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DDR

Arme Ritter und Tote Oma: die Lieblingsgerichte der DDR

Egal, ob man die DDR nun für gut oder nicht gut befindet/befand, die Tatsache, dass nicht alles immer erhältlich war, machte erfinderisch, nicht verschwenderisch, schweißte zusammen und ließ das Schnitzel am Sonntag vielleicht noch besser schmecken.

Im Zuge unseres Guide to DDR werfen wir mal einen genaueren Blick auf die traditionellen Gerichte Ostdeutschlands. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Mauer errichtet und gewisse westliche Lebensmittel waren nicht mehr oder schwer erhältlich. Durch den verstärkten Kontakt mit der Sowjetunion bildete sich eine eigene ostdeutsche Küche, die auch unter dem Slogan Not macht erfinderisch betitelt werden könnte. Schlecht schmeckt die Küche deshalb aber keineswegs, auch wenn die häufig verwendete Mehlschwitze nicht mehr unbedingt zeitgemäß ist und eben ans letzte Jahrhundert erinnert.

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An Tierischem wurde vor allem Geflügel („Broiler"), Schweine- und Rindfleisch gegessen. Beliebte Gerichte waren Schmierwurscht und Mettwurst, Bockwurst gab es einmal die Woche und jeden Sonntag Schnitzel. Ein typisches DDR-Gericht ist das Jägerschnitzel. Manch Gourmet mag diesem Rezept mit Nasenrümpfen begegnen, denn es handelt sich um panierte Wurst, und die Tomatensauce besteht, außerordentlich spartanisch, aus einer Mehlschwitze und, wer hätte das gedacht, Ketchup. Dennoch heißt das ja nicht, dass es nicht gut schmeckt.

Beliebt war auch Leber nach Berliner Art: eine gebratene Kalbsleber mit gerösteten Zwiebeln und gebratenen Apfelscheiben. Das hätte ich jetzt gern.

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Würzfleisch, auch als Ragout Fin bezeichnet, war ein beliebtes Ragout aus hellem Kalb-und Geflügelfleisch und Innereien in einer weißen, säuerlich-salzigen Sauce mit Käse überbacken. Dann wurde das Gericht nach Belieben mit Worcestershire-Sauce nachgewürzt. Würzmittel wie Ketchup und Worcestershire-Sauce sind eben global ein Renner. Wir mögen einfach alle ein bisschen umami.

In den 80ern erfand man in Ost-Berlin eine eigenständige Variante von Fast Food, das man vom Kapitalismus kannte: Die Ketwurst und Grilletta. Grilletta war das Pendant eines Hamburgers, mit dem Unterschied, dass das Brötchen eine Kruste hatte und neben der Frikadelle nichts außer Ketchup oder Chutney hineinkam. Die Ketwurst wiederum war der Hotdog des Ostens: Auf einem Metallspieß wird ein Brötchen aufgewärmt, dann wälzt man eine Brühwurst in Ketchup und steckt sie ins Brot. Da weiß man, was man bekommt: KET steht für Ketchup.

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Unersetzlich waren Gewürz-und Salzgurken oder andere Pickles. Ein weiterer Hinweis auf die Genügsamkeit und den Erfindergeist der Ostdeutschen war, dass man oft das übrig gebliebene Gurkenwasser anstelle von Essig zum Kochen verwendete. So ist es anscheinend verpönt, die Soljanka—die Ostdeutsche Version des ungarischen Gulaschs—nicht mit Gurkenlake zu machen. Rezepte dafür gibt es wie Sand am Meer. Ob mit oder ohne Zitrone, mit Knacker oder Fleischwurst, diese säuerlich-scharfe Suppe gab es in allen Formen und Farben. Hier geht es zu einem Rezept für Fischsoljanka.

An Gemüse war vor allem vitaminreicher Kohl, Kartoffeln, Hülsenfrüchte und Wurzelgemüse vorhanden. Südfrüchte wie Orangen kamen aus dem sozialistischen Bruderland Kuba. Die süße Banane zählte zu den seltenen und teuren Früchten. Sie wurde zum Lieblingsobst und Luxusobjekt und während der Wende zu einem Symbol für Mangelwirtschaft. Als die Mauer fiel und Ostdeutsche in den Westen fuhren, wurden sie nicht nur mir Bier und Sekt beschenkt, sondern auch, etwas erniedrigend, mit Bananen. Als wären sie Affen. Der selbstironische Ossi nahm's mit Humor.

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Von Humor zeugt auch folgendes Gericht aus Blutwurst, Kartoffelpüree und Sauerkraut: Da es nicht unbedingt appetitlich aussieht, nannte man dieses Grützfleisch auch Tote Oma oder Verkehrsunfall.

Ein weiteres Rezept, das jederzeit zubereitet werden konnte, da Eier, Milch und altbackenes Brot in den meisten Küchen immer vorhanden waren, ist Arme Ritter—der French Toast der DDR.

Bohnenkaffee war den Ostdeutschen äußerst wichtig und dessen Nichtvorhandensein konnte einem schon die Laune verderben. Da er nicht immer ausreichend zur Verfügung stand oder zu teuer war, gab es häufig Kaffeeersatz aus Zichorie oder Was-weiß-ich.

Bier und Schnaps waren auch beliebt und hochprozentiger Fusel durchaus keine Seltenheit. Neben mit der Zeit hochqualitativeren Bränden gab es eine Art Korn namens Blauer Würger, Nomen est Omen. Tatsächlich stellte man auch aus einem Abfallprodukt der Papierherstellung Alkohol her: Papierschnaps, quasi.

Egal, ob man die DDR nun für gut oder nicht gut befindet/befand, die Tatsache, dass nicht alles immer erhältlich war, machte erfinderisch, nicht verschwenderisch, schweißte zusammen und ließ das Schnitzel am Sonntag vielleicht noch besser schmecken, als es eigentlich war. Da waren sie dem Westen voraus.

Foto oben: K Einkaufsmarkt Herr G. | Flickr | CC BY 2.0