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In diesem Café bezahlst du für deine Zeit, nicht für deine Getränke

Was soll denn der Alltag gegen dieses Prokrastinationsparadies anrichten?

Wir haben sie alle schon einmal beobachtet oder gehören manchmal auch selbst dazu: Diese Leute, die scheinbar ewig an ihrem mittlerweile kalten Milchkaffee schlürfen (oder nur so tun) und sich selbst einreden, dass es absolut OK ist, noch zwei weitere Stunden in einem eh schon überfüllten Café zu sitzen. Genau dagegen will man in Brooklyn jetzt etwas tun, mit dem ersten Anticafé, in dem die Gäste pro Minute zahlen und nicht pro Kaffee.

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Das Konzept an sich ist nichts Neues, gerade auch in Großbritannien (und natürlich dem Mutterland der Anticafés, Russland) sind solche Zeitcafés immer erfolgreicher. Das erste Zeitcafé in Deutschland, in Wiesbaden, musste allerdings leider schon nach kurzer Zeit wieder schließen, weil „fast niemand" kam und „die finanziellen Möglichkeiten erschöpft" waren. Und auch in Amerika sind Anticafés eher eine Seltenheit, das Glass Hour in Brooklyn will das jetzt ändern.

Im Glass Hour kannst du so viel Kaffee trinken, wie dein Zentralnervensystem vertragen kann, denn du bezahlst nicht direkt für das was du isst und trinkst, sondern eher für die Nutzung des Cafés. Sechs Dollar kostet die Gäste die Flatrate in der ersten Stunde, danach bezahlen sie für jede weitere Minute 10 Cent—maximal 24 Dollar pro Tag. Wenn man länger als vier Stunden da ist, kann man also so lange im Café abhängen, wie man will, ohne dabei so tun zu müssen, als trinkt man weiter Kaffee.

ARTIKEL: Dieses Café verkauft zur „Latte" einen Blowjob

Dafür bekommt man dann unbegrenzt Kaffee, Tee, Müsliriegel und Cookies—und man kann sich die Zeit außerdem mit Brettspielen, Tischfußball und einer Playstation 4 vertreiben. Eigentlich bezahlt man also fürs Prokrastinieren. Die Gründer von Glass Hour haben sich, als sie in Russland gelebt haben, von den dortigen „Zeitcafés" inspirieren lassen und sie hoffen nun, dass dieses Konzept auch in Williamsburg ankommt. Wir haben uns mit einer der Inhaberinnen, Zlata Koshlina, unterhalten, um mehr über ihr Café zu erfahren.

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MUNCHIES: Wie seid ihr darauf gekommen, das Glass Hour in diesem Format zu eröffnen? Zlata Koshlina: Alle Gründer kommen aus Russland und als Studenten haben wir viel Zeit in solchen Cafés verbracht. Diese Zeitcafés stammen eigentlich aus Russland, in Moskau gibt es viele davon. Als wir hierhergezogen sind, haben wir festgestellt, dass es in New York oder überhaupt in Amerika keine [Zeitcafés] gibt. Also dachten wir uns, wir probieren es einfach.

Ist es für euch ein Café oder ein Coworking-Space? Es ist ein Ort, wojunge Unternehmer, Leute aus dem Tech-Sektor und Designer zusammenkommen. Tagsüber kann man das sicher auch als Coworking-Space nutzen, aber am Wochenende oder abends ist wirklich einfach nur ein Ort um abzuhängen. Es gibt zwei Etagen: Die erste ist hell erleuchtet, zum Arbeiten und zum Spielen; untenist eher wie ein Spielzimmer mit Playstation und Sitzsäcken. So entsteht selbst um zehn Uhr morgens eine schöne dunkle Stimmung, wenn du im Spiel ein paar Zombies abschießt.

Wie waren die Reaktionen bisher? Kommen viele Kunden wieder? Wer einmal hier kommt, kommt meist auch ein zweites Mal wieder. Es gibt ein paar Leute, die hier regelmäßig arbeiten und das Café als Coworking-Space nutzen, aber die meisten kommen doch am Wochenende. Idealerweise ist es natürlich jeden Tag voll, nicht bis zum Bersten, sondern so, dass sich jeder maximal wohlfühlt.

Wie lange bleiben die Gäste? An Werktagen bleiben die meisten zwischen vier und sechs Stunden, aber selbst die, die nur zum Spielen kommen, bleiben gut zwei oder zweieinhalb Stunden.

Warum ist das ein Anticafé? Im Glass Hour ist man einfach frei. Wer einen Kaffee will, schnappt sich eine Tasse und macht ihn sich selbst. Wir haben diverse Kaffeemaschinen, Milch und Zucker, man bedient sich selbst. Dann nimmt man sich was zu essen, setzt sich hin und bringt seine Tasse am Schluss einfach wieder zurück.

Wie seid ihr auf den Namen Glass Hour gekommen? Man bezahlt hier nur für die Zeit. Wir haben über Symbole für Zeit und…

Achso, jetzt verstehe ich, wie das Stundenglas bzw. die Sanduhr. Snacks und Kaffee gibt es, so viel wie man will? Ja, du kannst so viel Kaffee trinken, wie du willst und wir haben Müsliriegel, Süßigkeiten und Cookies—du kannst gern so viel essen, wie du schaffst.

Das Café ist schon seit zwei Monaten eröffnet, aber ihr habt gerade eine Kickstarter-Kampagne gestartet. Warum jetzt? Wir haben Glass Hour zu viert gegründet. Wir sind alle unter 25, arbeiten eigentlich in anderen Unternehmen und machen das mit unserem eigenen Geld. Wir haben keine Investoren, nur unsere Ersparnisse. Und damit konnten wir das Café so weit aufbauen, aber es gibt ja immer Platz für Verbesserungen: bessere Kaffeemaschinen, mehr Cookies, mehr Spiele. Die Kickstarter-Kampagne soll das Café noch besser machen.