Ein Palästinenser und ein Israeli haben aus dem Prenzlauer Berg das Land gemacht, in dem Milch und Honig fließen
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Nahost Konflikt

Ein Palästinenser und ein Israeli haben aus dem Prenzlauer Berg das Land gemacht, in dem Milch und Honig fließen

Das Kanaan in Berlin ist nicht nur ein Ort der Völkerfreundschaft.

Wer seine Lokalität nach dem gelobten Land benennt, der hat offensichtlich Großes im Sinn. Ben Oz David und Jalil Dabit machen keinen Hehl aus ihren Ambitionen. In perfektem Marketing-Sprech referiert Ben darüber, wie sie ihre Waren, ihren Halloumi und ihren Falafel, bald auch in den Supermarkt bringen wollen.

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Milch und Honig, Ben Oz David und Jalil Dabit

Aber mal halblang: Für den Moment sitzen beide noch im Keller der Kohlenquelle, Anfang der Nullerjahre wurden hier angeblich ständig Partys gefeiert, heute kann man hier nur noch Tischtennis und Kicker spielen—alles andere wäre den bürgerlichen Bewohnern am Prenzlauer Berg echt zu laut. Oben drüber gastiert das Kanaan mit seiner arabisch-palästinensischen Küche, eben haben wir dort noch den tatsächlich fluffigsten Halloumi und die bestgewürzten Falafel Berlins gegessen (keine Übertreibung: der pappige Tiefkühlfach-Falafel von nebenan geht hiernach nur noch stockbesoffen klar). Der Laden brummt, ohne Reservierung geht hier am Wochenende gar nix mehr. Und trotzdem: „Wir sind fürs Erste zufrieden damit, dass wir unsere Küche mal hier, mal dort aufbauen." Einen eigenen Laden besitzt das Kanaan (noch) nicht, obwohl bereits sämtliche Blogs Lobeshymnen ausformulierten und die multi-ethnische Speisekarte (Humus aus Palästina, irakische Eierspeisen, jemenitisches Fladenbrot, Falafel aus Israel) der Lunch-Bohème schon aus politischen Gründen das Wasser im Mund zusammen laufen lässt.

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Foto: Elif Küçük

„Natürlich ist das Kanaan mehr als nur ein Restaurant. Schon mit dem Namen wird doch angedeutet, dass wir mit dem Laden auch ein Statement setzen wollen", erklärt Ben und Jalil fügt hinzu: „Was drückt denn besser unsere Meinung zu dem ganzen Nahost-Konflikt aus, als wenn wir einfach die Rezepte, die seine Oma und mein Papa für uns als kleine Kinder gekocht haben, miteinander verbinden?" Ben und Jalil seien ohnehin in einer Gegend Israels aufgewachsen, in der zumindest die Bewohner lange gut zusammengelebt hatten.

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Foto: Elif Küçük

Zur gemeinsamen Restaurant-Gründung kam es allerdings nicht aus Weltverbesserer-Eifer, sondern aus einer ganz privaten Not heraus: Jalil hatte sich in eine Frau verknallt, die nach Berlin gezogen war und er brauchte seinem Vater (von Beruf: Koch) gegenüber eine Entschuldigung dafür, dass er seinen Job als Koch aufgeben und ebenfalls nach Deutschland gehen wollte. Ben erzählt die Geschichte so: „Wir kennen uns schon sehr lange. Irgendwann fragte mich Jalil, ob ich der Meinung sei, in Berlin gebe es Kundschaft für die Art und Weise wie er kocht. Klar, meinte ich, er müsse einfach so kochen wie sein Vater und die Berliner würden es lieben." Nun passierte das Denkbare: Jalil fragte Ben—tatsächlich gelernter Marketing-Experte,wie sich herausstellt—, ob sie nicht gemeinsam einen Laden aufmachen sollten. Die Idee Kanaan entstand.

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Foto: Elif Küçük

Ein Palästinenser und ein Israeli, die in Prenzlauer Berg in einem Keller sitzen, während ein paar Meter darüber wohlsituierte Bio-Deutsche Falafel zum ersten Mal so essen, wie es von seinen Schöpfern angedacht ist (Ben: „Das durchschnittliche Berliner Falafel ist leider einfach Müll."), und gemeinschaftlich eine Sportzigarette drehen: eigentlich kitschiger als jeder Feel-Good-Movie. Und eigentlich ein bisschen zu schön, um wahr zu sein. Es scheint aber so, als hätten Ben und Jalil tatsächlich das Zeug dazu, mit ihren Rezepten ihre überlebensgroßen Supermarkt-Übernahme-Träume wahr zu machen. Hier liegt auch der einzige Haken: Alles am Kanaan ist perfekt, vielleicht sogar ein wenig zu perfekt. Dem Mariuhana-Duft in der Luft zum Trotz ist das Kanaan nicht so sehr der idealistische Weltverbesserungstraum in kulinarischem Gewand, sondern ein von vorne bis hinten per Businessplan durchkonzipiertes Geschäftsmodell. Die sympathische Aufklärer-Attitüde („Wir wollen den Leuten mit unserem Essen beibringen, dass es Unsinn ist danach zu fragen, wer nun das beste Falafel macht!") wirkt so ein Stück weit zu kalkuliert. Aber das ist eben das eine Haar in der Suppe, was der, der sucht, natürlich selbst in dem Land findet, wo Milch und Honig fließen.

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Foto: Elif Küçük

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Foto: Elif Küçük

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Foto: Elif Küçük