Experten erklären, warum wir beim Essen so gerne auf Bildschirme starren
Illustration: Mel Lou

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Ablenkung

Experten erklären, warum wir beim Essen so gerne auf Bildschirme starren

Wann hast du das letzte Mal gekocht, ohne dabei zu überlegen, welche Serie du beim Essen anschauen wirst?

Lass mich raten: Du hast diesen Artikel nicht nur geöffnet, weil du die Überschrift interessant findest, sondern weil du auch etwas zum Lesen brauchst, während du dir eine Portion Nudeln reinschaufelst? Keine Angst, ich kann keine Gedanken lesen. Aber da wir immer abhängiger von unseren Smartphones, Tablets und Laptops werden, ist es sehr gut möglich, dass viele von euch zum Essen auf diesen Artikel geklickt haben.

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Es hat ja auch was, gemütlich auf dem Sofa zu sitzen, etwas Leckeres zu essen und dabei eine Folge der Lieblingsserie anzuschauen oder durch den Instagram-Feed zu scrollen. Das findet auch Taranah: "Stille und Essen passen bei mir nicht zusammen", gibt sie zu. "Dann denke ich zu viel nach und das Essen ist im Eimer. Ich will einfach mal den Kopf freibekommen. Ich kann mich nur dann komplett auf mein Essen konzentrieren, wenn ich in einem Restaurant bin und mich mit jemandem unterhalte."

Auch Gbenga gehört zu den Menschen, die sich beim Abendessen gerne vor den Bildschirm setzen. "Schon vor dem Essen entscheide ich, welche Netflix-Serie ich mir gebe", erzählt er. "Abendessen ohne Entertainment kommt bei mir eigentlich nie vor. Und falls doch, dann fühlt es sich nicht richtig an."

Promis gehören ebenfalls zum Essen-vorm-Fernseher-Club. So twitterte der Rapper T-Pain vor Kurzem, dass er keinem Menschen traue, der es schafft, eine ganze Mahlzeit zu essen, ohne dabei TV zu schauen. Er selbst könne ohne die richtige Serie nicht mal die Gabel in die Hand nehmen. Natürlich ging der Tweet direkt viral.

Was genau steckt nun hinter unserem Drang, vor dem Fernseher zu essen? Laut Experten gibt es auf diese Frage keine eindeutige Antwort. Laut Charles Spence, einem Autoren und Professor für Experimentalpsychologie an der Oxford University, spielen mehrere Faktoren eine Rolle.

"Immer weniger Familien essen zusammen und immer mehr Menschen leben wegen Scheidungen oder ihres hohen Alters alleine. Dazu kommen die Veränderungen in der Gesellschaft", erklärt er. "All das führt dazu, dass wir beim Essen nach Ablenkung suchen und beim Fernseher oder Laptop landen."

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Raes Alltag lässt fast gar nichts anderes zu, als vor dem Fernseher zu essen. Als Geschäftsinhaberin zählt eine solche Mahlzeit bei ihr schon als Quality Time mit ihrem Partner: "Sonst sehe ich ihn ja kaum! Ich habe mich jetzt schon so an diese Routine gewöhnt, dass es schwer wäre, es wieder anders zu machen", sagt sie.

Wenn du nun denkst, dass eine Folge Game of Thrones das Abendessen nur noch leckerer macht, dann liegst du falsch. "Soweit ich weiß, gibt es keine Hinweise darauf, dass das Essen so besser schmeckt", erklärt Suzanne Higgs, eine Professorin für Psychobiologie an der University of Birmingham. "Forscher haben lediglich herausgefunden, dass das Essen am Anfang sehr gut schmeckt, diese Empfindung im Laufe der Mahlzeit aber immer mehr abnimmt. So sollen wir davon abgehalten werden, zu viel zu essen. Der Fernseher scheint diesem Geschmacksrückgang jedoch entgegenzuwirken, das Essen könnte einem also schon besser vorkommen."


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Was man hingegen schon bewiesen hat: Vor dem Fernseher zu essen, ist schlecht für die Gesundheit. "Hier gibt es viele Studien, die besagen, dass man vor dem TV mehr isst als ohne Ablenkung. Das Völlegefühl setzt dann nämlich erst später ein", sagt Higgs.

Laut Spence ist es ganz einfach, die Mahlzeit-vorm-Fernseher-Routine zu durchbrechen: "Man muss sich nur auf den sozialen Aspekt des Essens zurückberufen. Wenn wieder mehr Menschen zusammen essen, dann werden sie schnell die positiven Auswirkungen einer Mahlzeit ohne Ablenkung spüren", erklärt der Professor.

Wie wirst du dich heute Abend also entscheiden? Nimmst du beim Essen doch wieder die Fernbedienung in die Hand oder lädst du lieber einen Freund ein und drehst dem Fernseher wortwörtlich den Rücken zu?