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Lebensmittelpolitik

Ein kurzer Überblick über wütende Leute, die Politiker mit Essen bewarfen

Nahrungsmittel sind nicht nur zum Essen da. Wir Menschen haben eine lange Tradition, Essen zu Protestzwecken als Waffe einzusetzen. Hier ist ein Überblick, wie Eier, Steckrüben, Sahnetorten und Joghurt in der Vergangenheit als Mittel zur Rebellion...
Foto von Ilya Varlamov

Nahrungsmittel sind nicht nur zum Essen da. Man muss nur die Vorstadt-Teenager fragen, die mit Mentos Raketen bauen oder die „Splosher", die beim Anblick von Baked Beans einen Steifen bekommen. Die Geschichte der Demonstranten, die Essen als Waffe einsetzten, ist sehr lang. Wir sprechen hier nicht von Rasierklingen in Pizzarändern oder Wassermelonen in Kanonen (obwohl das eigentlich eine ziemlich gute Idee ist), sondern eher von Attacken mit Eiern und ähnliches, die das Opfer wie ein Idiot dastehen lassen. Sich eine dicke Schicht zähflüssigen Dotter aus den Augen zu wischen, ist für die Würde eines Politikers alles andere als ein Segen.

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Essen als Flugkörper zu verwenden, ist schon lange ein Mittelweg für Aufständische, die mehr bewirken wollen, als sie es mit Flyern würden, aber die nicht unbedingt scharf darauf sind, mit einer riesigen Ladung Sprengstoff ins Regierungsgebäude zu stürmen. Im März letzten Jahres führte diese Logik dazu, dass das russische Konsulat in Odessa aussah wie nach einem Junggesellinnenabschied in Bella Italia. Anscheinend bedeutet sowohl auf Ukrainisch als auch auf Russisch, „jemanden Nudeln an die Ohren hängen", jemanden zu verarschen. Eine Gruppe von Ukrainern hatte das Gefühl, dass die russischen Medien mit ihrer dubiosen Berichterstattung über die Krimkrise genau das mit ihr machte. Und deshalb verzierten sie die Zäune und Tore des Konsulats mit einer gesunden Portion Nudeln, garniert mit ein paar Litern Ketchup.

Der erste aufgezeichnete Fall von Protest mit verderblichen Waren geht ins Jahr 63 v. Chr. zurück, als Vespasian mit Steckrüben beworfen wurde. Die Demonstranten wehrten sich gegen seine Strafpolitik und die generelle finanzielle Notlage und ließen einen Gemüsesturm über ihn regnen. Ob sie trafen, ist in den Aufzeichnungen nicht vermerkt. Irgendwie hat das eine gewisse Ironie, aber fairerweise muss man sagen, dass Steckrüben als Geschoss geeigneter sind als für Suppen. Kann man es ihnen also wirklich verübeln? Trotz seines Aufstiegs zum Kaiser haben schlechte Nahrungsmittel Vespasian bis zu seinem letzten Tag geplagt, als er als Folge von Diarrhö den Löffel abgab. Sein Glaube, dass „ein Kaiser stehend sterben" sollte, gepaart mit extremem Durchfall muss für einen ziemlich imposanten Abgang gesorgt haben.

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Image by Ilya Varlamov)

Bild von Ilya Varlamov

Essen als Protestwaffe hat sich seit der römischen Steckrübe enorm weiterentwickelt. Eines der besten Beispiele der modernen Zeit ist die Cream Pie, eine Sahnetorte. Sie war besonders unter Stummfilmregisseuren der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts beliebt und stieg in den 1970ern zu einer eigenen Protestform auf. Es gibt zahlreiche Aktivistengruppen, deren gesamte Gesinnung auf diesem Kuchen basiert. Dazu gehören Al Pieda, die Biotic Baking Brigade und die Entartistes, von denen ein Mitglied unter dem Namen Pope Tart bekannt ist. Zu viel Zeit mit diesen Leuten verbringen möchte man wahrscheinlich nicht, aber wenigstens haben sie einen Sinn für Wortspiele.

Einer der frühesten und bemerkenswertesten Vorfälle mit einer Sahnetorte musste Anita Bryant, eine amerikanische Popsensation der 1950er, die bekanntermaßen Schwule hasste, über sich ergehen lassen. Während sie versuchte, ihre Vorurteile bei einer Pressekonferenz 1977 zu rationalisieren, bekam sie von einem Schwulenrechtler einen richtig schönen Kuchen ins Gesicht geklatscht. Absurder als die Aktion, war die Reaktion: Der Werfer wurde sofort zurückgehalten und musste warten, während Bryant und ihr Ehemann umgehend zum Gebet ansetzten, möglicherweise um seine schwule, kuchenschmeißende Seele zu retten.

image via exiledonline.com

Bild via exiledonline.com

Für manche Querulanten hat die Wahl des Nahrungsmittels eine symbolische Bedeutung. Die griechische Praktik des yaourtama, beispielsweise, bezeichnet den Akt, jemandem als Form des Protests Joghurt ins Gesicht zu schmeißen. Sie soll erstmals unter den griechischen Teddy Boys der 50er-Jahre aufgekommen sein, die sich mit Joghurt gegen die „Spießer" ihrer Zeit stellten. Der Trend wurde mit der Einführung von Plastikbechern statt Behältern aus Keramik noch beliebter und so war die perfekte, tragbare Joghurtbombe geboren. Es wurde zu so einer großen Sache, dass die griechische Regierung 1958 das kontroverse Law 4000 verabschiedete, mit dem sie das Joghurtwerfen eindämmen wollte. Laut dieses Gesetzes konnte jeder, der seine Mitbürger mit Tzatziki oder ähnlichem bewarf, verhaftet werden, dann wurde der Person eine Glatze rasiert und der Umschlag ihrer Hosen abgeschnitten, bevor sie wie eine Preiskuh mit komischen Hosen durch Athenlaufen musste.

