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persische Küche

Wie man im Kriegsgebiet zum Koch wird

Während des Ersten Golfkriegs wurde Moh Narimanis Heimatstadt Ahvaz evakuiert. Er blieb, um das Haus der Familie zu schützen. Ohne Frauen musste er lernen, wie man kocht. Wie weit ihn das noch bringen würde, hätte er damals nicht geahnt.
Photo via Flickr user Helena Smith

Von all den Orten, wo man kochen lernen kann, steht eine Stadt am Rande eines Kriegsgebiets sicherlich nicht ganz oben auf einer Liste. Nicht, dass Moh Narimani eine Wahl gehabt hätte. Als der Erste Golfkrieg in den frühen 80ern ausbrach, befand sich die iranische Stadt Ahvaz 50 km von der Kriegsfront entfernt. Während Frauen und Kinder evakuiert wurden, blieben der 20-jährige Narimani und viele andere junge Männer zurück, um ihre Häuser zu beschützen.

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„In dieser Nachbarschaft kannten wir uns alle, aber wir standen uns nicht sehr nahe", erinnert er sich. „In der Nacht war die Gegend komplett ausgestorben—es war komplett dunkel. Und es war langweilig und ein bisschen beängstigend. Wir hatten Hunger, also saßen wir uns zusammen, einfach nur um nicht alleine zu sein. Nur zum Schlafen gingen wir in unsere Häuser."

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Die Männer, die in Ahvaz zurückblieben, waren alle zwischen 18 und 25. Keiner von ihnen konnte kochen—sie hatten sich bis dahin alle auf ihre Mütter verlassen, die wie so viele andere geflohen waren. Jemand musste also kochen und dieser jemand war Narimani.

„Es gab eine Gemeinschaft, aber das Essen fehlte", sagt er. „Ich war kein richtiger Koch. Der beste iranische Koch wird danach bewertet, wie gut sein Reis ist, die Grundlage der persischen Küche—gedämpft und nicht klebrig."

Moh kochte mit allem, was er finden konnte. Tagsüber ging er auf den Markt, um Brot, Gemüse und Milchprodukte zu kaufen, Fleisch und Fisch gab es kaum. Er plünderte die Küchenvorräte seiner Mutter auf der Suche nach Reis und Bohnen und kochte oft Gerichte mit Kräuter—eines der wenigen Dinge, von denen es viel gab—, Okra oder Aubergine.

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Moh Narimani und seine Frau Christien. Foto von Moh Narimani.

Nach zwei Jahren änderte sich die Kriegslage und Ahvaz wurde langsam wieder zu neuem Leben erweckt. Die iranische Armee drängte die irakische zurück und die Kriegszone verschob sich um 100 km von Ahvaz weg. Die nächsten paar Jahre, bis der Krieg 1988 zu Ende ging, kamen die Soldaten um „sich auszuruhen, zu duschen, etwas zu essen" und gingen dann wieder zurück in ihre Positionen. Schließlich war der Krieg zu Ende und Narmani wanderte nach Deutschland aus.

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Moh fing als Hausmeister an und bekam dann einen Job in einem persischen Teppichunternehmen, bis sich die Gelegenheit bot, in die Gastronomie zu wechseln. Zuerst arbeitete er in einer italienischen Pizzeria und schließlich in einem persischen Restaurant, wo ihm sein Chef in sechs intensiven Monaten alles, was er über das Kombinieren von Geschmäckern wissen musste, beibrachte. Das war Narmanis Kochausbildung.

„Bei persischem Essen braucht man sehr viel Geduld. Man muss all die verschiedenen Arten, wie man etwas kochen kann, kennen", sagt er. „Die besten Gerichte, die ich lernte, waren ghorme sabzi—ein Lammeintopf mit Kidney-Bohnen und Petersilie, Schnittlauch, nicht mit Koriander und Spinat—und Fischeintopf aus meiner Heimatstadt, ghalyeh mahi. Nach diesen sechs Monaten bezeichnete ich mich als persischen Koch, aber einfach ist es nicht."

Als sein Chef zurück in den Iran ging, kehrte Narimani zum Teppichunternehmen zurück. Aber ein Urlaub in England, um seine Geschwister zu besuchen, veränderte alles.

„Mein Bruder hatte zwei Restaurants in Bristol und meine Schwester arbeitete in einem kleinen Restaurant auf der Isle of Man", erklärt er. „Als ich sie besuchte, bot mir mein Bruder einen Job an."

Darauf folgten zwei Jahre in einem Fish & Chip-Shop, während denen er über dem Lokal lebte.

Bristol war nicht so viel anders als der Iran. Viele Leute waren alleinstehend, sie hatten keine Familien und sie wollten nicht jeden Tag Pizza essen.

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Da die meisten Fish & Chip-Lokale am Montag geschlossen sind, lud Narimani seine Freunde an diesem Tag regelmäßig zu sich ein, wo sie Backgammon spielten und Musik machten—bis sie Hunger bekamen. Und zum zweiten Mal in seinem Leben wurde er zum Koch einer Gemeinschaft.

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Ein Pita-Gericht in Narimanis Restaurant Kookootoo. Foto von Kookootoo.

Er schrieb seinen Freunde eine SMS mit folgendem Inhalt: Diesen Montag koche ich Lammschenkel. Bitte bestelle deine Portion vor und komm sie nach 18:00 Uhr abholen.

Am Anfang schrieb er diese Nachricht an zehn Leute. Nach einem Jahr waren es 250.

„Ich hatte ziemlich hohe Handyrechnungen", lacht er.

Mit der Unterstützung seiner Frau Christien, die er durch die SMS-Liste kennenlernte, eröffnete Narimani 2012 schließlich das Kookoo Café in Bristol. Er verwendete immer noch einen einflammigen Gasherd, aber das spielte keine Rolle. Die Leute kamen in Scharen, um das hausgemachte persische Essen zu probieren.

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„Das beliebteste Gericht ist ein sehr einfaches mit dem Namen fesenjaan, ein Hähnchenfilet gekocht in Walnuss- und Granatapfelsauce", sagt Narimani. „Dieses Gericht stammt aus dem Norden Irans, aber ich serviere auch Essen aus dem Süden, Osten und Westen. Echtes persisches Essen mit viel Charakter."

2014 eröffnete er Kookootoo, ein Restaurant—dieses Mal mit einer richtigen Küche. Das war vor 15 Monaten und bis heute bekommen die Bristoler nicht genug von seinem Essen.

„Wenn Kunden sagen, sie sind mit dem Preis glücklich, das Essen schmeckt ihnen und der Service war gut, dann schenkt mir das Kraft und ich bin stolz, dass ich etwas Neues nach Bristol gebracht habe", sagt er. „Essen kann eine starke Verbindung zwischen Menschen herstellen, genau wie Musik. Ich bin stolz, dass ich dabei seit einer Weile eine Rolle in meiner Nachbarschaft spiele."