Im Blenheim Forge, unter einem der Bahnbögen in South London, kommt man sich ein bisschen wie in einer Schatzkammer vor: In Wahrheit verbergen sich zwischen den Metallhaufen, den Vorrichtungen, die eher zur Folter geeignet sein könnten, und den umherfliegenden Funken, richtige Juwelen.Wenn man ein bisschen genauer hinschaut, entdeckt man sorgfältig gefertige Holzstücke, einzigartige Maschinen und—genau deshalb bin ich heute hier—eine Vitrine voll mit funkelnden Messern.
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Alles hat seinen Platz und seinen Zweck (außer das Boot an der Decke, wie ich später leider feststellen muss).
„Seit gut dreieinhalb Jahren machen wir mittlerweile Messer, am Anfang haben wir nur im Garten herumprobiert", erzählt mir James Ross-Harris, der zusammen mit Jon Warshawsky und Richard Warner die Blenheim Forge eröffnet hat.Was man eben so macht.
James zeigt mir einen Metallblock aus verschiedenen Stahlschichten—daraus wird später ein Messer im japanischen Design—und versichert mir, dass er nicht komplett bei null angefangen hat.„Ich hatte schon ein paar Jahre lang geschmiedet und mit Metall gearbeitet, aber Jon hat noch in Philosophie promoviert und Rich hat in Australien Löcher gegraben", erklärt er mir und fügt hinzu, dass Richard erst später in die Schmiede eingestiegen ist. „Einmal haben wir uns an einem Messer probiert, das hat ganz gut funktioniert. Beim nächsten Mal war es aber ein absolutes Desaster. Wir versuchten, das erste Erfolgserlebnis zu wiederholen, aber es klappte sechs Monate lang einfach überhaupt nicht."Er meint weiter: „Wenn es beim ersten Mal nicht so gut geklappt hätte, hätten wir wohl einfach hingeschmissen."
Und ging es immer um Messer für Köche?„Ein Schwert oder eine Machete haben wir auch mal gemacht [bei mir stellt sich Stirnrunzeln ein], aber es ging immer um Küchenmesser. Anfangs haben wir uns für die Herstellung und die Entwicklung der Messer am Feedback der Leute orientiert: Wie gut konnte man es halten? Musste es irgendwo dünner oder dicker sein?", meint Jon.
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James fügt noch hinzu: „Bei ein paar der älteren Stücke denkt man sich dann: ,Warum habe ich das so gemacht?' Seit unseren Anfängen hat sich jeder Aspekt verändert: das Design, die Profile, die Balance, die Materialien, das Finish."
Jetzt haben die Jungs jedoch ihre Technik drauf. Sowohl Profi- als auch Hobbyköche lecken sich die Finger nach ihren Messern, man findet sie überall: in den Messerblöcken berühmter TV-Köche, in den Küchen der Sternerestaurants wie dem Fera at Claridge's oder auch im Hill and Szrok, einer Metzgerei Schrägstrich Restaurant in East London.Zeit für eine Führung. Ganz wie Alice bücke ich mich, um durch die kleine Tür, die in eine größere Tür eingelassen ist, in die Werkstatt einzutreten. Überall stehen Schleifmaschinen, um den Holzgriffen den letzten Schliff zu verleihen, an den Wänden hängen Hammer und es liegen Messerrohlinge in verschiedenen Stadien herum. Außerdem entdecke ich zwei Werkzeugkisten: „im Arsch" und „nicht im Arsch".
James zeigt mir, wie man die Klingen am Bandschleifer schärft.„Wir arbeiten mit japanischem Stahl und Schmiedetechniken", erklärt er mir. „Damit bekommt man einfach die besten Messer. Der Stahl, die Materialien und wie wir sie verarbeiten sorgen für eine feinere Klinge. Bevor wir überhaupt ein Messer machen, laminieren wir erst mal den Stahl. Bei dieser japanischen Technik ist es dann nur logisch, dass wir auch ein Messer im japanischen Stil machen."
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Vor dem Finish auf der Bandschleifmaschine werden die Klingen noch auf dem Nassschleifer geschärft, ein großer, sich drehender Stein, der in der ganzen Werkstatt Wasser verteilt—deshalb hängt wohl auch die große Plane an der Wand.„Vor 50 Jahren gab es in Städten wie Sheffield noch unzählige solcher Schleifsteine, heute bekommt man sie nur schwer", meint James. „Also haben wir einfach einen gebaut."
Jon fragt mich, ob ich einen der beiden Schmiedeöfen anzünden möchte. Nervös willige ich ein, nehme mir ein Stabfeuerzeug und will gerade anzünden, da stoppt mich Jon.„Moment, am besten du stehst an der Seite, nicht direkt davor. Ansonsten stehst du beim Anzünden direkt in der Flamme."Der Ofen ist an, meine Augenbrauen noch da. Ich frage James, wie die Jungs bei den Messern mit den Köchen zusammenarbeiten.
„Manche sagen, dass sie demnächst einen Job haben, bei dem sie viel Lachs oder sowas schneiden müssen. Und dann machen wir eine Klinge, die genau dafür geeignet ist", meint er. „Es hilft, bis zu einem gewissen Grad auch Ahnung vom Kochen zu haben. Aber das ist nur das eine, man muss auch wissen, wie ein Koch Lachs schneiden will. Das ist etwas anderes.Jon fügt noch trocken hinzu: „Einige wollen noch eine Aufschrift oder eine Gravur. ,Alles Gute zum Hochzeitstag' und so was. Manchmal auch schlechte Wortwitze."Sind ihre Kunden eher Köche oder doch Fans ausgefallener Messer?James lacht: „Also es gibt viele Frauen mittleren Alters, die ein Geschenk für ihren Mann brauchen. Und es gibt Köche."
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Klingt nachvollziehbar.
Eines interessiert mich noch bevor ich gehe: Fühlen sich die Jungs eigentlich auch für die Messer verantwortlich, nachdem sie die Schmiede verlassen haben?James muss schon wieder lachen: „Ich empfehle den Leuten, die Messer zum Schärfen wieder zu uns zu bringen, nicht nur um ihnen zu helfen, sondern auch, um mir die Klinge anzuschauen und wie sie das Messer behandelt haben.
„Das sind sehr empfindliche Messer, aber wenn man sie pflegt, halten sie ewig. Wenn man sie allerdings in den Geschirrspüler steckt … Meistens achten die Leute schon drauf. Manchmal auch ein bisschen zu viel. Man soll sie ja auch benutzen."
Ich verabschiede mich und die Jungs setzen sich wieder ihre Schutzbrillen und ihren Gehörschutz auf. Das Lodern der Flammen im mittlerweile glühen heißen Schmiedeofen wird immer leiser, während ich mich zurück auf den Weg zum Bahnhof mache. Am Bahnsteig schaue ich mich kurz um und frage mich, ob irgendjemand hier weiß, welch Zauberwerk sich unter den Bahngleisen abspielt.Alle Fotos von Liz Seabrook.