So schmeckt Tee für 1.000 Euro
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Tee

So schmeckt Tee für 1.000 Euro

Wie bei den meisten bewusstseinsverändernden Waren wie Wein, Bier oder Weed halte ich mich auch beim Kauf von Kaffee und Tee an meine allgemeine Philosophie: Je teurer, desto besser. Aber wie gut kann ein Tee schmecken, der so teuer ist?

Wie bei den meisten bewusstseinsverändernden Waren wie Wein, Bier oder Weed halte ich mich auch beim Kauf von Kaffee und Tee an meine allgemeine Philosophie: Je teurer, desto besser.

Aus diesem Grund habe ich in letzter Zeit mehr Geld für Tee ausgegeben—genauer gesagt für Matcha-Grüntee-Pulver und verschiedene lose Sorten, die ich nicht richtig aussprechen kann. Das liegt daran, dass Koffein in meinem Körper (das ich ihm immer noch täglich zuführe) bewirkt, dass ich ohne Anstrengungen oder sonstige Ursachen Angstzustände und Herzrasen bekomme. Und ich habe das Gefühl, ich bin nicht der Einzige, der in der Hoffnung auf einen weniger nervösen Kick versucht, auf Tee umzusteigen.

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Vor dem American Tea Room

Deshalb besuchte ich an einem Nachmittag den American Tea Room, wo ich sachte an einer Glasschüssel mit Matcha-Tee und 23-karätigem Blattgold sowie einem Glas En Shi-Gyokuro-Grüntee, der für 1145 Dollar [ca. 1.075 Euro] pro Pfund verkauft wird, nippte.

„Dieser hier hat einen tollen hellen, harzigen Bergduft, fast schon schokoladig", sagte Jordan G. Hardin, der Getränkeleiter des American Tea Room. Irgendwie klingt das für mich genau so, wie ich ein gutes Bier beschreiben würde. Hardin führte mich Schritt für Schritt durch eine Verkostung seines 1000-Dollar-Tees, die damit anfängt, dass man an den getrockneten Blättern riecht. „Teurere Tees enthalten mehr Knospen, wie diese hier", erklärt er mir. Noch eine Eigenschaft, die auf gutes Gras und gute IPAs zutrifft.

Dann schnupperten wir am dämpfenden Tee, der wie ein Glas warme Vollmilch roch. Ich nahm einen ersten Schluck und rief laut: „What the fuck, das ist ja verrückt!" Der Geschmack war so intensiv, dass ich förmlich aus den Schuhen kippte. Der Tee war cremig, schmeckte nach Thymian, aber gleichzeitig auch nach Schokolade. „Dieser Tee soll vom japanischen Sencha-Grüntee inspiriert sein", merkte Hardin an. Dann war es Zeit für den zweiten Aufguss, der ebenfalls eine ganz eigene Offenbarung sein soll.

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Ziehender En Shi-Gyokuro-Tee

Und das war es auch. Dieses Mal schmeckte er anislastiger und ein bisschen nach Estragon. „Dieser Tee wurde kurz nach dem Frühlingsregen in China geerntet und verarbeitet", sagte Hardin.

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Dann nahm ich einen kleinen Schluck vom edlen Matcha mit Blattgold, der für umgerechnet 155 Euro für eine 30-Gramm-Dose verkauft wird. Er stammt aus dem Repertoire einer Familie, die schon seit 400 Jahren in der Nähe von Kyoto Matcha-Tee herstellt. Auch dieser war sanft mit einer steviaartigen, kräuterigen Süße, die in starkem Kontrast zum gewöhnlichen bitteren Geschmack von Matcha, der an üblen Espresso erinnert, stand. Je kälter der Tee wurde, desto süßer schmeckte er.

Die Third-Wave-Coffee-Bewegung ist mitverantwortlich, dass auch Tee im Westen ernster genommen wird.

Dieses vorübergehende, durch Tee herbeigeführte Nirvana schaffte für Hardin Probleme. Scheinbar will Asien seine richtigen, besten Waren nicht mit den Amerikanern teilen, weil sie der Meinung sind, dass die kaffeeschlürfenden Vollidioten nicht wissen, wie man diese erstklassige Ware richtig schätzt. „Qualitativ hochwertige Tees aus China werden nie in die USA geschickt, das ist doch verrückt. Sie sind der Meinung, dass wir keine Ahnung haben. In China bezahlen sie hunderttausende Dollar. Am Ende ist es ihre Kultur."

Photo by Javier Cabral

Matcha-Grüntee mit 23-karätigem Blattgold

Hardin stellte die Theorie auf, dass die Third-Wave-Coffee-Bewegung mitverantwortlich ist, dass auch Tee im Westen ernster genommen wird. „Es gibt so viele dieser Coffee Shops und durch sie gelangen manche in die Welt der Tees und erkunden, was dort passiert." Er hat bereits Neukunden gewonnen, die sich nicht in die lange Schlange vor dem Coffeeshop um die Ecke stellen wollten. „Kaffee ist großartig, ich trinke gerne Kaffee. Aber die geschmackliche Brandbreite ist beschränkt. Bei Tee gibt es viel mehr mögliche Geschmacksvariationen, fünf bis sechs Mal mehr, um genau zu sein."

Hardin fügte hinzu, dass wenn bei einem Konsum von zehn Tassen Kaffee pro Tag jeder empfehlen würde, man solle einen Arzt aufsuchen. „Wenn man aber zehn Tassen Tee pro Tag trinkt, bekommt man wahrscheinlich noch Lob, weil man so gesund lebt", sagte er.

„Die Kultur entwickelt sich. Viele unserer Kunden sing jünger, ich glaube, das wird noch richtig explodieren", sagte er abschließend.

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En Shi Jade Dew nach dem ersten Aufguss

Das kann man nicht leugnen, aber hochwertige Tees werden wahrscheinlich nie so Mainstream werden wie Matcha. Nachdem ich sie probiert habe, kann ich sagen, dass sie das Geld wert sind—wenn man es sich leisten kann.