A Visual Guide to: Chemische Substanzen in unserem Essen
The ingredients in a bag of Cool Ranch Doritos. All photographs by Dwight Eschliman, from 'Ingredients: A Visual Exploration of 75 Additives & 25 Food Products (Regan Arts, September 2015

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Buch

A Visual Guide to: Chemische Substanzen in unserem Essen

Wir haben uns mit Dwight Eschliman unterhalten, dem Fotografen hinter einem neuen Buch, das als anschauliche Hilfestellung zu den Pülverchen, aus denen unser industriell verarbeitetes Essen besteht, und als Nachschlagewerk für die vielen Verwendungen...

Jeden Tag wird unser Misstrauen gegenüber Lebensmittelzusätzen und mehrsilbigen Zutaten durch effekthascherische Schlagzeilen und Blogposts von selbst ernannten Spezialisten wie The Food Babe verstärkt. In deinen Subway-Sandwiches sind Yogamatten drin! Dein Gingerbread Latte wird mit Carrageen und Karamellfarbe und wahrscheinlich auch noch nicht Biberdrüsen gemacht!

Sogar der amerikanische Food-Philosoph und Oberpriester der Vollwerternährung Michael Pollan schürte diese Angst mit seiner bekannten Aussage: „Iss nichts mit mehr als fünf Zutaten oder Zutaten, die du nicht aussprechen kannst." Das kann man ihm kaum übel nehmen. Denn die Ernährung der Menschen im Westen ist zunehmend von Zusätzen durchsät, bei denen man den Eindruck hat, man braucht einen Abschluss in organischer Chemie, um sie zu entziffern.

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Die Zutaten einer Tüte Cool Ranch Doritos. Alle Fotos von Dwight Eschliman aus dem Buch ‚Ingredients: A Visual Exploration of 75 Additives & 25 Food Products (Regan Arts, September 2015)'

Wissenschaftliche Fachzeitschriften sind für den neugierigen Konsumenten auf jeden Fall eine Hilfestellung, aber es gibt nur wenige Quellen, an denen sich alle für den Laien relevanten Informationen gesammelt befinden. Der Fotograf Dwight Eschliman und der Autor Steve Ettlinger haben ein Buch mit dem Titel INGREDIENTS: A Visual Exploration of 75 Additives & 25 Food Products zusammengestellt, das diese Aufgabe übernehmen soll. Das bei Regal Arts veröffentlichte Werk soll als anschaulicher Guide zu den Pulvern, Sirupen und Extrakten, aus denen unser industriell verarbeitetes Essen besteht, sowie als Nachschlagewerk für die Verwendung (und den Missbrauch) dieser Zutaten dienen.

Ich rief Eshliman an, um mit ihm darüber zu diskutieren, ob wir Zusätze wie Acesulfam-K mit einem kritischen Auge betrachten sollten und warum es so verdammt schwierig ist, ein so allgegenwärtiges Produkt wie Maissirup in die Hände zu bekommen.

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Mono- und Diglyceride.

MUNCHIES: Hallo, Dwight. Was hat dir den Anstoß zu diesem Buch gegeben?
Dwight Eschliman: Das Interesse kam anfangs mehr aus einer visuellen Perspektive. Ich hatte ein Gespür für die Abstraktion, die entstehen würde, wenn man etwas auseinandernimmt. Ich habe in meiner eigenen Küche schon mal Pancakes gemacht und realisiert, dass Zutaten einfach nur Zutaten sind und äußerlich nichts mit dem Endprodukt zu tun haben.

Ich hatte ein Shooting für das New York Times Magazine. Der Autor, mit dem ich zusammenarbeitete, war ein Koch und ein Freund von mir und irgendwie kam unser Gespräch auf das, was wir unseren Körpern zuführen. Er macht sich gerne über mich lustig, weil ich ein „Texas-Vegetarier" bin, wie ich es nenne. Das heißt, ich esse Fisch und Hähnchen. Aufgewachsen bin ich aber mit einer vegetarischen Ernährung. Er hingegen ist ein absoluter Omnivore und das spielt eine wichtige Rolle bei dem Essen, das er kocht. Er stellte mir folgende Frage: „In deiner Arbeit zerlegst du oft Dinge in ihre Einzelteile – hast du schon mal darüber nachgedacht, das mit Essen zu machen?"

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So kam es, dass ich mich mit den Zutaten der Backwaren der Firma Hostess beschäftigte. Das war meine erste Einführung in die Welt der Lebensmittelherstellung mit weißen Pulvern und klaren Flüssigkeiten. Ich machte ein kleines Buch daraus, das ich im Selbstverlag herausbrachte und an ein paar Leute schickte. Es gelangte ins Internet und fing Feuer. Und somit landete auch der Auftrag für das Buch quasi auf meinem Schoß.

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Die Zutaten einer Dose Campbell's Chicken Noodle Soup.

Dann trat Steve Ettlinger mit mir in Kontakt. Er hatte von meinem Projekt gehört und mir wurde sofort klar, dass wir eine ähnliche Perspektive haben. Der Großteil des Buches stand bereits fest, also die 75 Zusatzstoffe und die zerlegten Nahrungsmittel, und er führte das Ganze noch weiter. Wir teilen beide das starke Gefühl, dass es einen Platz für eine erklärende Sicht auf Lebensmittelzusätze gibt.

Ich stellte eine Liste von ungefähr 2000 interessanten Zutaten zusammen, die ich in drei Kategorien einteilte, einfach nach meiner eigenen Wahrnehmung. Ich wollte einige Dinge dabei haben, die gesund sind, denn wenn man über industriell verarbeitete Nahrungsmittel spricht, kann man die negative Wahrnehmung à la „es ist chemisch, also muss es schlecht sein" nicht umgehen.

