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Kampf der Giganten

Der Preiskampf zwischen Coop und Mars bringt dir einen Scheissdreck

Egal ob PR-Trick oder Sparpolitik – Sinn macht das Gezeter um die Einkaufspreise für den Konsumenten keinen.
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Foto links: Alexas_Fotos | Pexels | CC0 | Foto rechts: Coop

Dieser Artikel stammt aus unserer Redaktion in Zürich.

Im Frühjahr 2018 lag sich die Agecore Gruppe mit Nestlé in den Haaren. Der europaweite Verbund von Supermärkten, zu dem auch Coop in der Schweiz und Edeka in Deutschland gehören, fühlte sich von Nestlé benachteiligt. Nestlé würde an die Konkurrenten billiger verkaufen, lautete die Anschuldigung, die auf Titelblättern von Tageszeitungen an die Öffentlichkeit gelangte. Das Resultat: Coop und Edeka boykottierten die Produkte von Nestlé und die Regale blieben leer.

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Ein Supermarkt, dem es wichtig ist, dass wir günstigere Einkaufspreise kriegen? Voll nett eigentlich. Dass wir uns irrten, merkten wir spätestens, als die verbannten Produkte wieder in die Regale durften. An den Preisen hatte sich minimal bis gar nichts geändert. Einzig Coop, Edeka & Co. sparen langfristig durch die niedrigeren Einkaufspreise womöglich mehr Geld, als sie beim Boykott der Produkte verloren hatten. Die Konsumierenden aber hatten vom wochenlangen Produkt-Boykott am Ende nichts – ausser ein paar Wagner-Tiefkühlpizzen, Cailler-Schokoperlen oder Nescafé-Tüten weniger im Einkaufskorb.


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Jetzt, fast ein Jahr später, geht das gleiche Spiel mit einem anderen Konzern von vorne los. Wieder sind Regale leer, wieder fehlen Produkte im Sortiment. Dieses Mal sind es jene von Mars. Coop – beziehungsweise die ganze Agecore-Gruppe und somit auch Edeka in Deutschland – streitet sich wieder um die Preise. Dieses Mal aber viel weniger öffentlichkeitswirksam als zuvor. "Dass die Sache mit Nestlé in der Presse gelandet ist, war nicht in unserem Sinn", sagte Coop-Chef Joos Sutter im Sommer 2018 gegenüber 20Minuten. Aus diesem Fehler scheint man gelernt zu haben, halten sich doch Sutter sowie auch Coop-Sprecher Urs Meier auf Anfrage der Zeitung neuerdings zurück. "Die Lücken in den Regalen stehen in Zusammenhang mit Verhandlungen, die wir gegenwärtig nicht weiter kommentieren", so Meier diese Woche dort. Wieder wird also ein Preiskampf auf dem Rücken der Einkaufenden ausgetragen, der am Schluss bloss mehr Geld in die Kassen der Supermärkte spülen wird.

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Auch beim Schweizer Konsumentenschutz ist man nicht gerade begeistert über den neuerlichen Preiskampf. Grundsätzlich sei es zu begrüssen, dass sich so ein mächtiges Konglomerat wie die Agecore Gruppe für vernünftige Preise einsetze, sagt Sprecher Alex von Hettlingen gegenüber MUNCHIES. Jedoch sei es für den Konsumentenschutz klar, dass diese Preiskämpfe in Anbetracht der Hochpreisinsel Schweiz zu selten und zu selektiv erfolgen würden. "Das lässt uns vermuten, dass diese Kämpfe vor allem für die eigene Kasse geführt werden. Nebenbei bastelt Coop daraus eine PR-Aktion und feiert sich als Held der Konsumentinnen und Konsumenten", so von Hettlingen weiter.

Mit "Hochpreisinsel" meint der Konsumentenschutz die spezielle Situation in der Schweiz: "Die Preise für Importartikel sind tatsächlich in der Regel zu hoch", erklärt von Hettlingen. Zum Vergleich, ein Schokoriegel kostet in der Schweiz fast doppelt so viel, wie in Deutschland. "Unsere Kaufkraft wird missbraucht und ohne Gegenwert abgeschöpft. Die grossen Preisunterschiede sind zudem der Grund, dass sich für viele die wöchentliche Einkaufsfahrt ins Ausland lohnt. Diese Situation ist langfristig eine volkswirtschaftliche Katastrophe für die Schweiz." Davon abgesehen haben die deutschen Grenzbewohner vermutlich auch keinen Bock mehr auf die vielen Schweizerinnen und Schweizer, die mit ihrem Einkaufstourismus die Parkplätze belegen, die Mülleimer verstopfen und auf den Strassen für Verkehrschaos sorgen. In Konstanz, einer der grenznahen deutschen Städte, wurde 2017 sogar zum (satirischen) Bau einer Mauer aufgerufen, um dem elenden Einkaufstourismus endlich Einhalt zu gebieten.

Um den Shoppenden faire Preise in der Schweiz garantieren zu können, hat der Konsumentenschutz die Fair-Preis-Initiative ins Leben gerufen. "Internationale Konzerne schöpfen die schweizerische Kaufkraft gezielt ab und halten die Preise künstlich hoch", sagt Sprecher von Hettlingen. Mit der Initiative soll der Bund verpflichtet werden, das Kartellgesetz zu verschärfen. Der Beschaffungszwang von überteuerten Waren und Dienstleistungen im Ausland soll aufgehoben, Lieferverweigerungen und unrechtmässige Preisdiskriminierungen durch marktmächtige Unternehmen wie Nestlé oder Mars sollen so unterbunden werden. "Dass Coop die Initiative nicht aktiv stützt, ist für uns ein starkes Indiz dafür, dass Coop von dieser Jahrzehnte alten Misswirtschaft mehr profitiert, als darunter leidet."

Für uns Konsumentinnen und Konsumenten ist es also ziemlich egal, ob Coop, Mars oder sonst ein Unternehmen diesen Kampf der Giganten für sich entscheiden kann. Die Produkte in den Regalen bleiben überteuert, der Einkaufstourismus wird weiterhin florieren und die Schweizer Wirtschaft im worst case irgendwann in den Ruin treiben. Ausser wir Einkaufenden reissen uns endlich am Riemen und kaufen regional, saisonal – und erst recht nicht Produkte von riesigen Konzernen ein. Das hilft uns zwar finanziell auch nicht weiter, aber immerhin unserem Planeten.

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