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Restaurant Confessionals

Wie ich eine Massenschlägerei in einem Club überlebte

"Sie benutzten alles, was nicht niet- und nagelfest war. Ein Typ wurde von einem umherfliegenden Tisch getroffen und er stand einfach auf und haute dem anderen eins aufs Maul."
Foto: imago | Steinach

Willkommen zurück zu den Restaurant Confessionals, wo wir den Leuten aus der Gastronomie eine Stimme geben, die ansonsten viel zu selten zu Wort kommen. Hier erfährst du, was sich hinter den Kulissen in deinen Lieblingsrestaurants so alles abspielt. Dieses Mal berichtet uns ein Bartender aus Manchester von einer ziemlich ausufernden Silvesterparty.

In einer edlen Bar zu arbeiten hat so einige Vorteile – hauptsächlich das gute Trinkgeld. Doch wie jeder auf den ersten Blick einfache Job, bei dem man gutes Geld macht, gibt es auch versteckte Risiken, vor denen einen keiner warnt. Als ich an Silvester Cocktails in der Bar mixte, wurde mir klar, wie gefährlich diese Arbeit sein kann – denn plötzlich war ich inmitten einer Massenschlägerei.

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Bis Mitternacht hatte es schon zwei Schlägereien gegeben.

Das Sicherheitspersonal, das an dem Abend da war, war erst eine Woche dabei und hatte keine Ahnung, welche Art von Gästen manchmal bei uns auftaucht. Es gab natürlich immer Drogendealer und Gangmitglieder, aber ich glaube wegen des besonderen Anlasses war an diesem Abend auch andere dabei, die wir nicht kannten. Warum auch immer, plötzlich begann eine Schlägerei und die Türsteher waren nicht vorbereitet.

Die Bar verteilt sich auf zwei Etagen. Oben gibt es Bottle-Service, da sitzen die reicheren Kunden und versuchen, sich gegenseitig zu überbieten und geben Tausende Pfund für Drinks aus. Es sollte eigentlich alles sehr festlich sein, aber so war es gar nicht: Man konnte die Anspannung spüren. Bis Mitternacht hatte es schon zwei Schlägereien gegeben.


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Die Securitys mussten die beiden Typen, die sich prügelten, ein paar Mal auseinanderbringen, aber sie durften weiter in der Bar bleiben. Ich meinte zum Besitzer: "Die Kerle sind immer noch hier, obwohl sie sich schon zwei Mal geprügelt haben." Doch weil man in dem Laden eh etwas nachlässiger war, war ihm das egal: "Mehr Geld. Was soll's."

Die richtige große Schlägerei startete gegen 2 Uhr. Ich kam gerade wieder von meiner Pause rein und sah die zwei Typen, die sich schon vorher geprügelt hatten. An dem Abend arbeitete ich mit zwei Neuen hinter der Bar, die nicht wirklich merkten, wie aufgeladen aggressiv die Stimmung war. Also hab ich die beiden weggeschickt, denn ich wusste, es könnte jede Minute losgehen. Und wie es losging. Die Sache eskalierte und ich wartete und wartete auf die Securitys – aber sie kamen einfach nicht.

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Für 20 oder 30 Minuten war der Club ein Hexenkessel – pure Anarchie.

Immer mehr Leute mischten sich ein, schlugen ihre Flaschen an der Wand auf, um so eine Waffe zu haben und auf andere einzustechen. Dann wurden einige Leute in die Separees gezogen und zusammengeschlagen. Es kamen immer mehr Leute von unten hoch. Die Frauen rannten weg, doch selbst sie wurden da irgendwie hineingezogen und bekamen eins auf die Fresse. Irgendwann waren es also 40 Leute und uns als Personal blieb nichts anderes übrig, als in Deckung zu gehen. Am Ende gingen sie im gesamten Club aufeinander los – ein paar Leute wurden sogar in die Küche geschleift. Sie benutzten alles, was nicht niet- und nagelfest war. Ein Typ wurde von einem umherfliegenden Tisch getroffen und er stand einfach auf und haute dem anderen eins aufs Maul.

Es hört sich wirklich unglaublich an, aber die Türsteher verließen den Club – sie gingen einfach. Irgendwann muss jemand die Polizei gerufen haben, die Besitzer verschlossen alle Türen, sodass niemand rauskam. Für 20 oder 30 Minuten war der Club ein Hexenkessel – pure Anarchie. Ich dachte mir nur: Ich werd mich bloß nicht einmischen oder versuchen, irgendwelche Leute auseinanderzubringen. Ich riskier' doch nicht mein Leben für jemanden, den ich nicht kenne. Fickt euch, nein.

Der Club sah danach aus wie zerbombt.

Wie durch ein Wunder wurde niemand richtig schwer verletzt. Ein paar der Besitzer wurden von Flaschen getroffen, aber das war es auch – was ziemlich abgefahren ist, wenn man bedenkt, dass da Stühle und Tische durch die Luft geflogen sind. Als die Polizei dann endlich kam, setzten sie draußen vor dem Club Tränengas ein, aber das konnte ich nicht sehen. Der Club sah danach aus wie zerbombt.

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Die Polizei sagte uns, dass niemand eine Aussage gemacht hat. Das hat mich nicht überrascht, wenn Gangs im Spiel sind, trauen sich die Leute nicht, was zu sagen. Aber eines hat mich überrascht: Die Leute, die ursprünglich nichts damit zu tun hatten, haben trotzdem mitgemacht, der ganze Club ging aufeinander los. Vielleicht wollten sie einfach helfen und für Ordnung sorgen, aber am Ende wurde sie auch nur vermöbelt.

Die Polizei hatte uns gebeten, Aussagen zu machen, aber das haben wir sein lassen. Die ganze Sache hat dem Club allerdings monatelang ordentlich zugesetzt: Vorher hatten sie 50.000 Pfund die Nacht umgesetzt, danach mit viel Glück 10.000. Jetzt läuft der Laden nur, weil sie noch andere Geschäfte haben, aus denen sie Geld reinpumpen können. Jeder andere Laden in der Stadt hätte schließen müssen.

Am Tag nach der Schlägerei wachte ich auf und hatte das Gefühl, ich müsste abhauen. Ich schaltete meinen Laptop ein und buchte den erstbesten Flug nach Amsterdam und habe dort zwei Tage lang Pilze eingeworfen. Ich musste wohl einfach alles verarbeiten. Als ich zurückkam, ging ich jedoch sofort wieder zur Arbeit. Keiner hatte gekündigt. Wir blieben wohl einfach da, weil wir 400 Pfund pro Nacht verdienten – und wir deshalb nur zwei Mal die Woche arbeiten mussten. Für so viel Freiheit nimmt man das Risiko in Kauf.


Aufgezeichnet von Kamila Rymajdo.