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Agrarpolitik

Staatlich subventionierte Lebensmittel machen dick und krank

Übergewicht und Krankheiten nehmen in der US-Bevölkerung überhand. Gleichzeitig subventioniert die Regierung die Produktion von Mais, Weizen, Fleisch und Milchprodukten—aber nicht von Obst, Gemüse und gesünderen Lebensmitteln.
Hilary Pollack
Los Angeles, US
Foto von new1mproved via Flickr

Wer an Essen in den USA denkt, dem fallen spontan eigentlich nur Cheeseburger, Hot Dogs oder Apple Pie als typische amerikanische Gerichte ein (auch wenn sie ursprünglich eigentlich aus anderen Ländern kommen, aber das ignorieren wir mal kurz). Eine langlebige kulinarische Tradition gibt es hier nicht so richtig, eins ist aber sicher: Die Amerikaner lieben alles, was fettig und fleischig ist und viele Kohlenhydrate enthält.

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Und außerdem lieben sie es praktisch. Der Drive-Thru diverser Fast-Food-Restaurants ist quasi ihr zweites Zuhause. In den USA werden weltweit die meisten industriell verarbeitete Lebensmittel gegessen. Wie die New York Times 2010 berichtete, essen Amerikaner gut ein Drittel mehr Abgepacktes als frische Lebensmittel. Die Ernährung besteht durchschnittlich zu 70 Prozent aus verarbeiteten Lebensmitteln: abgepackte Snacks, Tiefkühlmahlzeiten, Backwaren und Fast Food.

Wenn man sich aber gleichzeitig anguckt, was die US-Regierung subventioniert, versteht man langsam, warum die Amerikaner so essen, wie sie essen.

Jährlich unterstützt die Regierung Farmer und Produzenten mit Milliarden von Dollar, damit mehr produziert wird und die Preise schön niedrig bleiben. Der Großteil der Knete fließt in die Produktion von Mais, Weizen, Soja, Reis, Milchprodukten, Erdnüssen, Zucker und Fleisch. Obwohl bereits zahlreiche Experten darauf hingewiesen haben, dass das genau die Lebensmittel sind, von denen man eigentlich weniger essen sollte und nicht mehr, zeigt eine neue Studie jetzt noch einmal, wie schlecht diese Lebensmittel eigentlich sind … und wie verrückt es eigentlich ist, dass die Regierung das unterstützt.

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Die Studie wurde in der Fachzeitschirft JAMA Internal Medicine veröffentlicht—herausgegeben von der American Medical Association—und hat „untersucht, ob bei Erwachsenen ein Zusammenhang zwischen einem erhöhten Verzehr von Produkten, die mit Lebensmitteln aus staatlicher Subventionierung hergestellt werden, und kardiometabolischen Risikofaktoren besteht." Anders gesagt: Die Forscher wollten herausfinden, wie schlimm die Folgen von Maissirup undIndustriekäse in Zahlen sind.

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Die Ergebnisse waren, na ja, erschütternd: Alle Lebensmittel, die der Staat schön billig macht, setzen bei den Amerikanern ordentlich Bauchspeck an.

Für die Untersuchung werteten die Forscher Angaben von 10.000 Amerikanern zu ihrer täglichen Ernährung aus, die zwischen 2001 und 2006 gesammelt wurden. Dann berechneten sie, welchen Anteil staatlich subventionierte Lebensmittel wie Rindfleisch, Mais, Reis und Weizen an der Ernährung der Teilnehmer hatten. Dabei berücksichtigten sie auch, inwieweit diese Lebensmittel als Zusatzstoffe bzw. Zutaten in verpackten Produkten und Fast Food enthalten waren. Erste wichtige Erkenntnis: Mehr als die Hälfte der durchschnittlichen Kalorienmenge (genauer 56 Prozent) nehmen die Amerikaner über diese subventionierten Lebensmittel auf. Das heißt, dass sie sich viel von Kohlenhydraten, Milchprodukten und Fleisch und weniger von frischen Lebensmitteln ernähren. Das traf insbesondere auf jüngere Bevölkerungsgruppen mit geringerem Einkommen und geringerem Bildungsstand zu.

Aber es kommt noch schlimmer: Die Forscher fanden auch heraus, dass diejenigen, die die meisten staatlich subventionierten Lebensmittel zu sich nahmen, im Vergleich zu denjenigen, die am wenigsten davon essen, ein um 37 Prozent höheres Risiko hatten, übergewichtig zu sein, und ein um 41 Prozent höheres Risiko für übermäßiges Bauchfett.Außerdemhatten sie tendenziell höhere Cholesterinwerte oder erhöhte Entzündungswerte.

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Daraus schlussfolgern die Forscher: „Bei US-amerikanischen Erwachsenen steht ein höherer Kalorienverzehr aus Nahrungsmittelquellen, die staatlich subventionierte Lebensmittel enthalten, im Zusammenhang mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für einige kardiometabolische Risikofaktoren.Die Gesundheit der Bevölkerung könnte verbessert werden, wenn agrar- und ernährungspolitische Maßnahmen besser aufeinander abgestimmt werden."

Eine ziemlich offensichtliche Lösung wäre es, wenn die Regierung die Subventionieren einiger Lebensmittel runterfahren würde und das Geld eher der Produktion von Obst, Gemüse und anderen gesünderen Lebensmitteln zukommen lassen würde.

„Ich plädiere dafür, dass Landwirtschafts- und Ernährungspolitik zusammengehören", so Marion Nestle, Professorin für Ernährung, Ernährungswissenschaften und öffentliche Gesundheit an der New York University und Autorin von Food Politics: How the Food Industry Influences Nutrition and Health. „Wenn das nicht passiert, werden die großen Agrarkonzerne weiter Druck auf den Kongress ausüben, damit sie so viele Subventionen wie nur möglich bekommen. Mit einer einheitlichen, bundesweiten Landwirtschafts- und Gesundheitspolitik könnten wir Obst- und Gemüsebauern, Kleinbauern und Ökobauern unterstützen. So können wir echtes—und nicht industriell verarbeitetes—Essen günstiger machen und gleichzeitig qualitativ hochwertiger."

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Allerdings sind die Bande zwischen Regierung und Fleisch- und Milchindustrie eng geknüpft: Die Fleischlobby hat sich gegen Initiativen wie den fleischfreien Montag heftig gewehrt, einmal musste sich das US-Landwirtschaftsministerium sogar für seinen Vorschlag in einem behördeninternen Newsletter entschuldigen.

Natürlich sind staatliche Subventionen nicht allein an der Misere schuld: Andere Probleme sind Junk-Food-Werbung, viel zu große Portionen in Restaurants, Ernährungswüsten und zu wenigAufklärung über Ernährung im Allgemeinen. Angesichts der Tatsache, dass die US-Gesundheitsstatistiken schlimm aussehen und immer mehr Menschen übergewichtig sind, sollte sich die Regierung vielleicht mal ganz genau angucken, wohin das ganze Geld fließt, und überlegen, wie man das in Essen stecken kann, das einen nicht umbringt.