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New York

Dieser New Yorker Koch adoptierte ein Lamm, anstatt es zu kochen

Sandy Dee Hall und sein Lamm, das er überall hin mitnahm, schmückten die letzten Wochen die New Yorker Zeitungen und Instagram-Accounts. Jetzt muss er seinen geliebten Smokey abgeben. Wir haben ihn gefragt, was hinter all dem steckt.
Hilary Pollack
Los Angeles, US
Alle Fotos: Candy Kennedy

Als Sandy Dee Hall – der Koch und Miteigentümer von Black Tree in New York City – Smokey das erste Mal traf, war er nur ein paar Tage alt und wog gerade mal gut zwei Kilo. Smokey, müsst ihr wissen, ist ein Lamm, das auf der Violet Hill Farm in West Winfield, New York, geboren, aber kurz nach der Geburt von seiner Mutter verstoßen wurde. Sandy wurde auf die missliche Lage des armen kleinen Lamms aufmerksam und adoptierte es kurz darauf, um ihm ein neues Leben in der Großstadt zu schenken.

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All photos by Candy Kennedy

Sandy und seine Freundin, Maxine Cher, wurden bald beobachtet, wie sie ihr Lamm mitnahmen, wenn sie zum Beispiel zum Brunch im Five Leaves in Brooklyn gingen oder durch die Straßen der Lower East Side schlenderten. In den letzten Wochen ist Smokey zu einer Art Berühmtheit geworden und schmückte Tageszeitungen, New Yorker Blogs und zahlreiche Instagram-Accounts.

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Aber bald sind die beiden mit den ersten Problemen konfrontiert. Obwohl er momentan immer noch ein kleiner Lümmel ist, kann Smokey später einmal bis zu 90 kg wiegen und Schafe lassen sich nicht besonders gut ans Töpfchen gewöhnen – besonders in einer Wohnung. Außerdem ist es in New York illegal, Schafe als Haustiere zu halten und die Polizei hat Sandy und Maxine immer wieder daran erinnert. Dieses Wochenende muss Sandy Smokey abgeben – glücklicherweise an ein neues Zuhause, wo er immer noch ein glückliches, häusliches Leben führen kann, ohne jeden Tag die Schlachtung fürchten zu müssen.

Wir fragten Sandy, was er von Smokey gelernt hat, warum New Yorker beim Anblick der normalsten Bauernhoftiere erstaunt sind und ob er jemals wieder Lamm essen kann.

MUNCHIES: Hallo, Sandy. Wir haben die Geschichte von Smokey, dem Lamm, gespannt verfolgt. Es zerbricht uns das Herz, dass du ihn abgeben musst.
Sandy Dee Hall: Ja, Lämmer sind in New York illegal. Man darf hier nur um die 25 verschiedene Tiere als Haustiere halten. Sogar Leguane sind verboten, das ist schon verrückt.

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Glaubst du, die Behörden wüssten überhaupt, dass du ein Lamm hast, wenn die Medien nicht Wind von euch bekommen hätten?
Wahrscheinlich nicht. Sie haben uns bis jetzt keine wirklichen Probleme gemacht. Sie haben uns nur angerufen und gesagt, „Sie müssen dieses Lamm aus der Stadt schaffen". Der Typ sagte sogar: „Sie tun Gutes, aber es ist eben illegal."

Haben sie dir eine Frist gegeben, in der du ihn loswerden musst?
Ich werde ihn dieses Woche zu einem Freund bringen, es ist also nicht so schlimm. Dann werden wir ein dauerhaftes Zuhause für ihn suchen.

Er muss dir ganz schön ans Herz gewachsen sein.
Wir haben ihn schon seit er vier Tage alt ist. Wir haben ihn mit einem Fläschchen gefüttert, es ist also ein bisschen eine intimere Beziehung, als beispielsweise mit einem Hund. Einem Hund stellt man einfach das Fressen hin. Smokey muss man überall mit hinnehmen, er ist immer noch wie ein kleines Baby. Einen Hund bekommt man erst, wenn er schon sechs oder acht Wochen alt ist, weil Welpen zuerst abgesetzt werden müssen. Wir haben im Grunde den Absetzprozess übernommen.