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Dieses drakonische Gesetz wurde in den 80er-Jahren abgeschafft, aber die Macht des yaourtama lebt mit der aktuellen Griechenlandkrise und einer frischen Runde Joghurt weiter. 2012, einige Tage nachdem der griechische Journalist Panagiotis Vourhas den Pressesprecher der Partei Chrysi Avgi, Ilias Kasidiaris, in seiner Sendung interviewte, brachen Demonstranten—die scheinbar entrüstet waren, dass Kasidiaris Sendezeit bekam—in das Nachrichtenstudio ein und und Vourhas wurde Opfer einer der wohl treffendsten und effektivsten Joghurtattacken der Geschichte.

Seht es euch an. Es hört einfach nicht auf:

Aber nicht nur die Griechen bedienen sich Nahrungsmitteln ihrer nationalen Küche. Vielleicht könnt ihr euch noch daran erinnern, als Peter Mandelson im März 2009 grünes custard ins Gesicht bekam, weil er eine dritte Start- und Landebahn am Londoner Flughafen Heathrow unterstützte. An Euromaidan kommt die Sache jedoch nicht ganz ran—eine mütterliche Frau von einer Gruppe mit dem Namen Plain Stupid in einer Steppweste dreht durch. Die ganze Episode ist so wahnsinnig britisch, dass man überrascht ist, dass sie sich danach nicht die Hände schüttelten. Nichtsdestotrotz war es eine ziemlich gute Einlage und bis heute gibt es nur zwei Start- und Landebahnen in Heathrow, also wird sie irgendeine Wirkung gehabt haben. Übrigens haben Hardcore-Fans von Lady Di Gerüchten zufolge einmal Camilla Parker auf einem Parkplatz eines Supermarktes in einen Hinterhalt gelockt und sie mit Brötchen beworfen haben. Diese Verrückten.

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Während der Großteil der Proteste mit Essen von Jugendlichen eher von progressiver Seite durchgeführt wurde, widersetzte sich eine Gruppe australischer Schuljungen 2013 dem Trend und bewarf die Premierministerin Julia Gillard zu zwei separaten Anlässen mit Sandwiches. Slate argumentierte, dass die Attacken bewusst symbolisch für das sexistische „Make me a Sandwich"-Meme standen, um die Premierministerin daran zu erinnern, dass Frauen in die Küche gehören, nicht ins verdammte Parlament! Aber das waren 15-jährige Jungs—so beängstigend die Vorstellung auch sein mag, dass Australien von jugendlichen Misogynen überrannt wird—und Gillard lachte über die Sandwich-Attacke als „ein kleiner Akt von zu viel Übermut".

Aber: Gillard ist weg. Und wisst ihr, wer der neue Premierminister Australiens ist? Ein riesiger Misogyn.

Ein besonderes Nahrungsmittel übertrifft aber alle anderen, die jemals als Geschoss eingesetzt wurden. Von Anarchisten und Halloween-Süßigkeitensammlern gleichermaßen geschätzt ist das Ei, a.k.a. eine tragbare, leichte Kapsel von explodierendem, übelriechendem Hühnerschleim. Ein weiteres Mitglied der Labour Party war in einer der bekanntesten Eierattacken der jüngsten Geschichte involviert. 2001 warf ein verärgerter Bauer mit Vokuhila ein Ei ganz unverblümt auf den damaligen stellvertretenden Premierminister John Prescott in einem Protest gegen die mangelnde Unterstützung der Blair-Regierung für Bauern. Prescott, ein ehemaliger Bauer, reagierte mit seiner eigenen Art von Essensprotest und warf eine seiner fleischigen Fäuste in Gesicht des Lovejoy-Doubles.

Zu den weiteren bekannten Eieropfern (Geeierten?) zählen Arnold Schwarzenegger, Ed Miliband (lachte darüber, als würde ihm das ständig passieren), David Blaine (traf es, als er in dieser Glasbox lebte, also war wahrscheinlich zu hungrig, um sich sich darum zu kümmern), der allseits beliebte Rassist Nick Griffin (wurde von Sicherheitsleuten wie ein hysterischer Gast in einer Talkshow abgeführt) und der kürzlich abgesetzte ukrainische Präsident Viktor Yanukovych. Nicht jeder geht mit einer Eierattacke oder einem anderen Angriff mit Essen gleich gut um, auch nicht vor laufender Kamera. Aber mal ehrlich, wie würde es dir ergehen, wenn deine Wimpern mit Eierschale und unbefruchtetem Küken verklebt sind? Vielleicht ist es eine Frage des Selbstvertrauens, wie wohl sie sich in ihrer Position fühlt und wie gut sie mit den Tücken, die dazugehören, klarkommt, die entscheiden, wie souverän eine Person auf eine Eierattacke reagiert.

Nach dieser Logik gab es für Yanukovych keine Hoffnung. Während seines ersten Präsidentschaftswahlkampfes wurde er von einem Ei getroffen, als er aus dem Bus ausstieg. Nachdem er kurz die Sauerei auf seiner Jacke begutachtete, ließ er sich zu Boden fallen, als hätte man ihn angeschossen. Vielleicht war das Ei ja hartgekocht.

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