Diese Maschine macht aus Abfällen köstlichstes Obst und Gemüse
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Technologie

Diese Maschine macht aus Abfällen köstlichstes Obst und Gemüse

Der „Harvester“ macht aus Lebensmittelabfällen eine leckere Nährstofflösung zur Bodendüngung. Doch damit ist dringendste Frage der Lebensmittelverschwendung nach dem „Warum“ noch nicht beantwortet.

„Meine Mülltonne bekommt besseres Essen als der Rest Welt" schreibt ein Reddit-User sarkastisch und damit hat er wahrscheinlich sogar Recht. Laut einer Studie des WWF werden in Deutschland über 18 Millionen Tonnen Nahrungsmittel pro Jahr weggeworfen.In den USA gibt es jetzt ein Biotech-Start-up, WISErg, das genau das ändern will, indem sie Lebensmittelabfälle in eine wertvolle Ressource verwandeln, von der der Lebensmittelhandel, Landwirte und sogar der durchschnittliche Bio-Supermarkt-Kunde profitieren können.

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Alles beginnt in den Supermärkten: Der „Harvester" von WISErg macht hier aus Lebensmittelabfällen—Kartoffelschalen, braunen Bananen oder sogar Steaks, die über dem Verkaufsdatum liegeneine nährstoffreiche Flüssigkeit, die dann zu einem Standortvon WISErg transportiert wird. Dort wird daraus ein Bio-Dünger, der dann einem Netzwerk aus Landwirten bereitgestellt wird, vom kanadischen British Columbia bis hin nach Mexiko. Wie WISErg meint, verbessert ihr „ausgesprochen leckerer" Dünger die Bodengesundheit und sorgt damit für höhere Erträge und geschmacksintensiveres Obst und Gemüse.

Das klingt ganz schön beeindruckend, gerade wenn man bedenkt, dass die beiden Mitbegründer von WISErg—zwei Ex-Microsoft-Mitarbeiter—zum Zeitpunkt der Gründung ihres Start-ups 2009 eigentlich eher mit der Softwareindustrie statt mit Bodengesundheit vertraut waren. Wir haben uns mit dem CEO von WISErg, Larry LeSueur, über Herausforderungen und Erfolge des Unternehmens und die zukünftige Entwicklung der Lebensmittelverschwendung unterhalten.

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MUNCHIES: Was hat Sie dazu bewegt, von der Technologie in die Biologie zu wechseln? Larry LeSueur: Ich habe im Softwarebereich auch für die Lebensmittelindustrie gearbeitet und wusste, dass die Gewinnspanne sehr, sehr klein war. Langsam verstand ich, wie viele Lebensmittel verschwendet werden, und was ich mich dabei sofort fragte war, wie können sie bei einer so geringen Spanne dann noch 15 bis 20 Prozent verschwenden?Dieses Problem war für uns eine Gelegenheit, eine Lösung zu finden, die etwas verändern kann.

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Was passierte dann? Ursprünglich wollten wir eine Softwarelösung entwickeln, durch die die Händler besser verstehen, warum sie etwas wegwerfen. Dann würden sie ihr Verhalten ändern und alle wären glücklich. Aber um an diese Daten zu kommen, mussten wir natürlich auch mit den eigentlichen Produkten arbeiten. Dabei haben wir gesehen, was wir eigentlich wegwerfen und uns gefragt: „Warum werfen wir das weg?" Wir wollten etwas aus diesen Abfällen machen, dann haben wir also noch mal anderthalb Jahre geforscht, wie wir das tun können, vor allem auch gewerblich.

Und dann entstand der Harvester? Ja, der Harvester ist der erste Schritt, unsere Verarbeitungsanlage der zweite: Hier bereiten wir alles auf. Wir konzentrieren uns auf Dünger bzw. eine Nährstofflösung für den Boden, die die Mikroben im Boden unterstützt. Der dritte Schritt ist dann die Verteilung der Lösung an die Bauern für ihre Äcker und eine enge Zusammenarbeit bei der Produktnutzung.

