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Softdrinks

Ein Monat ohne Coke

Ja, du liest richtig. Ich lebe für Cola. Darum wollte ich wissen, wie es sich ohne sie leben lässt. Wie mein Selbstversuch so lief, erfährst du hier.
Photo via Flickr user Roadside Pictures

Ich könnte die Else Lasker-Schüler in mir wecken und euch in den schönsten, buntesten und verwegensten Metaphern meine Liebe zu Cola näherbringen. Oder euch erzählen, dass bei mir das Unmögliche möglich wird, wenn erstmal—endlich!—der Zuckerrausch einsetzt.

Ich will auch gar nicht leugnen, dass meine Beziehung zu Cola der eines Drogensüchtigen zu seinem Stoff erschreckend ähnlich ist. Wohl genau aus diesem Grund—und weil ich schon seit längerer Zeit drei bis vier Dosen pro Tag verdrücke—entschließe ich mich zu etwas, das ich zum letzten Mal mit 12 oder 13 gemacht habe: einen Monat lang keine Coke trinken.

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Übrigens: Wenn ich von meiner Liebe zu Cola rede, meine ich das „rote" Original von Coca-Cola, also nicht Cola Light, Coke Zero, Pepsi oder irgendwelche widerlichen Discounter-Kopien. Darum war ich sicher, dass die Zusatz-Bedingung, von allen Cola-Varianten die Finger zu lassen, keine zusätzliche Hürde darstellen würde. Ich halte es nämlich mit dem Spruch: Nur Original ist legal. Für alle Pepsi-Aficionados: Ja, ich weiß, dass deine Lieblings-„Cola" im Geschmackstest regelmäßig besser abschneidet. Trotzdem wird sie für mich immer eine Wannabe-Coke bleiben: ein ewiger Thronanwärter—ein Prince Charles, nur süßer.

Pepsi wird für mich immer eine Wannabe-Coke bleiben: ein ewiger Thronanwärter—ein Prince Charles, nur süßer.

Nur wenige Minuten, nachdem ich mit felsenfester Überzeugung beschlossen habe, das No-Cola-Experiment zu wagen, überkommt mich urplötzlich ein fast schon pathologisches Verlangen nach einer eiskalten Coke. Ich zittere am ganzen Körper. Das kann ja heiter werden, denke ich mir.

In der zweiten Nacht nach Anbeginn meines heroischen Unterfangens träume ich, dass Coca-Cola eine neue Dose entwickelt hat, die 530ml fasst und so unförmig aussieht wie ein trauriges Rotkehlchen ohne Beine. Was passiert mit mir? Und warum träume ich genau von dieser Menge? Steckt hinter 530 vielleicht eine kryptische Botschaft aus meinem entzugsgeplagten Hirn? Auf jeden Fall bringt mich der Koffeinmangel nach nicht mal zwei Tagen um Schlaf und Verstand.

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Doch die nächste Hürde lässt nicht lange auf sich warten: Mittagessen bei Subway. Wer schon mal dort war (wer bitte nicht?), weiß natürlich, dass dort für Soft-Drink-Junkies eine All-you-can-drink-Politik lockt. Die mache ich mir für gewöhnlich zunutze, um mich mit soviel Zucker und Koffein zu stärken, dass ich es mit jedem Grizzly aufnehmen könnte. Den anderen Gästen beim selbstverständlichen Cola-Refill zuzuschauen, während man Fanta schlürfen muss, ist eine Erfahrung, die ich nicht mal meinem ärgsten Feind wünschen würde. Du findest das übertrieben, weil Fanta auch nicht übel schmeckt? Kann ja sein. Doch wenn du süchtig nach Cola bist, brauchst du einfach die richtige Droge. Alles andere fühlt sich dann nur nach zweiter Wahl an. Das musst du Fanta auch nicht antun.

In unserem WG-Kühlschrank steht während des gesamten Experiments mindestens eine Cola-Dose, die jedes Greifen nach einem Joghurtbecher zu einem echten Spießrutenlauf macht. Ich könnte schwören, dass mich die Dosen jedes Mal mit einem fiesen, überheblichen Grinsen anstarren. Bei jeder Gelegenheit will ich Gästen deswegen unseren Coke-Vorrat andrehen. Doch von wegen Geben ist seliger als nehmen. Es fühlt sich mehr an, wie wenn ein neo-trockener Alkoholiker seine heiligen Alk-Flaschen verschenkt, obwohl er tief im Inneren weiß, dass er nächsten Monat eh wieder an der Pulle hängt.

Am meisten aber fehlt mir an meiner geliebten Cola, dass mir zum Mittag hin niemand einen dringend erforderlichen Tritt-in-den-Arsch-Energieschub verpasst. Ich weiß, ich rede wie ein echter Junkie. Aber genau darum geht's hier doch. Sehen wir der Tatsache schließlich mal ins Auge: Am Ende ist dein Lechzen nach Koffein auch schon eine gewisse (wenn auch harmlose) Form der Entzugserscheinung, auch wenn man die normalerweise mit „richtigen" Drogen verbindet. Aber abhängig macht Koffein trotzdem. Beispiel gefällig? Schreiben. Schreiben fällt mir nun mal deutlich leichter (und macht einfach so viel mehr Spaß), wenn ich vorher meine Dosis Koffein bekommen habe.

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Coca-Cola ist einfach ein globales Phänomen. Sogar auf Massai-Hochzeiten (!) darf sie mittlerweile nicht fehlen (dem Unternehmen zufolge wechseln jeden Tag 1,9 Milliarden Dosen, Flaschen und Becher den Besitzer). Gleichzeitig bekommt man keinen Coolness-Award, wenn man zu seinem Gegenüber sagt: „Ich liebe Cola." Da könnte man genauso gut sagen, man liebt Luft. Coke ist eben einfach da. Egal, wo wir auch hingehen. Wir trinken sie in unseren Cocktails, wir trinken sie zu Hamburger und Döner. Sie hat die Welt fest im Griff. Und das nicht nur aufgrund ihrer bloßen Omnipräsenz, sondern weil sie so verdammt gut schmeckt. Nichts geht dabei über Coke aus einer eiskalten und herrlich perlenden Dose, finde ich.

Meine Erlösung kommt dann an einem Samstag Nachmittag: im Gewand einer eiskalten Cola. Ich habe extra eine von diesen schmucken 0,33-Liter-Retro-Flaschen besorgt, die es nicht in jedem Laden gibt. Also definitiv die richtige Wahl für solch einen Anlass. Der erste Schluck. Bääm. Ich bin komplett überfordert. Ich habe ganz vergessen, wie super meine Lady in Red eigentlich schmeckt. Dann spüre ich, wie der Zucker durch meinen armen, entwöhnten Körper rauscht. Freudentaumel. Als hätte ich nach etlichen Jahren einen schon verloren geglaubten Freund wieder getroffen. Ende.

Achso, eine Sache noch.

Ich bin mir jetzt sicherer denn je: Hätten Frodo und Gollum jemals eine Coke in die Hände bekommen, hätten sie diesen dämlichen Ring sofort in die Tonne gekloppt.

Oberes Foto: Roadsidepictures | Flickr | CC BY 2.0