Wie du deinen Weihnachtsbaum essen kannst

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Bäume

Wie du deinen Weihnachtsbaum essen kannst

Statt unseren Weihnachtsbaum wie jedes Jahr einfach aus dem Fenster (oder auf die Straße) zu schmeißen, empfehlen zwei experimentierfreudige Londoner Designerinnen, die ausgediente Tanne in der Küche zu recyceln. Das Ergebnis überzeugt.

An Weihnachten verzieren wir unseren Weihnachtsbaum mit den schönsten Gaben und tun alles, damit er in voller Pracht erstrahlt: Lametta hier, handbemalte Christbaumkugeln dort. Aber spätestens am 6. Januar ist alles vorbei und die einstigen Stars des Wohnzimmers fristen ihr tristes Ende zurückgelassen am Straßenrand. Ein wirklich trauriger Anblick.

Das muss nicht sein, finden dieDesignerinnen Lauren Davies und Julia Georgallis.

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Anstatt, wie es uns die Ikea-Werbung jährlich suggeriert, die Tannenbäume schnöde zum Fenster hinauszuwerfen, sollten wir sie ihrer Meinung nach lieber essen. Einen alten Tannenbaum zum Abendbrot? Das klingt so interessant, dass ich mich gerne als Versuchskaninchen opfere.

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Die Londoner Designerinnen Lauren Davies (links) und Julia Georgallis. Foto von Johanna Derry.

Lauren und Julia teilen beide—wer hätte es gedacht—eine Leidenschaft für ungewöhnliche Zutaten. Mit ihrem eigenen Designstudio HEKA realisiert Lauren Projekte, die ihre Inspiration in der „Alchemie der Natur" finden. Julia verkauft mit ihrer mobilen Bäckerei The Bread Companion Brot und Kuchen auf den Märkten Londons.

„Als Designerin sind mir Aromen sehr wichtig und auch Julia experimentiert gerne mit ungewöhnlichen Rezepten und Zutaten", erklärt Lauren. „Wir wollen beide neue, aufregende Wege finden, Themen wie Nachhaltigkeit und Wegwerfwahn anzugehen."

REZEPT: Fichten-Ingwer-Eis

Einen Weihnachtsbaum zubereiten, das erschien uns irgendwie total cool und passte zu unseren ethischen Vorstellungen", fügt Julia hinzu. „Also haben wir ein bisschen nachgeforscht, was die Leute so bisher mit Koniferen in der Küche gezaubert haben, aber unsere Recherchen waren nicht sonderlich ergiebig."

Lauren und Julia stellten sich der Herausforderung: Kann man den Weihnachtsbaum in der Küche recyceln?

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Käse mit Fichtennadeln. Foto von Julia Georgallis.

Zuerst mussten sie natürlich herausfinden, ob man Bäume überhaupt bedenkenlos essen kann.

„Das war eine erste große Hürde", so Lauren. „Fichten, Tannen und Kiefern kann man essen. Nur Eiben sind extrem giftig. Da sie alle zu den Koniferen gehören, mussten wir uns also erstmal schlau machen, inwiefern sich eine Eibe von den anderen Bäumen unterscheidet, damit die bloß nicht in unserem Topf landet."

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„Als wir das wussten, haben wir plötzlich überall Eiben entdeckt", erzählt Julia. „Am markantesten sind die roten Beeren und die spiralförmig angeordneten Nadeln."

Puh. Es ist immer gut wissen, dass das, was man gleich serviert bekommt, einen nicht sofort umbringt.

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Über Fichtenholz geräucherter Lachs mit roter Beete. Foto von Julia Georgallis.

Die giftigen Kandidaten waren also aus dem Rennen. Also versuchten die beiden herauszufinden, was sie mit den speziellen Geschmacksnoten der anderen, ungiftigen Weihnachtsbäume machen könnten. Zu der Jahreszeit gab es allerdings noch keine Weihnachtsbäume in London zu kaufen, also mussten die beiden bis nach Kent zu einer Baumschule fahren, wo man ihnen noch einmal erklärte, welcher Baum wie schmeckte.

