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gemüse

Ein Hoch auf Blumenkohl!

Vergiss die Vorstellung, dass Gemüse nur die zweite Geige spielen muss. Lee Westcott vom Londoner Restaurant Typing Room zeigt, wie auch Blumenkohl zum kulinarischen Star des Abends werden kann.
Foto: Liz West via Flickr

Koch Lee Westcott hat mit Unterstützung von Gastro-Mogul Jason Atherton vor Kurzem im Londoner Town Hall Hotel sein großartiges Restaurant Typing Room eröffnet.

Ausgebucht für die nächsten drei Monate und mit einer Reihe von großartigen Kritiken im Rücken, gilt Westcott dank seiner raffinierten und oft auch überraschenden Küche als kulinarischer Pionier. So schrieb auch schon die berüchtigte Gastro-Kritkerin Fay Maschler, seine Gerichte haben „einen Ton von kulinarischer Munterkeit, Lebendigkeit und Angriffsfreude."

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Wir haben uns mit Westcott, der zuvor schon im Per Se, noma und Tom Aitkens Restaurant gearbeitet hat, am Ende eines besonders stressigen Tages getroffen (das Gas im Gebäude hatte gestreikt, weswegen das Sieben-Gänge-Degustationsmenü in der Fertigungsküche serviert werden musste) und mit ihm über eine seiner größten Leidenschaften gesprochen—Gemüse. Und zwar über den guten alten Blumenkohl.

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Blumenkohl in Hefeteig, Rosinen, Kapern und Minze. Foto: Eleanor Morgan.

„Die Leute sind oft überrascht, wenn wir ihnen unser Blumenkohl-Gericht servieren, da sie auf ihrem Teller nicht viel mehr erblicken als eben Blumenkohl. Der große Genuss, den ihnen dieses Gericht dann meistens beschert, kommt in vielen Fällen sehr unerwartet, und manchmal bedarf es auch ein wenig Erklärungsarbeit, bis sie sich mit Gusto auf das Gericht einlassen. Keiner würde denken, dass du so viel Geschmack aus Kohl gewinnen kannst.

Wir servieren den Blumenkohl auf ganz unterschiedliche Weise und mithilfe verschiedener Techniken, um eine breite Texturpalette anbieten zu können. Die Knallerkomponente ist aber auf jeden Fall unser Püree in Hefeteig. Wir kochen die Röschen in schaumig geschlagener brauner Butter und geben frische Backhefe zu. Die Hefe wird dann deaktiviert und zurück bleibt ein süßes, malziges und nussiges Aroma. Es schmeckt wirklich vorzüglich. Ich bin ein großer Fan von malzigem Geschmack. Danach geben wir unsere eingelegten Rosinen zu, um den reichen Geschmack des Blumenkohls zu kontrastieren (ja, auch Blumenkohl, wenn richtig zubereitet, kann ein überraschend reiches Aroma haben). Dann noch ein paar Kapern für eine bittere Note, und zu guter Letzt noch ein bisschen Minze.

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Es gibt keinen speziellen Grund dafür, warum ich den Blumenkohl so auseinandergenommen habe—schließlich benutzen wir jedes noch so kleine Stück von Blumenkohl für unsere Gerichte, auch seine Blätter. Ich liebe Blumenkohl einfach. Als ich vor ein paar Jahren noch im Tom Aitkens als Küchenchef arbeitete, haben wir über den Sommer das Restaurant wegen Umbauarbeiten schließen müssen, weswegen ich für kurze Zeit im noma anheuerte. Zu der Zeit stand ein köstliches Gericht, nämlich Blumenkohl mit Pinienkernen, auf der Speisekarte—ein großes Stück Blumenkohl wurde in viel Butter gebraten und mit Pinienkernen und Molke serviert. Es hat sensationell geschmeckt. Ich finde, es gehört schon Mut dazu, ein Gericht anzubieten, bei dem auf dem Teller fast nichts als Blumenkohl liegt, und den du so—mit Erfolg!—zum kulinarischen Star des Abends machst.

Gemüse ist echt wichtig für mich. Wie so viele andere Köche—schaut euch nur Restaurants wie The Clove Club oder Lyle's an, um zu sehen, wie köstlich rein vegetarische Gerichte schmecken können—begeistert auch mich das Potential von Gemüse. Vor nur zehn Jahren drehte sich bei Köchen alles um Fleisch, während Gemüse nur eine Nebenrolle zukam. Klar wurde ihm auch Beachtung geschenkt, doch neben Rindfleisch spielte es eben nur die zweite Geige. Das hat sich mittlerweile grundlegend geändert. Wenn du dir heute als begabter—und vor allem phantasievoller—Koch einen Namen machen willst, muss es zu deinen Zielen gehören, Gemüse zu einer köstlichen und wunderbaren Entität zu erhöhen, und mit ihm Sachen anzustellen, die deine Gäste von den Socken hauen.

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Neben dem Blumenkohl-Gericht favorisiere ich das Kohlrabi-Erbsen-Gericht, das aktuell auf unserer Speisekarte steht. Wir backen den Kohlrabi in Salz, grillen ihn dann auf Holzkohle und servieren ihn mit süßen Erbsen, Erbsen-Eis, Kohlrüben-Wasser sowie Krabben. Die Krabben sind eine neue Zutat—ich hätte es auch nur bei dem Gemüse belassen, doch ich war gleichzeitig der Meinung, dass dem Gericht ein gewisses Etwas gut tun könnte, um die feinen Aromen besonders gut in Szene zu setzen—aber vor allem die Entscheidung für Kohlrabi—den viele Leute beim Kochen nicht berücksichtigen würden—hat sich für mich persönlich ausgezahlt. Denn daraus ein Gericht zu zaubern, über das die Leute reden, ist für mich eine unglaubliche Genugtuung. Vielleicht machen sich unsere Gäste jetzt mehr Gedanken darüber, was sie selbst alles aus Gemüse rausholen können.

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Kohlrabi, Erbsen und Krabbe. Foto: Eleanor Morgan.

Ein weiteres, äußerst erfolgreiches Gemüseelement auf unserer Speisekarte ist das geräucherte Auberginenpüree, das wir zu Lamm servieren. Ich räuchere echt gerne Sachen—es setzt die besten Aromen frei. Wir werfen die Auberginen im Ganzen auf unseren Indoor-Grill und räuchern sie, bis sie pechschwarz werden und wie Kohlen glühen—dann pürieren wir das Ganze, bis wir eine butterweiche Masse haben, die so aussieht, als hätten wir Tinte hinzugegeben.

Die Einstellung, Gemüse dieselbe kulinarische Bedeutung wie Fleisch beizumessen, ist vielen Jungköchen, denen ich begegnet bin, noch recht fremd. Stattdessen träumen sie davon, ein edles Stück Fleisch perfekt zubereiten zu können—was immer noch das erste Gütezeichen eines talentierten Kochs ist. Aber auch sie werden schon bald verstehen, wie aufregend auch das kulinarische Schaffen mit Gemüse sein kann."

aufgezeichnet von Eleanor Morgan

Oberstes Foto: Liz West | Flickr | CC BY 2.0