Der wahnsinnige Alltag eines Lebensmittelkontrolleurs

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Gastronomie

Der wahnsinnige Alltag eines Lebensmittelkontrolleurs

Ratten, Schimmel, Salmonellen: Einige Bilder vergisst man nie wieder.

Als Restaurantbesitzer kennt man den Panikanfall, der einen überkommt, wenn man einen Restaurantkritiker im Laden erspäht. Aber es gibt noch andere unangekündigte Besuche, die noch viel schlimmere Folgen für den Ruf eines Geschäfts haben können, als der eine einzelne Hassrede irgendeines pedantischen Kritikers.

Gemeint sind die regelmäßigen Besuche der Gesundheitsbehörden – und auch in Dänemark schauen Kontrolleure der Dänischen Lebensmittelaufsicht vorbei. Wie sich in der Vergangenheit gezeigt hat, kann nicht nur ein etwas verranzter Imbiss bei der Kontrolle durchfallen – auch gastronomische Schwergewichte können einen alles andere als fröhlichen Smiley und eine knallgelbe Karte verpasst bekommen. Die Dänen nutzen für die Hygienebewertung vier verschiedene Smileys von superhappy bis supertraurig, die Ergebnisse der Kontrollen werden dann auf gelben Schildern ausgehangen.

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Wir haben mit Kent Kirkegaard Jensen gesprochen, einem ehemaligen Lebensmittelkontrolleur der Dänischen Lebensmittelaufsicht, um herauszufinden, was passiert, wenn die Hygiene-Cops in Restaurants vorbeischauen.


Weil Selbstgemachtes (fast) immer noch am besten schmeckt: So geht dänisches Smørrebrød


MUNCHIES: Hi Kent! Hast du dich bei einer Inspektion jemals unwohl gefühlt?
Kent Kirkegaard Jensen: Ich persönlich habe mich bei einer Kontrolle nie unwohl oder bedroht gefühlt. Die meisten Restaurantbesitzer wissen, dass unser Besuch einfach dazugehört und die Inspektionen verlaufen für gewöhnlich nach Plan.

Es gibt aber auch Fälle, wo man als zusätzlicher Kontrolleur bei einer Nachkontrolle dazubestellt wird, weil der ursprüngliche Beamte sich beim ersten Mal bedroht fühlte. Einige Leute denken, dass sie mit Einschüchterungen ihre Probleme lösen könnten – wir sorgen dafür, dass sowas nicht geht.

Wir versuchen immer fair zu sein, aber wenn sich jemand wie ein Arschloch verhält, dann neigen wir eher dazu, die Vorschriften strenger auszulegen.

Natürlich. Du bist wahrscheinlich nicht immer ein gern gesehener Gast. Was war dein schlimmstes Erlebnis?
Ein Restaurantbesitzer ist einmal richtig ausfällig geworden, er hat mich zehn Minuten lang nur wild beschimpft. Bei der Kontrolle hatte ich festgestellt, dass die Temperaturen in einem Kühlschrank mit Milch und Fleisch zu hoch waren, weshalb ich eine Strafe verhängte und er das Fleisch vernichten sollte. Es war eigentlich eine ziemlich banale Sache und es war auch nicht einmal viel Fleisch, aber er war einfach so wütend. Doch für ihn ging die Sache nach hinten los, denn wir standen gerade so, dass uns das ganze Restaurant hören konnte, wie er schrie und schrie. Ich hatte keine Angst vor ihm, ich bin kein schmächtiger Kerl. Fast hatte ich schon Mitleid mit ihm, weil er sich mit seinem Verhalten vor der ganzen Kundschaft blamiert hatte.

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Aber es gibt schon auch richtige Horror-Storys. Ich habe unter anderem von einer Kollegin gehört, die bei der Kontrolle von einem wütenden Restaurantbesitzer im Kühlraum eingesperrt wurde. Zum Glück hatte sie ein Handy dabei und genug Netz, dass sie Hilfe holen konnte.

Wie reagieren Restaurantbesitzer, wenn du den Raum betrittst?
Manche sind aufgesprungen und haben angefangen, panisch alles zu putzen. Einige Leute fürchten sich definitiv vor uns, schließlich sind wir eine Behörde. Deshalb versuchen wir immer, alles ganz ruhig zu machen und einen guten Ton zu wahren.

Was sind die häufigsten Hygienemängel?
Es gibt diesen einen Klassiker: Rohes Fleisch auf einem Brett schneiden und dann auf demselben Brett Gemüse schneiden – Salmonellen frisch vom Fass. Das ist nur ein Beispiel.

Beim Essen kann man natürlich in einige Fallen tappen: bei der Handhabung, Bakterien oder mikrobiologischen Anforderungen. Dann gibt es noch die Zubereitung, dabei sollten natürlich vorkommende Bakterien abgetötet werden, und dann ist da noch das Säubern des Arbeitsplatzes. Außerdem geht es noch um Dokumentation, den lästigen Papierkram. Das ist meine Welt.

Du musst bei deiner Arbeit ziemlich ekelhafte Dinge gesehen haben. Was war das Schlimmste?
Abgesehen von toten Mäusen, Spuren von Ratten und so weiter sind mir die extremen Sachen ehrlich gesagt erspart geblieben.

Einmal hatte ich ein Lokal kontrolliert, das schon wegen mangelnder eigener Dokumentation verwarnt wurde. Hinter der Küche war ein Raum mit vier oder fünf Tiefkühltruhen an der Wand. Davor standen ein Sofa und ein Couchtisch, dort saßen ein paar Leute, rauchten Kette und schauten fern, als wir reinkamen. Als sie uns sahen, sprangen sie alle auf und rannten durch die Hintertür aus dem Zimmer. Es war einfach nur zum Schießen, weil wir sie natürlich längst gesehen hatten.

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Bei so einem Job trägt man doch Langzeitfolgen davon, oder?
Ja! Das ist Fluch und Segen zugleich. Natürlich ist alles potenziell gefährlich, wenn man nicht richtig damit umgeht. Unter anderem bestelle ich mir nie irgendwas mit Eiswürfeln aus einer Eismaschine. Das können die reinsten Bakterienschleudern sein, weil sie da, wo die Eiswürfel rauskommen, offen sind. In Bodegas [schummrigen, günstigen Bars in Dänemark] oder ähnlichen Läden bestelle ich nie etwas mit Eis. Wenn man einmal eine Eiswürfelmaschine von innen gesehen hat, die voll mit schwarzem Schimmel war, ist man für sein Leben geschädigt.

Wenn du selbst essen gehst, liest du vorher immer den Bericht?
Ja, immer. Ich kann einfach nicht anders. Einmal bin ich sofort wieder rausgegangen, weil das Restaurant schon eine Verwarnung wegen seines Umgangs mit Fleisch erhalten hatte. Das Risiko wollte ich nicht eingehen. Das beste Qualitätssiegel ist immer noch, wenn man nach der Kontrolle Lust bekommt, in dem Restaurant zu essen. Oder wenn ein Kollege das Restaurant empfiehlt, dann weiß man, dass da alles in Ordnung ist.

Dieses Interview wurde aus Platz- und Verständnisgründen redigiert und ist ursprünglich auf Dänisch bei MUNCHIES Dänemark erschienen.