Alles, was man über Sushi wissen muss, lernt man nur auf dem Fischmarkt

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Fisch

Alles, was man über Sushi wissen muss, lernt man nur auf dem Fischmarkt

„Sushi ist eigentlich aus einem Zufall entstanden. Irgendjemand hat einen Fischbauch mit Reis ausgestopft.“

Bei einem Espresso zum Morgengrauen kommt mir die Erleuchtung: Sushi ist nicht einfach roher Fisch.

Su bedeutet säuerlich oder Essig und shi ist kurz für Reis. Es bedeutet also gesäuerter Reis", erklärt mir Sushi-Meister Carl Ishizaki, der im Sushi Sho in Stockholm kocht.

Es ist verdammt früh und wir sind im Billingsgate Market in London auf der Suche nach dem perfekten Fisch. Carl ist Sternekoch und derzeit in London, um im Carousel zu kochen, wo immer wieder andere Köche zu Gast sind, also muss er natürlich auch auf den Markt.

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Der Billingsgate Fischmarkt in London. Foto von der Autorin

„Sushi ist eigentlich aus einem Zufall entstanden", erklärt er weiter. „Irgendjemand hat einen Fischbauch mit Reis ausgestopft."

Uns reicht ein Espresso, für ein fettiges Bacon-Sandwich, wie es sich die Stammkunden hier gönnen, ist es noch zu früh. Der Geruch von Meereskreaturen steigt uns in die Nase.

Für Ishizaki ist es jedoch ganz normal, um fünf Uhr morgens über Essen zu reden.

„Nächste Woche bin ich in Tokio auf dem Markt. Der wird bald schließen", meint er.

Carl Ishizaki, dessen Vater Japaner ist, fährt jedes Jahr in die japanische Hauptstadt. Ihn interessieren besonders die Techniken aus der Edo-Zeit, als es noch keine Kühlmöglichkeiten gab: Einlegen, Pökeln und langes Reifen sind für ihn Kunstformen.

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Ollie Templeton (links), Küchenchef im Carousel, with Sushi-Koch Carl Ishizaki. Foto von der Autorin Carl Ishizaki bereitet den Fisch im Carousel zu. Foto mit freundlicher Genehmigung von Hannah India

Und der Sushi-Meister hat hohe Ansprüche. Inmitten der ganzen Menschen mit ihren Einkaufswagen und der lauten Fischhändler bleibt er ganz still. Ist es ihm einfach zu viel oder interessiert es ihn gar nicht?

„Das ist Barsch, da drüben gibt es Schwertfisch und da Papageifisch", erklärt er mir, als ich ihn nach den Sorten frage.

Es gibt Sardinen und Hornhechte, das meiste ist unglaublich exotisch.

Im Sushi Sho, einem kleinen Restaurant mit nur 12 Plätzen, „gibt es keine Auswahl, nur ein Menü. Wir versuchen so regional wie möglich zu sein, Saibling und Barsch."

Dieser Ansatz beeindruckt, das Restaurant hat erst kürzlich einen Michelin-Stern erhalten.

„Das kam ziemlich unerwartet", meint Carl. „Es ist ja kein Fine-Dining-Restaurant, nicht einmal wirklich hübsch, sondern eigentlich nur eine Theke mit ein paar Stühlen."

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Auf einmal hören wir nur ein „Aus dem Weg!" und ein Typ mit Overall schießt mit seinem Wagen an uns vorbei, auf dem Kisten mit Fisch meterhoch gestapelt sind. Wir—also ich, Carl und die beiden Brüder Ollie und Ed Templeton, die gemeinsam das Carousel führen—gaffen dem fahrenden Turm hinterher.

Irgendwann verschwindet er in den Massen und Carl Ishizaki erklärt weiter: „Wie fest das Fleisch ist, zeigt, wie frisch es ist. Wenn er frisch gefangen ist, ist die Muskulatur frisch erstarrt, also sollte er fest sein, es sei denn, der Fisch wurde auf die japanische Art getötet: Dabei wird ein Stahldraht in den Kanal oberhalb des Rückenmarks geschoben. Die Augen sollten auch nicht eingefallen oder trüb sein."

Wir gehen noch ein wenig die Gänge entlang, kaufen allerdings nichts, weil das Carousel seinen Fisch direkt von der Küste ins Restaurant geliefert bekommt. Also gehen wir um sieben wieder.

Um diese Tageszeit ist sind die Straßen zwischen den großen Gebäudekomplexen von Canary Wharf noch gespenstisch leer. Mit der Tube fahren wir zum Frühstück ins Carousel.

Karl - Print (15 of 29)

Kaisergranat von Carl Ishizaki. Foto mit freundlicher Genehmigung von Hannah India

Zurück in der Küche schmeißt Ollie Musik an—The Cure, Culture Club und die Pet Shop Boys—und kocht zusammen mit Carl.

Sie rammen dem Kausergrabat ein Messer in den Kopf. Der wird nur kurz angebraten und mit Sojasauce und Sake abgelöscht.

Dann gibt es noch Makrele, erst gesalzen, dann in Pflaumenessig eingelegt. Danach gibt es Carls Favoriten: Innereien. Seine Seeteufelleber ist die Fischversion von Foie Gras. Cremig und reichhaltig, aber weniger kontrovers. Man isst das ganze Tier und schmeißt nichts weg.

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Ed and Ollie lassen den Meister bei seiner Arbeit walten. In ihrer Küche arbeiten Gastrolegenden. In den nächsten Monaten, so Ed, kommen einige Größen, der schwedische Superkoch Niklas Ekstedt sowie Danny und Yesoon Lee vom Mandu in Washington, das Mutter-Sohn-Paar, das die traditionelle koreanische Küche neu erfindet.

Makrele, Seeteufel, Kaisergranat. Foto mit freundlicher Genehmigung von Hannah India.

Die Köche bekommen in der Woche eine Chance, die Gastrokultur Londons zu entdecken und sich selbst zu präsentieren.

Ishizaki serviert gebeiztes Eigelb, Okraschoten, gebratenen Reis. Dank des Carousel konnte er die einheimischen Fischarten kennenlernen. Seine Erfahrung damit fasst er in seiner typisch bescheidenen Manier zusammen: „Britischer Fisch und Meeresfrüchte sind gut. Ollie hat super Qualität."

Da kann ich zustimmen.