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chinesische Küche

Meine Szechuan-Gerichte sind so scharf, dass ein Gast die Polizei rief

Jeder hält Schärfe verschieden gut aus. Für mein Restaurant, das Han Dynasty, dachte ich mir einen Schärfe-Index aus, um zu vermeiden, dass Leute Gerichte zurück in die Küche schicken.

Das erste Mal, als ich ein chinesisches Restaurant besuchte, war ich 13. Meine Mutter und ich bestellten uns ein paar Gerichte und was uns serviert wurde, war eine Frechheit. Ich hatte noch nie solches Essen gesehen und sagte zu ihr: „Das ist kein chinesisches Essen. Das ist beschissenes amerikanisiertes chinesisches Essen."

Dann brachten sie uns am Ende Glückskekse an den Tisch und ich sagte: „Was zur Hölle ist das denn?" Damals konnte ich noch nicht einmal Englisch.

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VIDEO: Chef's Night Out mit Han von der Han Dynasty

Ich bin in Taipei geboren und aufgewachsen. Meine Eltern sind Hochschulabsolventen und Flüchtlinge des Zweiten Weltkriegs, ich wiederum wurde von der Uni geschmissen. Ich frage mich, Wenn sie es geschafft haben, wieso schaffe ich es nicht? Ich hatte das Gefühl, sie zu enttäuschen und keine Zukunft zu haben. Meine Mutter arbeitet als Mentorin und sie und mein Vater brachten das Geld auf, damit ich ein Unternehmen gründen konnte. Ich hatte das Gefühl, ich hätte keine nützlichen Fähigkeiten, aber ich beschloss, ein chinesisches Restaurant zu eröffnen, weil man dazu recht wenig Geld braucht. Damals hatte ich überhaupt keine Restaurant-Erfahrung und wusste nicht, was auch mich zukommen würde. Nachdem sie 40 Jahre lang hart für eine anständige Rente gearbeitet hatten, waren meine Eltern bereit, mir das Geld zu geben, damit ich in irgendetwas erfolgreich sein konnte. Scheitern war also keine Option.

Mein Vater wuchs in der Provinz Szechuan auf, also gab es in meiner Kindheit zwangsläufig das Essen dieser Region. Schon als kleines Kind wurde ich süchtig danach.

Jeder hält Schärfe verschieden gut aus. Eine ältere Frau versuchte einmal, die Polizei zu rufen, weil sie glaubte, ich verarsche sie, weil das Gericht so scharf war.

Damals in Philadelphia, als ich darüber nachdachte, ein Restaurant zu eröffnen, war die Qualität der bestehenden chinesischen Restaurants ziemlich schlecht und es gab nur sehr wenige. In einem miesen chinesischen Restaurant mit beschissenem Service sind die Kellner so unglücklich. Sie schleppen sich vom einen zum anderen Tisch bis sie draufgehen. Ich habe ein System entwickelt, das für mich funktioniert: Ich richte meine Aufmerksamkeit auf das Erlebnis für den Gast. Das ist das Wichtigste: Es reicht nicht, wenn nur das Essen gut schmeckt. Der Service muss auch gut sein.

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REZEPT: Han Dynastys Chili-Chicken Wings

Als ich mein Restaurant, das Han Dynasty, eröffnete, war mein Koch ein ziemliches Arschloch, der sich mit mir anlegen wollte. Also lernte ich das Kochen, damit ich ihn feuern konnte. Ich ging nach Chengdu, die Hauptstadt der Szechuan-Provinz, und besuchte dort die Gastronomieschule. Mein Lehrer sagte zu mir, die Szechuan-Küche wäre so scharf und geschmacksintensiv und deshalb nicht jedermanns Sache.

Jeder hält Schärfe verschieden gut aus. Als ich mein erstes Restaurant eröffnete, bekam ich sehr viele Beschwerden wegen der Schärfe der Gerichte. Eine ältere Frau versuchte einmal, die Polizei zu rufen, weil sie glaubte, ich verarsche sie, weil das Gericht so scharf war.

