Akvavit und eingelegter Fisch—der dänische Weihnachtswahnsinn
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Weihnachten

Akvavit und eingelegter Fisch—der dänische Weihnachtswahnsinn

Dänen bestreiten das Weihnachtsfestessen meist mit einer gewissen Extravaganz und einem Hang zur Völlerei. Und es wird immer von einer berüchtigten Kombination eingeläutet: eingemachter Hering und 40-prozentiger Akvavit.

Dänen begehen das Weihnachtsfestessen mit einer gewissen Extravaganz und einem Hang zur Völlerei und es wird immer von dieser einen riskanten Kombination eingeläutet: Hering und Akvavit.

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Diese Kombination zählt in Skandinavien zu den Grundnahrungsmitteln, wird aber von Außenstehenden als kulinarisches Verbrechen angesehen. Sie verstehen einfach nicht, wie schön es ist, eingelegten Fisch mit eiskalten Shots runterzuspülen, die dir die gesamte Mundhöhle betäuben. Akvavit—auch als brændevin (auf Deutsch irreführenderweise Branntwein, obwohl Stichflamme bezeichnender wäre)—wird aus Kartoffeln oder Getreide gebrannt und wurde schon vor hunderten von Jahren hergestellt. Ursprünglich war das Getränk für medizinische Zwecke vorgesehen, aber schlaue Apotheker entdeckten bald das größere Marktpotential, als sie bemerkten, dass sich manche Leute einfach nur abschießen wollten. Dänischer Akvavit hat traditionell Kümmelaroma und kann dich—ähnlich wie Quaaludes— in ein inkompetentes und inkohärentes Häufchen Elend verwandeln, wenn du in kurzer Zeit einige Shots runterkippst. In Schweden wird jedes Glas mit einem Lied besungen, in Dänemark wird das Getränk unter immer primitiverem „skål"-Grunzen und -Gröhlen getrunken. Akvavit, sagte einmal ein Freund, kann einen Dänen mit nur einem Glas von einem Gentleman in einen Wikinger verwandeln.

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Die nordische Vorliebe für Hering geht bis auf die Wikinger zurück, als noch „Hering ist guuut!" durch Kopenhagen tönte und die Fischhändler ihren Fang an den Kanälen in der Innenstadt verhökerten. Bei der ursprünglichen Zubereitungsmethode wird der Hering in Fässern getrocknet bevor er filetiert und eingelegt wird: Zuerst wird der Kopf abgeschnitten, dann der ganze Fisch in ein Fass mit Salz geworfen und mindestens sechs Monate drinnen gelassen, damit das Salz und die Enzyme der Innereien den Fisch fermentieren. Man kann die frischen Fischfilets auch einlegen oder mit Gewürzen, Senf oder Kräutern würzen. Egal, wie du ihn zubereitest und servierst, Hering ist immer ein großes Ding.

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Im Restaurant Gammel Mønt in Kopenhagen verwendet der Küchenchef und Besitzer Claus Christensen dänischen Fisch, um einen weiteren Festtagsfavoriten, zuzubereiten: angebratenen, eingelegten Hering. Claus setzt auf Tradition und vermeidet technische Hilfsmittel. „Es geht um klassische Tugenden", sagt Claus. „Das ist es!" Hier werden die Pinzetten dazu verwendet, um Fischgräten rauszuziehen, anstatt mit wilden Kräutern und Blumen herumzufummeln.

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Claus würzt die frischen Heringfilets mit Salz und Pfeffer, taucht sie in Mehl ein und brät sie in der Pfanne mit Butter an, bis der Fisch goldbraun ist. Der Hering wird in einer Marinade aus Lorbeerblättern, Zucker und Pfefferkörnern eingelegt und mit Roggenbrot und krydderfedt serviert, ein würziger Speckaufstrich aus ausgelassenem Schweine- und Entenfett, Thymian und Kriechwacholder. Claus beschreibt seinen Hering als die nordische Antwort auf Sushi. „Es ist Teil unseres Volksverständnisses. Früher war es ein Essen der armen Leute. Als ich ein Kind war, gab es oft Hering mit Petersiliensauce und Kartoffeln. Die übrigen Heringe wurden eingelegt und am nächsten Tag mit hart gekochten Eiern gegessen."

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Der gebratene Hering im Gammel Mønt wird mit frisch eingelegtem Hering, gepökeltem Hering in Tomaten und Madeira-Wein und Hering in einer cremigen Senfsauce serviert. Ich spülte ihn mit Branntwein runter, der in Eiche gereift und mit Anissamen angereichert wird. Jeder Schluck erfüllte meinen gesamten Körper mit Wärme. Der Akvavit ist der perfekte Komplize des Herings—da kann man sagen, was man will. Er neutralisiert den Gaumen, erhebt die Gemüter und beschwört mit nur wenigen Gläsern ein unzähmbares Wikinger-Biest herauf. „Früher tranken die Leute Akvavit, um sich warm zu halten, nicht weil es ihnen schmeckte. Man trank, um betrunken zu werden und sein Leid zu vergessen", sagt Claus.

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Akvavit und Hering sind ein in Ehren gehaltener Teil des dänischen Weihnachtsessens. Und das ist gut so.