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Politiker

Wie die amerikanische Rechte mit Gratis-Alkohol die Wahl beeinflussen will

Eigentlich hat die Idee schon eine lange, traurige Tradition.

Die letzten Monate im amerikanischen Wahlkampf waren hart, schamloser Patriotismus und Hass zwischen den Parteien und ihren Anhängern. Viele Hände wurden geschüttelt und Babys geknutscht. Doch heute ist alles vorbei.

Und die Stimmung könnte nicht brisanter sein. Denn gleichzeitig kursieren Geschichten über die absurden und hinterhältigen Mittel, mit denen Parteianhänger versuchen, die Wahl zugunsten ihres bevorzugten Kandidaten zu beeinflussen. Wie Politico berichtet, wollen einige weiße Nationalisten und Neonazis ernsthaft Schwarze mit Malt Liquor, einem höherprozentigen amerikanischen Bier, und Marihuana vom Wählen abhalten. Am Wahltag verteilen sie—ihre Worte— in den „Ghettos" sogenannte „40s" [die Flaschen fassen üblicherweise 40 Flüssigunzen] und Gras.

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Mit solchen Aktionen will die Alt Right-Bewegung, die gegen eine, wie sie von Trump genannt wird, „manipulierte Wahl" kämpfen. Trump hat seine Anhänger dazu aufgerufen, die Wahllokale zu beobachten und immer wieder vor Wahlbetrug gewarnt. Richtige Beweise für diese Anschuldigungen hatte er nicht.

Andrew Anglin, ein berüchtigter Neonazi und Gründer der Website The Daily Stormer, will nun dafür sorgen, dass es bei den Wahlen auch mit rechten Dingen zugeht. Dazu kommen Vertreter von The Right Stuff, einer anderen beliebten Alt-Right-Website. Sie wollen, dass sich die Wähler so zulöten, dass sie gar nicht zur Wahl gehen.

Ein Vertreter von The Right Stuff meinte: „Wir haben ein paar Teams, die mit 40s und Gras durch die Ghettos von Philly ziehen und gratis an die Einwohner verteilen. Dadurch bleiben wahrscheinlich mehr von ihnen zu Hause."

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Wahlbeeinflussung mit Alkohol oder Essen ist definitiv nichts Neues. Man buhlt entweder um die Stimmen der Wähler, weil man denkt, dass die Leute alles für ein bisschen Fusel tun. Oder man versucht so die Stimmabgabe vereiteln, weil die Wähler sich zu stark besaufen, als dass sie noch wählen gehen können.

In Amerika geht diese „Tradition" sogar bis zu den Gründervätern zurück: Zu der Zeit war es Gang und Gebe, den wahlberechtigten Grundbesitzer, „bumbo" zum Saufen zu geben, eine Art Rum. Heute versucht man Minderheiten mit Malt Liquor abzufüllen, die Idee ist die gleiche.

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Speis und Trank mit den Wählern einzunehmen—und vor allem für alles zu bezahlen—galt damals als cool. Klar, es war selbst damals illegal, Wählern im Tausch gegen Stimmen etwas zu schenken, aber eine Runde Freibier in der Kneipe für die hundert engsten Freunde war vollkommen in Ordnung. Sie war sogar Pflicht.

Das musste George Washington auf die harte Tour lernen, als er 1755 für das Bürgerhaus in Virginia kandidierte. Er beschwerte sich, dass das Volk in Virginia „ständig betrunken" war und wollte keine Wahlkampfveranstaltungen in den Tavernen machen. Er entschied sich für den ehrenhaften Weg—und verlor die Wahl haushoch. Wie Daniel Okrent in seinem Buch Last Call: The Rise and Fall of Prohibition schreibt, hat Washington daraus gelernt und bei seiner nächsten Wahl drei Jahre später die Massen mit Alkohol versorgt. Für jede Stimme gab es fast zwei Liter Alkohol, insgesamt 190 Liter Punsch mit Rum, 175 Liter Bier, 105 Liter Rum und fast 130 Liter Wein. Und es hat geklappt.

Ähnlich erging es James Madison. 1777 verlor er bei einer Wahl, weil er den „manipulativen Einfluss von Schnaps und anderen Genussmitteln" nicht nutzte. Und nicht nur mit Alkohol ließen sich die Wahlen beeinflussen. Vor den Kommunalwahlen 1876 haben die Republikaner ein Barbecue für die Einwohner Brooklyns veranstaltet: Gegrillt wurden zwei Ochsen, daraus wurden Sandwiches für 50.000 Leute. Die New York Times bezeichnete es damals als eine der schönsten Veranstaltungen im Viertel. Die Demokraten legten 1870 einen Ochsen, ein Schaf, ein Kalb und ein Schwein auf den Grill, allerdings kamen zu viele Menschen, sodass einige sauer und hungrig nach Hause gingen.

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Seit 1948 ist die Wählerbestechung, egal ob mit Essen, Alkohol oder anderen Dingen, in Amerika illegal. Das durfte auch eine Pub-Kette, die Capitol City Brewing Company, feststellen, als sie vor ein paar Jahren jedem Freibier versprach, der einen einen Sticker mit der Aufschrift „I Voted" hatte.Das lag am United States Code, der amtlichen Sammlung der Bundesgesetze:Wer jemanden im Gegenzug für die Wahl oder auch die Stimmenthaltung eine Entschädigung verspricht, dem drohen bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe und/oder eine Geldstrafe. Gleiches gilt, wenn man jemanden dazu besticht, einen bestimmten Kandidaten zu wählen oder eben nicht zu wählen oder wenn man eine solche Gegenleistung einfordert oder akzeptiert.

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Es ist also verboten, im Gegenzug für eine Stimme, Essen oder Alkohol zu verteilen. Aber wenn man Essen oder Getränke an die allgemeine Öffentlichkeit, also nicht nur an die Wähler, verteilt, kann man dem Problem etwas entkommen. Das mussten auch Ben & Jerry's 2008 lernen: Zuerst haben sie Wählern gratis Eis versprochen, korrigierten sich aber schnell und boten allen kostenloses Eis an.

Und wenn das FBI von Wählerbestechung mit Essen oder Alkohol erfährt, wird durchgegriffen. 2012 wollte der republikanische Abgeordnete Hudson Hallum seinen Wählern Wodka schenken, weil gehört hatte, „dass das jeder so machen würde." Außerdem bot er ihnen Essen und Geld im Gegenzug für ihre Stimmen und manipulierte die Briefwahlen. Zusammen mit neun anderen bekennt er sich jetzt der Anklage des Wahlbetrugs schuldig.

Gesetzlich ist also der Austausch verboten: Gefälligkeit gegen Stimme. Die Alt-Right-Bewegung hat es darauf abgesehen, Wähler von der Stimmanbgabe abzuhalten, indem sie sie völlig betrunken machen. Früher gab es mal ein Verkaufsverbot für Alkohol am Wahltag, aber 2014 hat auch der letzte Staat, South Carolina, sich von diesem Gesetz verabschiedet.

Bleibt nur die Hoffnung, dass die ganze Idee, basierend auf der rassistischen Vorstellung, dass Minderheiten so sehr Fusel und Gras verfallen, dass sie ihre Bürgerrechte nicht mehr wahrnehmen, eigentlich nur ein Trick für mehr Publicity ist.

Auf jeden Fall wird die Menschheit auch in den nächsten Jahren weiter versuchen, Wahlen mit Essen oder Alkohol zu beeinflussen.