Also zerbrach ich mir den Kopf: Was kann ich tun, um dieses Problem zu lösen? Als chinesisches Restaurant in Amerika schicken sehr viele Leute Gerichte zurück in die Küche. Das ist in unserer Kultur die höchste aller Beleidigungen. Das gibt es in China nicht. Wenn dir ein Gericht nicht so gut schmeckt, dann isst du es einfach nicht und gehst eben das nächste Mal in ein anderes Restaurant. In China würde man dich in einer kleinen Seitenstraße versohlen, wenn du ein Gericht zurückschickst.

Das wollte ich vermeiden, also dachte ich mir eine Schärfe-Skala von eins bis zehn aus, damit die Leute es besser verstehen und einschätzen können. Wir schlagen unseren Gästen immer vor, dass sie eine Schärfe-Stufe niedriger bestellen, um sicherzugehen, dass sie das Essen nicht zurückschicken. Das Gericht der alten Dame, die die Polizei rief, lag auf unserer Skala ungefähr in der Mitte, etwa eine fünf. Sie sagte: „Ja, ich mag's ein bisschen scharf", aber sie meinte wohl ein bisschen Pfeffer auf ihrem Kartoffelpüree. Ein Gericht mit Schärfegrad 10, also das schärfste auf unserer Karte, enthält drei verschiedene Chilisorten und zwei verschiedene scharfe Saucen.

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Für unsere schärferen Gerichten verwenden wir Thai-Chilis. Die sind nur für den Geschmack und nicht zum Verzehr gedacht. Viele Leute essen sie aber und beschweren sich dann, dass ihr Gericht zu scharf war. Dann sag ich zu ihnen: „Das sind die Chilis, Mann. Iss die nicht!" Die Stäbchen sind dazu da, dass du dir das rauspicken kannst, was du essen willst. Die Chilis bleiben auf dem Teller.

Neben den Thai-Chilis würzen wir unsere Gerichte auch mit Szechuan-Pfeffer und Sternanis für ein komplexeres Geschmacksprofil. Wir stellen unser eigenes Chiliöl her. Dafür rösten wir die Chilis, so haben sie einen volleren Geschmack. Dann mahlen wir sie zu Pulver, geben es in einen großen Topf und kochen es mit sehr heißem, frischem und sauberem pflanzlichen Öl. Wenn das Öl 190°C bis 200°C erreicht hat, kippen wir es in einen Behälter mit noch mehr gerösteten Chilis und lassen es auf Zimmertemperatur abkühlen. Das war's—manchmal gebe ich noch ein paar Frühlingszwiebeln dazu.

Die Dan Dan-Nudeln sind eines unserer meistbestellten Gerichte. Ich mache sie süßer, als man sie traditionell zubereiten würde und unseren Kunden schmeckt es. In China gibt es unzählige Straßenverkäufer, die einem Dan dan mien anbieten. Es ist ein sehr einfaches Gericht, das hauptsächlich aus Schweinefleisch, Sesampaste und Sojasauce besteht.

Ma Po war der Spitzname der Frau, die diesen Gericht erfunden hat. Sie war eine alte Dame mit Pockennarben im Gesicht. Ihr Name ist in die Geschichte eingegangen und wird für immer weiterleben. Ich habe den größten Respekt für sie.

Ignoranz geht mir auf die Eier. Als ich mein erstes Restaurant eröffnete, war unsere Karte fünf Seiten lang und wir boten mehr als 500 Gerichte an. Wir hatten sehr viele exotische Dinge: Schweineinnereien, Kutteln, Kaninchen und Frosch. Einige der Kunden waren davon angeekelt und sagten: „Oh Gott, ihr esst Kaninchen?" oder „Woah, ihr esst Innereien?" Diese Kommentare zeugen einfach von solcher Ignoranz—das nervt mich dermaßen. Ja, wir essen diese Dinge in China seit mehr als 5.000 Jahren, weil es in China in der Geschichte immer schon Kriege und Naturkatastrophen gab, und folglich Hungersnöte. Wenn die Leute Hunger haben, essen sie alles, was ihnen in die Finger kommt. Ich wünsche mir, dass die Leute nicht mehr auf andere herabschauen, nur weil sie diese Dinge essen. Es gibt nämlich einen Grund dafür. Und obwohl die Zeiten besser geworden sind, mögen wir diese Gerichte immer noch, weil wir sie perfektioniert haben und sie uns an härtere Zeiten erinnern. Wir schätzen sie und machen das Beste daraus, weil sie ein wichtiger Bestandteil unserer Kultur geworden sind.