Was du tun kannst, wenn dich dein Lieblingsessen an vergangene Beziehungen erinnert
Illustration: Nadia Akingbule

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Was du tun kannst, wenn dich dein Lieblingsessen an vergangene Beziehungen erinnert

Nachdem ich mich von meinem Ex getrennt hatte, konnte ich mir nicht vorstellen, irgendwann mal wieder "unser" Gericht zu kochen. Da muss aber nicht so sein.

Eine der schönsten Erinnerungen, die ich an das gemeinsame Kochen mit meinem Ex habe, ist die von einem kompletten Reinfall. Er wusste, dass ich das Eiergericht Shakshuka liebe, und entschied sich deswegen spontan dazu, das Ganze für mich zuzubereiten. Natürlich war der Druck, mein Lieblingsfrühstück perfekt nachzukochen, etwas zu viel und ein großes Stück Eierschale fand seinen Weg in die Pfanne und dann auf meinen Teller.

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Das klingt jetzt so, als ob das Ganze eine schlimme Erinnerung ist. Letztendlich konnten wir aber über die Situation lachen und die Shakshuka-Geschichte wurde als eine Art Insider-Witz zu einem festen Bestandteil unserer Beziehung.

Wenn man sich frisch in einer Beziehung befindet, ist das Kochen mit dem Partner oder der Partnerin nicht nur sehr aufregend, sondern zeigt auch gleichzeitig, wie gut man zusammenarbeiten kann. Es wird allerdings nie darüber geredet, was passiert, wenn nichts nach Plan läuft, die ganzen Stunden in der Küche nur noch bittersüße Erinnerungen sind und man gewisse Gerichte plötzlich nicht mehr essen kann, weil man sie sofort mit der Vergangenheit in Verbindung bringt.

Nachdem ich mich von meinem Ex getrennt hatte, erschien es mir falsch, wieder Shakshuka zu kochen. Das war ja "unser Ding" gewesen und ich konnte mir nicht vorstellen, das Gericht alleine zu genießen. Aber auch andere Gerichte mied ich – sie hatten alle etwas mit Situationen und Erinnerungen zu tun, die nur ich und meine verflossene Liebe verstanden.


Auch bei MUNCHIES: Geruch verändert den Geschmack


Zuerst war das alles aber kein Problem, aufgrund der Trennung hatte ich sowieso keinen Appetit. Allein bei der Vorstellung, etwas zu essen, wurde mir schlecht. In dieser Zeit fiel es mir schon schwer, ein bisschen Müsli runterzubekommen. Wie sollte ich da also etwas kochen? "Alles wird für immer anders schmecken", dachte ich mir. Unzählige andere Dinge waren erstmal wichtiger, zum Beispiel Zeit mit Freunden verbringen, mich betrinken und mein komplettes Leben zu überdenken.

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Schon bald war mein Appetit aber wieder da und in mir regte sich wieder der Wunsch, meine Lieblingsgerichte zu kochen. Die Freude, die ein vertrauter Geschmack erzeugt, kann eben durch nichts ersetzt werden – ganz egal, wie viele schlechte Erinnerungen man mit diesem Geschmack verbindet.

Unsere mentalen Verbindungen mit Essen gehen zurück auf die olfaktorischen Nerven, die eng mit dem Erinnerungsteil unseres Gehirns zusammenhängen. Dank dieser Nerven können wir uns an Dinge erinnern, die schon Jahre oder gar Jahrzehnte zurückliegen. "Das liegt am Aufbau des Gehirns", schreibt die Psychologin Amanda White in der Fachzeitschrift Psychology Today. "Eingehende Gerüche werden zuerst vom Riechkolben verarbeitet, der in der Nase beginnt und dann am unteren Teil des Gehirns entlangläuft."

Visuelle, akustische und haptische Informationen laufen hingegen nicht an diesem Teil des Gehirns vorbei. "Das könnte der Grund dafür sein, dass unser Geruchssinn mehr Emotionen und Erinnerungen triggert als die anderen Sinne", schreibt White weiter.

Wegen der intensiven sensorischen und emotionalen Stimulation speichert das Gehirn die Erinnerung an das gemeinsame Kochen besonders gut ab.

Mit diesem Gedanken im Hinterkopf erzählt die Paartherapeutin und klinische Psychologin Silja Litvin davon, dass das gemeinsame Kochen mit einem geliebten Menschen besonders starke Erinnerungen schaffen könne – weil dabei geschmeckt, gerochen, gefühlt und gesehen wird, also alle Sinne zum Einsatz kommen. Wenn dann noch die Emotionen der Beziehung dazukommen, ergibt sich ein noch intensiverer Eindruck.

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Bei so viel sensorischer und emotionaler Stimulation speichert das Gehirn die Erinnerung an das Kochen mit einem Partner oder einer Partnerin besonders gut ab. Deswegen müssen diese Erinnerungen aber nicht direkt schmerzvoll sein. "Um die negativen Emotionen einer Trennung gut zu verarbeiten, ist es wichtig, sich den Folgen der Beziehung bewusst zu werden", rät Litvin. "Fragen wie 'Was habe ich gelernt?' Wie kann ich daran wachsen?' oder 'Was ist schlecht für mich?' können genau dabei helfen."

Und wenn dich ein bestimmtes Essen an deinen Ex-Partner oder deine Ex-Partnerin erinnert, dann empfiehlt Litvin, das Rezept so zu verändern, dass das Gericht anders riecht oder schmeckt. "Ein starkes Gewürz wie Knoblauch oder Paprika ist vielleicht genau richtig", sagt die Paartherapeutin.

Beim gemeinsamen Kochen geht es ja auch darum, einen anderen Menschen sowohl körperlich als auch mental zu nähren.

Langsam akzeptiere ich mein Beziehungsende und erinnere mich dabei auch an kulinarische Dinge, die mein Ex und ich nie oder nur selten zusammen gemacht haben – zum Beispiel haben wir kaum Fisch gegessen, obwohl ich Fisch gerne mag.

Vor Kurzem bin ich mit meiner Mitbewohnerin fürs Abendessen einkaufen gegangen. Barsch, Knoblauch, Zitronen, Zucchini und Kartoffeln landeten in unserem Einkaufswagen. Wieder zu Hause schnitt sie dann das Meiste davon klein und übernahm die Führung beim Kochen. Das Essen schmeckte natürlich auch lecker, aber noch wichtiger war es, dass sich jemand um mich kümmerte. Beim gemeinsamen Kochen geht es ja auch darum, einen anderen Menschen sowohl körperlich als auch mental zu nähren. Während und nach einer Trennung fällt es schwer, so viel positive Energie für sich selbst aufzubringen.

Langsam aber sicher finde ich wieder Spaß am Kochen. Mir wird wieder bewusst, wie angenehm es eigentlich ist, ein Glas Wein zu trinken, während ich langsam eine Soße anrühre. Und diese Woche hat es bei mir schon dreimal Fisch gegeben.

Dieser Artikel erschien ursprünglich bei MUNCHIES US.

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