Die Kartoffelchips des Ozeans: So isst du Austern, ohne ein Idiot zu sein

FYI.

This story is over 5 years old.

Austern

Die Kartoffelchips des Ozeans: So isst du Austern, ohne ein Idiot zu sein

Hier erfährst du alles über Austern, was du wissen musst. Und warum alle so verrückt danach sind.
smoked-oysters-on-backround-rotated

Ich bin in Vermont aufgewachsen, mit elf, das war in den frühen 80ern, zog ich mit meiner Familie dann nach Florida. Wir haben Familienausflüge nach New Smyrna Beach gemacht, wo es viele von diesen billigen Restaurants mit eigenen Fisch- und Meeresfrüchtebar gab. Und wie das eben so in Florida während der Happy Hour ist, haben diese Buden versucht, die Kunden mit gratis Essen ins zu locken: Es gab also Austern-Happy-Hour.

Anzeige

Nach einem Tag am Strand gingen wir dann in Stormy's Austernbar und mein Vater bestellte einen Haufen Austern. Ich war der Älteste von uns und total neugierig auf Austern. Mein Vater meinte, soll doch mal eines dieser gruseligen Dinger probieren. Die erste isst man, um es anderen zu beweisen. Die zweite ging dann schon leichter runter als die erste und die dritte hat sogar Spaß gemacht. Ich fand's richtig gut.

Das war noch eine Zeit, wo es nicht irgendwelche speziellen Sorten auf den Karten gab, gerade im Süden. Das waren die billigsten Austern, meistens aus dem Golf von Mexiko, die sie in Apalachicola in Florida oder in Louisiana einkaufen konnten. Wir haben ordentlich Cocktailsauce drübergegeben.

shuck-this-oysters-5

Der beste Einstieg ins Austernessen sind die von der Westküste: Kusshi-Austern, mittlerweile auch Shigoku-Austern und andere wie die Blue Pool und die Chelsea Gem. Klein, mit glatter Schale und ganz eigenem Fleisch. Die werden in speziellen Körben gezüchtet, die sich mit den Gezeiten auf und ab bewegen, sodass die Austern quasi gut „durchgeschleudert" werden. Dadurchwird das Fleisch ein bisschen fester, die Kiemen nicht so riesig wie bei anderen Arten. Diese Austern sind eher wie ein kleines Stück Fleisch, weniger eine Meereskreatur, schön süß und hübsch. Wer richtig auf den Salzgeschmack abfährt, sollte eine Beausoleil oder eine La St. Simon aus New Brunswick probieren. Die Zucht dauert länger, aber der Trend scheint mittlerweile in Richtung kleinerer Austern zu gehen. Viele kleinere Züchter an der Ostküste ernten sie, wenn sie noch klein und sehr salzig sind. Damit sind sie auch einfach zu essen.

Anzeige

Für mich muss eine Auster wie der Ozean schmecken, wie ein Ozean-Brühwürfel.

Zuerst versuche die Auster visuell zu schmecken, auf die japanische Art. Ich gucke mir die Auster in der Schale an und weiß sofort, ob sie gut oder schlecht ist. Das ist das Wichtigste: Eine Auster sollte nicht durchsichtig und nicht grau sein. Das Fleisch sollte die Schale ausfüllen. Ich bekomme immer wieder Austern—in den einfachen, billigen Austernbars, aber auch in vielen High-End-Restaurants—, die komplett transparent sind oder wo das Fleisch eben nicht die Schale ausfüllt oder haufenweise Wasser drin rumschwimmt. Wenn das der Fall ist, weiß man sofort, dass das kein Highlight wird, weil einfach nix drin ist. Ist das Fleisch allerdings elfenbeinfarben und nicht transparent, hat die Auster gut gegessen und enthält viel Stärke, Zucker und Eiweiß. In der Nebensaison bekommen Austern einfach nicht genug Nährstoffe und sind dann meist total verwässert.

beautiful-smoked-oysters-munchies-revised

Schau dir deine Auster also genau an, jedes Detail. Dann kau ordentlich drauf rum, ansonsten wirst du nichts schmecken und du versuchst nur, cool zu wirken. Beim Kauen spürst und schmeckst du auch die einzelnen Teile der Auster viel besser: In der Mitte ist dieser riesige Muskel, der in Geschmack und Konsistenz einer Jakobsmuschel ähnelt. Dann kommt der Bauch, der beim Reinbeißen leicht aufplatzt und so eine salzige Flüssigkeit abgibt. Bei den Kiemen wird die Konsistenz noch mal interessanter. Durch das Kauen vermischen sich dann all diese Aromen zu einer süßen, umami Explosion. Für mich muss eine Auster wie der Ozean schmecken, wie ein Ozean-Brühwürfel. In meinem ersten Buch habe ich mich ein bisschen idiotisch ausgedrückt, als ich meinte, dass man niemals den Saft ausgießen sollte—damit bin ich ein bisschen zu weit gegangen, weil die Leute das wörtlich genommen haben. Manchmal schwimmt in der Auster noch massig Meerwasser, was ich nicht komplett trinken will, weil das einfach zu viel Salz ist. Dann gieße ich etwas von dem Saft ab, weil man ja nur einen kleinen Schuss Ozean schmecken will.

Anzeige

Den Saft sollte man auch nicht unterschätzen. Das ist der salzigste Teil. Bei kleineren Austern ist es dann oft so, dass die extrem salzig schmecken und gar nicht so viel Zucker und Eiweiß da ist, wie bei fleischigeren, die diesen Geschmack ausbalancieren könnten. Ich liebe diesen Salzgeschmack, aber es muss dieses Gleichgewicht mit dem Zucker, den Kohlenhydraten geben, so wie bei guten Kartoffelchips.

Wenn man eine schlechte Auster aufmacht, merkt das sofort jeder, da gibt es kein Entkommen, alle werden sofort flüchten. Ich verstehe nicht, wie jemand sowas essen könnte.

Um Lebensmittelvergiftungen zu vermeiden, rieche ich an jeder Auster. Wenn man eine schlechte aufmacht, merkt das sofort jeder, da gibt es kein Entkommen, alle werden sofort flüchten. Ich verstehe nicht, wie jemand sowas essen könnte. Austern müssen frisch und lebendig sein. Also: Immer vorher an der Auster riechen.

oyster-war-shells

Dann ist da noch die Schale, das Wichtigste bei der ganzen Sache. Austernschalen haben eine wunderschöne Form, Oberfläche und Farbe und irgendwie riechen sie auch ganz eigen, so wie nasse Felsen nach der Flut. Wenn du die Austern verputzt, kannst du dir aus den Schalen ein schönes Muster auf dem Teller bauen und am Ende hast du noch ein Kunstwerk erschaffen.

Wenn ich zu Hause Austern esse, schmeiße ich da Schalen immer in unsere Einfahrt, irgendwann werden die dann wie Kies. Im Winter, wenn das Wetter perfekt ist, esse ich viel mehr Austern. Die R-Regel braucht man nicht mehr, das kommt noch aus der Zeit vor der professionellen Zucht, wo Austern noch wild geerntet wurden. Heutzutage kann man sie das ganze Jahr essen, die meisten schmecken aber zwischen Ende November und Mitte Februar am besten. Da sind sie einfach fantastisch, wie Magie.

Aufgezeichnet von Helen Hollyman

Rowan Jacobsen is der Autor von THE ESSENTIAL OYSTER: A Salty Appreciation of Taste and Temptation, das im Oktober bei Bloomsbury erscheint.