Hast du Angst, dass er ein Trauma erleidet?
Nein, eigentlich nicht. Ich habe mit meinen Bauern gesprochen und sie sagten, wenn wir gehen, und er anfängt zu jammern, vermisst er nicht uns, sondern nur den sozialen Aspekt. Er möchte einfach nur Gesellschaft. Deshalb denke ich, er wird es schon überstehen. Ich hoffe es zumindest. Es ist besser so, er ist bereit für den Bauernhof. Momentan liegt er nur im Heu und frisst es.

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Gab es auch irgendwelche logistischen Probleme, ihn in einer Wohnung großzuziehen?
Momentan geht es noch – er wiegt nur um die 10 kg –, aber er ist schon recht groß und wird noch größer. Wenn er einmal über 20 kg wiegt, dann wird es problematisch. Als wir ihn bekommen haben, wog er ein bisschen mehr als ein Kilo. Ein neugeborenes Lamm besteht nur aus Haut und Knochen.

Ich habe gelesen, dass du Lammfleisch von der Karte des Black Tree gestrichen hast, nachdem du einige Zeit mit Smokey verbracht hast.
In den USA werden Lämmer immer „Lämmer" genannt, egal wie groß sie sind. Ich habe generell große Schwierigkeiten damit, Babytiere zu essen – egal, welcher Art. Aber meine Lämmer sind genau genommen gar keine Lämmer mehr.

Ich glaube, es geht mehr um die Verbindung zu seinem Essen. Zu wissen, wo das Essen herkommt, ist sehr wichtig. Ich weiß das von allen Produkten, die ich in meinem Restaurant verwende. Ich weiß, wie gut die Tiere behandelt werden und dass ihnen Liebe geschenkt wird. Wenn man etwas liebt, aber man es zum Essen braucht, passiert es eben manchmal trotzdem. Ich kenne Familien in Vermont, die Tiere für den Eigenverbrauch züchten und dann essen. Die haben jahrelang ein Rind im Garten und es hat einen Namen und alles, aber trotzdem töten sie es. Nur so überleben sie.

Ich habe mich in Smokey verliebt. Ich würde sowieso niemals ein Lamm essen, alle meine „Lämmer" sind ausgewachsene Schafe. Ich habe noch keine endgültige Entscheidung getroffen. Während Smokey noch hier ist, kommt in meinem Restaurant jedenfalls kein Lamm auf den Teller. Das ist eigentlich schon seit einer Weile so.

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Du hast bestimmt ein paar eigenartige Reaktionen erlebt, wenn du mit Smokey in New York unterwegs warst. Die einzigen Tiere, die die Leute dort kennen, sind Hunde, Tauben und Ratten.
Ja, die Leute finden es sogar komisch, wenn sie eine Katze sehen. Es gibt diesen Typen, der seine Katze an einer Leine in SoHo ausführt, das finde ich sehr seltsam.

Hattest du das Gefühl, dass du den Leuten etwas beibringen konntest, wenn sie Smokey trafen und mit dir über ihn redeten?
Ja, ich denke schon. Die meisten Unterhaltungen waren dafür aber nicht lange genug. Aber ich glaube, das sollte Teil der schulischen Bildung sein. Die Leute könnten bewusstere und bessere Entscheidungen über ihr Essen treffen – zum Beispiel wenn Kinder in der Schule etwas über Kühe oder Lämmer lernen würden. Dann können sie immer noch entscheiden, ob sie diese Tiere essen wollen oder wo sie sie kaufen möchten. Möchtest du Fleisch von einem Tier kaufen, dass ein kümmerliches Leben hatte und in irgendeinem Schlachthof elendig krepiert ist? Oder möchtest du es lieber von einer Familie kaufen, die es zwar auch für den Verzehr gezüchtet hat, die es aber als einen Teil der Familie behandelt hat, während es am Leben war?

Das ist ein wichtiges Thema, über das man sich in der Öffentlichkeit mehr unterhalten sollte. Die Leute glauben, sie haben es schon lange verstanden, haben sie aber nicht.

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Was wirst du am Smokey am meisten vermissen?
Weiß du, was das Beste an Smokey ist? Dass Leute, die ihn getroffen hatten, mir eine E-Mail schrieben und sagten: „Danke. Ich hatte einen ziemlich miesen Tag und dein Lamm hat mich fröhlich gemacht." Er hat Leute glücklich gemacht, einfach nur, weil er ein kleines süßes Lamm ist.

Schade, dass ich keine Zeit mit ihm verbringen konnte. Vielen Dank fürs Gespräch.