„Die gängigsten Weihnachtsbäume sind Nordmanntannen, Douglastannen, Blaufichten und Rotfichten", erklärt Lauren. „In Skandinavien wird viel über Fichtenholz geräuchert und mit Salz gepökelt. Wir haben mit diesen besonderen Arten der Zubereitung experimentiert und hier und da ein bisschen Kiefer, Fichte oder Tanne hinzugefügt, bis wir das Ergebnis als Erfolg verbuchen konnten."

„Eines unserer ersten Experimente waren Scotch Eggs mit einer Kiefer-Panade. Und Mayonnaise aus Nordmanntannen, aber das war das Allerschlimmste", erzählt Julia. „Da haben wir total ans uns selbst und unserem Konzept gezweifelt."

Aber sie blieben hartnäckig.

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Foto von Johanna Derry.

„Wir haben uns dann mehr auf Blaufichten konzentriert. Die haben ein sehr starkes, zitroniges Aroma. Und Douglastannen: Die sind etwas sanfter und haben diesen typischen Weihnachtsbaumduft und einen grünen, fast grasigen Geschmack. Im Essen dominiert das aber nicht so sehr", sagt Lauren. „Nach all unseren Experimenten hatten wir jedoch eine ganze Blaufichte vernichtet. Also mussten wir noch einmal zurück und eine zweite holen."

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„Bevor wir Rezepte entwickelt hatten, die auch machbar waren, mussten wir ganz schön viel ausprobieren", sagt Julia. „Wir haben herausgefunden, dass Blaufichte besonders gut mit einer süßen Note schmeckt. In Kombination mit Essig entsteht daraus aber wieder ein balsamicoähnlicher Geschmack. Douglastanne passt besonders gut zu Apfel und Zitrone. Sowas herauszufinden, war jedes Mal ein kleiner Erfolg für uns."

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Julia und Lauren erkannten also langsam, dass es nicht nur vollkommen machbar war, seinen eigenen Weihnachtsbaum zu essen, sondern auch noch gut schmeckte. Die Früchte ihrer Arbeit wollten sie einem ersten Test unterziehen, am besten natürlich bei einem Supper Club in London.

Und so landete ich an einem stürmischen Dezemberabend an einem Esstisch im Norden der Stadt in voller Erwartung auf ein Menü, bei dem sich in jedem Gericht irgendwelche Nadelbäume versteckten: über Fichte geräucherter Lachs mit roter Bete, eingemachte Fichte, Tajine mit Lamm und Retsina, Blumenkohl geräuchert über Kiefernholz, Tannengelee und Fichten-Eis.

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Foto von Julia Georgallis.

„Einiges mussten wir einfach noch dazukaufen, wie den Retsina—einen Wein, der mit Kiefernharz versetzt wurde—und die Pinienkerne", erklärt Lauren. „Aber alles andere, was irgendwie nach Nadelbaum schmeckte, kam direkt von unserem persönlichen Weihnachtsbaumlieferanten in Kent. Wir waren echt überrascht: Das schmeckte gar nicht mal so komisch."

Wenn du dachtest, dass ein Menü aus deinem Weihnachtsbaum schmecken würde, wie eine Flasche Rohrreiniger, hast du dich getäuscht. Der Weihnachtsbaum schmeckt süß, sanft, scharf, frisch, warm—ganz verschieden, je nachdem, mit was man ihn kombiniert und wie man ihn zubereitet. Nicht nur das: Die Gerichte sind auch nicht so extrem ausgefallen, dass man sie als Normalsterblicher nicht hinbekommen würde. Am Ende denke sogar ich, dass ich einiges davon selbst kochen könnte.

Also: Ja, du kannst deinen Weihnachtsbaum essen!

„Das Experimentieren macht unglaublichen Spaß", sagt Julia. „Eingemachtes, Chutneys und Sirup sind für den Anfang sehr gut—einfach und kostengünstig. Außerdem sollte man unbedingt mal das Eis ausprobieren. Man sieht es ja auch an den Tellern, die sind alle sauber geleckt."

Das stimmt. Wenn du nach Weihnachten mal etwas anderes als die üblichen Reste von Truthahn, Braten oder Gans möchtest, probier's doch mal mit deinem Weihnachtsbaum.