Drei Schritte also? Das hört sich einfach an. Manchmal denke ich aber auch, dass Software um einiges einfacher ist.

An wen richtet sich Ihre Arbeit am meisten: die Supermärkte, die Landwirte oder die Endverbraucher? Alle von ihnen. Wir arbeiten mit den Supermärkten zusammen, um die Lebensmittelabfälle abzunehmen und zwar in einer wirtschaftlichen Art, die auch für sie attraktiv ist. Gleichzeitig arbeiten wir mit Großbauern zusammen, um ein nützliches Produkt herzustellen, das zu ihren Ackerflächen passt, ihren Methoden und ihrem Boden. Bei Blaubeeren, Erdbeeren, Salatpflanzen und Kartoffeln bzw. Knollengemüse allgemein haben wir bisher sehr gutes Feedback.

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Woran messen Sie Ihren Erfolg? Am Ende sind es doch die Bauern, die hart arbeiten. Sie schultern eine Last für unsere Gesellschaft und produzieren unser Essen und machen dabei wenig Gewinn. Es gibt gute und schlechte Jahre, es ist unbeständig und schwer kontrollierbar. Ich messe unseren Erfolg daran, inwieweit wir den Bauern helfen können, ihre Gewinnspanne zu vergrößern, und das mit einer besseren Vorhersagbarkeit und einer Beständigkeit für jedes Jahr.

Und das hat bis jetzt funktioniert? Absolut. Die Erträge sind um gut 20 Prozent angestiegen. Für die Landwirte heißt das eine 20 bis 30 Prozent größere Gewinnspanne und zwar weil sie mehr produzieren und vor allem in besserer Qualität.

Gab es bei der Entwicklung Rückschläge? Ich denke, das sind weniger Rückschläge, sondern eher Herausforderungen in der Industrie. Der durchschnittliche Landwirt ist hier 50 Jahre alt, in den letzten Jahrzehnten waren sie abhängig von konventionellen Düngesystemen, es ist also ein ziemlicher Wissenswandel. Es geht auch viel darum, Neues zu lernen.

Haben wir den Gipfel der Lebensmittelverschwendung Ihrer Meinung nach erreicht? Ich erinnere mich noch an einen Satz vom Anfang meiner Karriere: „Wenn man etwas nicht messen kann, kann man das ursächliche Verhalten auch nicht ändern." Eine Sensibilisierung für Lebensmittelverschwendung ist ein guter Schritt, aber wir müssen uns als Nächstes die Frage nach dem „Warum" stellen. Wenn wir das wissen, können wir die Verschwendung wirklich reduzieren. Ich vermute, dass wir sie um gut 20 bis 30 Prozent senken können, denn viel Abfall entsteht durch den Umgang mit und den Transport von Produkten und durch logistische Fehler. Lebensmittelverschwendung wird es allerdings immer weiter geben, selbst wenn weniger pro Kopf weggeschmissen wird.

Mit diesem Wissen im Hinterkopf, dass immer etwas in der Tonne landet, wann werden Sie wirklich zufrieden sein? Ich weiß, dass wir etwas erreicht haben, wenn ich sehe, dass WISErg das Denken der Menschen über Lebensmittelverschwendung beeinflusst hat; wenn sie anfangen, Essen als eine Ressource zu sehen und merken, dass wir alle Teil der Lösung sind. Und natürlich wenn wir die Landwirte messbar unterstützen können, noch erfolgreicher nährstoffreiches Essen zu produzieren, das Essen für die nächste Generation. Das Tolle: Es ist möglich. Wir wissen, wie wir es tun müssen, jetzt müssen wir zusammenarbeiten und die Technologie verbreiten, um das zu erreichen.

Dieses Interview wurde aus Platz- und Verständnisgründen redigiert.