Menschen erzählen, warum sie als Teenager bei ihren Kassierer-Jobs gefeuert wurden
Illustrationen von Erik Pontoppidan

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Arbeit

Menschen erzählen, warum sie als Teenager bei ihren Kassierer-Jobs gefeuert wurden

"Ich hatte Pfandbons im Wert eines Kleinwagens gefälscht."

Wenn du jung bist, bist du dumm – oder zumindest fällt es dir schwer, weiter als fünf Minuten vorauszudenken. Nichtsdestotrotz besteht unsere Gesellschaft darauf, dass junge Menschen so schnell wie möglich in die Arbeitswelt eingeführt werden.

Wenn Verantwortung auf jugendlichen Leichtsinn trifft, nimmt das allerdings nicht immer ein gutes Ende. Auch wenn die Menschen, die in unseren Supermärkten, Bäckereien und Tankstellen arbeiten, kleine Helden des Alltags sind, sind sie immer noch Menschen – und nicht alle können mit ihrer neugefunden Macht verantwortungsvoll umgehen. Das gilt umso mehr für diejenigen, deren Hirne noch im Entwicklungsstadium sind.

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MUNCHIES hat sich mit vier Menschen unterhalten, die eine Sache gemein haben: Sie alle wurden als Teenager bei ihren Nebenjobs gefeuert.


Munchies Video: Dänische Hotdogs zu machen ist eine Kunst


Peter, 29, Kassierer im Supermarkt

Kurz bevor ich 18 wurde, arbeitete ich als Kassierer in einem Supermarkt. Es war ein furchtbarer Job, aber einer der wenigen, die ich kriegen konnte. Ich weiß nicht wirklich, wie das alles anfing, aber irgendwann gab ich meinen Kumpels während meiner Schichten immer gratis Zeug. Es war auch viel zu einfach: Ich scannte die Ware und gab sie dann wieder als Retour ein. Auf diese Weise kam meine Clique in den Genuss von Unmengen Gratis-Bacardi-Razz, -Sekt, -Filmgeschenkkarten und anderem Krempel. Ich arbeitete zweimal die Woche und zu jeder Schicht kamen ein, zwei Freunde vorbei und sicherten unseren Alkoholbestand fürs Wochenende.

Der Kumpel, der mich am häufigsten bei der Arbeit besuchte, trug dabei immer seine knallrote Jacke. Ein Kollege meinte dann auch irgendwann zu mir, dass der ja ziemlich oft während meiner Schichten vorbeikomme. Von allen Freunden war er auch derjenige, der am meisten von unserem "Trick" Gebrauch machte. Ich glaube, er "kaufte" alles nur noch bei mir. Irgendwann setzte die Geschäftsführung Supermarktdetektive auf uns an.

Als ich eines Tages zur Arbeit kam, wurde ich direkt ins Büro gerufen, wo schon mein Chef, jemand aus dem höheren Management und ein Gewerkschaftsvertreter auf mich warteten. Ich wusste natürlich, was los war, und gestand sofort alles. Da ich noch nicht 18 war, mussten meine Eltern informiert werden. Ich schaffte es aber noch, meinen Arbeitgeber davon zu überzeugen, dass ich einen Tag Zeit bekomme, ihnen das persönlich mitzuteilen, bevor sie anrufen. Sie durften unter keinen Umständen davon erfahren. Ich hatte zu der Zeit auch noch andere Probleme. Ich konnte das meiner Mutter einfach nicht antun. Also hat sich die Freundin des großen Bruders meines Kumpels am Telefon als meine Mutter ausgegeben.

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Wir einigten uns schließlich darauf, dass ich einen Teil des Geldes zurückzahlen und dafür nicht angezeigt werde – 3.000 Euro waren das. Als ich dann wenig später 18 wurde, bin ich zur Bank und habe ihnen die Geschichte erzählt. Ich bekam ein Darlehen über 5.000 Euro und bezahlte davon meine Schulden.

Meine Eltern wissen bis heute nichts davon.

Lars, 34, Obst- und Gemüseabteilung im Supermarkt

Als ich 16 war, hatte ich einen Job in Østerbro, einem wohlhabenden Stadtteil Kopenhagens. Dort arbeitete ich in der gut sortierten und gehobenen Obst- und Gemüseabteilung eines gleichsam teuren Supermarkts. Als apathischer, ständig verkaterter und semibekiffter Teenager schluffte ich allerdings nur missmutig durch die Gänge und zählte die Minuten, bis meine Schicht vorbei war. Teil des Jobs war es natürlich, unseren Kunden mit Rat und Tat beim Einkauf zur Seite zu stehen. Es war also unglaublich wichtig, Hilfsbereitschaft auszustrahlen.