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Mononatriumglutamat

Hat das Buch deine Sicht auf bestimmte Lebensmittelzusätze verändert?
Ich bin mir nicht sicher, ob sich meine Ernährungsgewohnheiten verändert haben – ich würde sagen, mein Kaufverhalten hat sich nicht stark verändert. [Die Zusätze], die mir am meisten Sorgen bereiten, sind die, mit denen man andere Nahrungsmittel nachahmen kann. Ich bin aber ein großer Fan von Fleischersatz. Wir essen immer noch vegetarische Hotdogs und vegetarische Burger, die ganz hinten im Buch vorkommen. Richtige Bedenken habe ich bei den Stoffen, die teurere, verderblichere Zutaten ersetzen sollen. Auf Farbstoffe achte ich auf jeden Fall. Wenn ich für die Kinder einkaufen gehe, ist das eins der wichtigsten Dinge.

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Ich finde, die Lebensmittelwissenschaften haben tolle Sachen erreicht, aber wenn man sich so etwas wie teilgehärtete Fette ansieht, ist es nicht immer so gut gelaufen.

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Red 40 and Yellow 5.

Ich freute mich zu sehen, dass du sowohl Zucker als auch Salz ins Buch aufgenommen hast, denn trotz der Angstmacherei, dass künstliche Zusatzstoffe nicht gut für uns sind, ist sich die Wissenschaft einig, dass auch Salz und Zucker in den durchschnittlich konsumierten Mengen ungesund sind.
Das Wichtigste ist die Größe der Portionen. Viele Leute geben bestimmten Zutaten die Schuld für Adipositas, aber wir essen einfach viel zu viel.

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Maissirup.

Gab es, logistisch gesehen, irgendwelche Zutaten, die schwer zu bekommen waren?
Als ich anfangs nur die Backwaren von Hostess zerlegte, hatten wir kein Problem damit, die Zutaten oder Zusatzstoffe zu bekommen. Für den Maissirup kontaktierten wir einen Hersteller in Omaha und sagten: „Hey, können wir ein Sample haben? Wir arbeiten an einem Fotoprojekt." Wir waren einfach ganz ehrlich. Und Sie sagten: „Klar. Wir schicken euch, was auch immer ihr möchtet."

Glücklicherweise behielten wir es, denn als wir anfingen, uns um die Zutaten und Zusatzstoffe für das Buch zu kümmern, hatte sich die Lage verändert. Die Maisbauern und die Maisindustrie waren plötzlich unter strenger Beobachtung und das traf sie recht schwer. Dieses Mal riefen wir mehrere Hersteller an und sie antworteten einfach: „Nein, das können wir leider nicht machen." Gespräch beendet.

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Ich bat sogar eine Freundin von mir, die in der Gastronomie arbeitet, ein paar Samples einzuholen, aber sie bekam auch keine. Das haute mich um. Maissirup ist in allem, was wir essen, einfach allem. Wir konsumieren so viel von dem Zeug, aber man bekommt es einfach nicht.

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Diacetyl.

Gab es irgendwelche Zusatzstoffe, die besonders schwierig zu fotografieren waren?
Butteraromastoffe werde ich nie mehr mit denselben Augen sehen. Diacetyl ist so widerlich. Es riecht nach Stinktier. Da kommt einem fast das Kotzen. Wenn es mit Sauerstoff in Kontakt kommt und man eine Duftwolke abbekommt, denkt man sich: „Oh, ja, verstehe, es riecht nach Butter." Es war nur drei oder vier Minuten an der Luft … und der Geruch war überall. Am Ende machte ich die Fotos in der Nacht, als keiner da war und musste das Studio drei Tage lang lüften, bis es wieder normal roch. Laut Steves Recherchen ist das auch das wichtigste Aroma in Blauschimmelkäse.

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Azodicarboxamid.

Nachdem du dich so intensiv mit Zusatzstoffen beschäftigt hast, muss ich dich einfach fragen, was du von der Bloggerin The Food Babe hältst.
Ich möchte sie nicht persönlich angreifen, aber ich finde, wir leben in einer Kultur der Angst und der Sensationsgier. Ich finde es bedenklich, wenn The Food Babe etwas als „Yogamattenmaterial" bezeichnet und plötzlich muss Subway wegen dieser Wahrnehmung eine Zutat aus seinem Brotrezept streichen. Ich bin der Meinung, dass das gefährlich ist, nicht nur in der Essenswelt. Ich möchte damit nicht sagen, dass ich finde, Azodicarboxamid sollte in Brot vorkommen, aber ich habe Angst vor der Wirkungen des mächtigen Mobs und finde oft, dass es nicht gerechtfertigt ist. Den Schaden kann man nicht immer rückgängig machen.

Grundsätzlich finde ich ihre Absichten aber gut. Ich glaube, wir wären alle glücklicher, wenn man „das schlechte Zeug" aus dem Essen nehmen würde. Es gibt aber auch sehr viele funktionale Zusatzstoffe, die vielleicht beängstigend klingen, aber eigentlich großartig sind.

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Wie in deinem Buch steht, kommt Zucker sogar in Betonmischungen vor. Die Zutat selbst ist nicht immer böse, nur weil sie in einem Produkt vorkommt, das man normalerweise nicht unbedingt essen würde.
Genau. Substanzen werden in verschiedenen Bereichen verwendet. Zehn Prozent unserer Zusatzstoffe stammen von Beauty-Lieferanten. Polysorbat, beispielsweise. Das heißt nicht unbedingt, dass es schlecht ist.

Vielen Dank für das Gespräch, Dwight.