Palästinensern gegründet worden, heute gilt der Hummus dort als der beste der Stadt und die ZEIT schreibt in einer Reportage, dass der Laden der Anlaufpunkt für die Israelis in der Stadt ist, weil guter Hummus hier immer noch so schlecht zu bekommen ist. Azzam serviert den Hummus kalt mit gutem Öl, dazu eine Kelle warmer Kichererbsen, die in meterhohen Töpfen den ganzen Tag kochen. Es sind solchen Läden wie Azzam, die andere Läden überhaupt erst möglich machen. Sie haben der Kundschaft gezeigt, wie gut Hummus sein kann, und wenn die Hummus-Fans eine kritische Masse erreicht haben, verlässt das Gericht die Sonnenallee. Im letzten Jahr hat das Kanaan in Berlin aufgemacht, ein Laden für Hipster im neureich-alternativen Prenzlauer Berg. Dort haben sich gleich ein Palästinenser und ein Israeli zusammengetan, mit großen Ambitionen. Nach der Eröffnung des Kanaan Express, einer Casual-Fast-Food-Filiale, wollen sie ihren Hummus in die Supermärkte bringen.

Der Hummus im Azzam

Und auf der Sonnenallee steht Mahmoud und erzählt davon, dass es auf der hier eigentlich nur arabische Fast-Food-Läden gäbe und keine klassischen Hauptgerichte. Die machen die Familien zu Hause. Selbst gemachtes arabisches Essen sei immer noch das beste, nur das Fast Food können die Familie nicht zu Hause machen, da fehlt ihnen die Apparatur. Bei Risa Chicken weiß man das. Das Essen wird dort günstiger, wenn die Portionen größer werden – es ist ausgelegt für Großfamilien. Und so expandieren die Läden, langsam aber sicher. Eine Sprecher von Risa Chicken gegenüber MUNCHIES: "Unser Ziel ist es, das Produkt irgendwann in Deutschland bekannt zu machen, über die Grenzen Berlins hinaus." Das Al-Dimashqi, der syrische Fast-Food-Laden mit der langen Wartezeit, hat ein zweites Geschäft in einem anderen Stadtteil aufgemacht, ganz in der Nähe von Mahmouds Wohnung. Es sei dort allerdings nicht so gut, sagt er. Am besten schmecke es immer noch auf der Sonnenallee.