Der Geschäftsführer ermahnte mich immer wieder dafür, dass ich größtenteils mit verschränkten Armen rumstand und den feinen Damen von Østerbro damit signalisierte, dass ich wenig Interesse hatte, ihnen zu zeigen, wo die Pfifferlinge stehen oder welche die besten Avocados sind. Immerhin schaffte ich zehn bis fünfzehn Schichten, bis ich bemerkte, wie mein Chef mich aus der Ferne dabei beobachtete, wie ich gähnend in der Ecke stand und auf meinem Nokia 3210 Snake spielte. Er musste noch nicht mal etwas sagen. Ich wusste, dass meine Supermarktkarriere vorbei war. Als ich ein paar Tage später zur Arbeit kam, hatte ich ein Kündigungsschreiben in meinem Fach. Ich gab meine Uniform ab und machte mich vom Acker.

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Es war auch besser so.

Ulrik*, 29, Kassierer im Supermarkt

Als ich in der Oberstufe war, hatte ich einen Job als Kassierer im Supermarkt. Auch in Dänemark gibt es Pfandautomaten. Wenn der Automat in unserem Supermarkt nicht funktionierte, mussten wir die Beträge an der Kasse selbst eingeben und die Bons ausdrucken. Und genau das tat ich auch. Für mich selbst. Eigentlich war es nicht viel, vielleicht 40 oder 60 Euro. Erst später wurde mir klar, dass man eine ganze Menge Flaschen zurückbringen muss, um so viel Geld zu kriegen.

Ein Monat verging und ich war jedes Mal höllisch nervös, wenn ich zur Arbeit ging. Aber sie schienen keinen Verdacht zu schöpfen. Irgendwann konnte ich einfach nicht anders und machte mir noch einen – dieses Mal für 300 Euro. Aber es passierte immer noch nichts, obwohl ich mich bei jeder Schicht an meiner Kasse einloggen musste.

Ich fühlte mich, als hätte ich das System ausgetrickst. Der nächste Pfandbon war dann schon 400 Euro wert. Dann kam die Weihnachtszeit und wir hatten so viel zu tun, dass wir uns nicht mehr einloggen mussten. An einem dieser Tage verließ ich den Laden mit 1.500 Euro.

Es liegt ziemlich auf der Hand, aber mich plagten ständig starke Schuldgefühle. Ich wusste, was mir blüht, wenn sie mich erwischen, aber es war einfach zu leicht.

Nach zehn Monaten Pfandbetrug bat mich mein Chef für ein kurzes Gespräch ins Büro.

Als ich eintrat, sah ich sofort den Stapel Zettel auf dem Tisch. Es war eine Sammlung meiner ganzen Vergehen, komplett mit Name, Datum, Uhrzeit und Betrag. Aus der Sache kam ich nicht mehr raus. In gewisser Weise war ich erleichtert, dass sie mich erwischt hatten. Ich hatte Pfandbons im Wert eines Kleinwagens gefälscht.

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Sie brachten mich zur Polizei. Die Beamten kamen dann mit zu mir nach Hause, um mein Zimmer zu durchsuchen, wo sie große Mengen Bargeld fanden. Meine Eltern waren schockiert. Ich hatte keiner Menschenseele davon erzählt – nicht mal meinen besten Freunden. Es war mir einfach zu peinlich gewesen, aber hatte auch einfach nicht aufhören können.

Am nächsten Tag brach ich zusammen. Ich rief meinen Chef und seine Chefs an und schwor unter Tränen, dass ich ihnen das komplette Geld zurückzahlen würde. Sie sollten nur bitte die Polizei aus der ganzen Sache raushalten. Das stellte sich allerdings als unmöglich heraus, weil der Betrag so groß war, dass es sich nicht mehr um einfachen Diebstahl handelte, sondern um Veruntreuung.

Ein Jahr später musste ich vor Gericht. Ich bekam eine Strafe auf Bewährung, weil es mein erstes Vergehen war und ich angeboten hatte, das ganze Geld zurückzuzahlen. Das tat ich dann auch und ich brauchte dafür zehn Jahre.

Wenn ich jetzt zurückdenke, kann ich kaum glauben, dass ich so etwas wirklich mal gemacht habe.

Joakim, 29, Tankstelle

Als ich 17 war, arbeitete ich an einer Tankstelle, wo ich Hotdogs, Pommes und Kuchen verkaufte und mich darum kümmerte, dass die Regale voll sind. Wir durften während unserer Schichten so viel essen, wie wir wollten. Es war perfekt.

Ich hatte Schichten Montags und Freitags zugeteilt bekommen, aber ich wollte den Freitag gerne frei haben, also bat ich darum, meine Schichten umzulegen.

Nach sechs Monaten kündigte einer meiner Kollegen und endlich wurde meine Freitagsschicht auf Mittwoch gelegt. Aber obwohl ich die Änderung selbst beantragt hatte, vergaß ich, an dem Mittwoch zur Arbeit zu gehen, und musste mir eine Ausrede ausdenken. Und dann passierte mir das gleiche drei Wochen hintereinander.

Ich wurde schließlich zum Mittarbeitergespräch gerufen und sie teilten mir mit, dass es wohl nicht die beste Idee sei, unser Arbeitsverhältnis fortzuführen. "Wir sind sicher, dass du das verstehst", sagten sie.

*Namen geändert