Fast-Food-Läden sind ein Ort der Gewalt – das hat Gründe
Illustration: Ralph Damman

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Fast Food Week

Fast-Food-Läden sind ein Ort der Gewalt – das hat Gründe

Zur Beruhigung der Kunden wird bei McDonald's jetzt klassische Musik gespielt.

Wenn du jemals spätnachts für eine lebensrettende Portion Kohlenhydrate und Käse in einem Fast-Food-Restaurant warst, hast du vielleicht die etwas angespannte Atmosphäre gespürt.

Und solltest du wirklich mal zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen sein, ist aus dieser Anspannung vielleicht eine heftige Auseinandersetzung geworden – vielleicht spielten ein Waschbär, ein irrender Zeitreisender, Verbrennungen durch Käse, Übergriffe mit dem Feuerlöscher oder eingeschlagene Fenster motiviert durch böswillige Kunden dabei eine Rolle.

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Eine McDonald's-Filiale im schottischen Glasgow, in der es besonders wild zugeht, hat sich kürzlich dazu entschlossen, klassische Musik laufen zu lassen, die eine beruhigende Wirkung auf die hungrigen nächtlichen Gäste haben soll. In den 14 Monaten zuvor musste die Polizei 200 Mal ausrücken. Diese subtile Form der Kontrolle größerer Menschenansammlungen haben danach auch andere Filialen in England und Australien genutzt, ein Burger King ist jedoch schon letztes Jahr damit erfolgreich gegen das Herumlungern vorgegangen.

Man muss bei YouTube einfach nur mal eingeben "fast food fight" und schon ergießt sich vor einem eine wahre Flut aus Gewalt im Fast-Food-Rausch – mit Videos die das ganze Spektrum von absurd bis verstörend abdecken. Gewalt in Fast-Food-Restaurants sorgt für viel Stoff für virale Videos und die Schlagzeilen der Lokalnachrichten. Das könnte unser Bild von den Gefahren, die in einem Fast-Food-Restaurant lauern, ziemlich verzerren.

Warum gibt es also scheinbar so viel Gewalt in Fast-Food-Läden?

Die Antwort darauf variiert, so Chris McGoey, von Fall zu Fall. McGoey, a.k.a. The Crime Doctor, ist Sicherheitssachverständiger und -berater, der mit einigen Fast-Food-Franchisnehmern zusammengearbeitet hat, um das Gewaltaufkommen in ihren Läden zu minimieren.

"Einige Restaurants sind absolut gefährlich, die meisten jedoch nicht", erklärt er. "Wenn ein Restaurant Probleme hat, dann meist zu einer bestimmten Tageszeit, das kann man dann regeln."

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Anders gesagt: Ob ein Laden gefährlicher ist als ein anderer, hängt also von einem Zusammenspiel verschiedener Faktoren, von logistischen bis wirtschaftlichen, ab.


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"Bei meiner Einschätzung muss ich die Räumlichkeiten und das Gelände drumherum beachten", erklärt McGoey. "Bei jeder Firma, die mich als Berater engagiert oder die nicht weiß, wie sie ihre Probleme in den Griff bekommt, muss ich mir alles vor Ort angucken, beobachten, das Personal befragen, die Polizeiberichte lesen. Und die Vorgeschichte eines Ladens ist ein guter Indikator für zukünftige Ereignisse", sagt er.

David D. Van Fleet ist Dozent an der Morrisson School of Agribusiness der Arizona State University und hat das Buch The Violence Volcano: Reducing the Threat of Workplace Violence geschrieben, das Firmen, Behörden und Polizeikräften die Risikofaktoren für Gewalt am Arbeitsplatz näherbringen will.

Auch er ist der Meinung, dass Gewaltkriminalität in Fast-Food-Läden ein sehr komplexes Problem ist, vor allem weil wenig zu dem Thema geforscht wird. "Es gibt eine Vielzahl von Ursachen, die in Fast-Food-Restaurants zusammenkommen", meint er. "Aber es gibt nicht genug Untersuchungen, um die Hauptgründe identifizieren zu können."

Das amerikanische Bureau of Labor Statistics gibt an, dass zwischen 1997 und 2010 in Restaurants mit "eingeschränktem Service" 229 Mitarbeiter bei der Arbeit getötet wurden – in Restaurants mit "umfassendem Service" mit Tischbedienung waren es nur 173. Diese Statistik zeigt zwar, dass zwar mehr Fast-Food-Angestelltebei der Arbeit umkommen, damit kann aber noch nicht hinreichend gesagt werden, dass Fast-Food-Restaurants besonders gefährliche Orte sind.

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Van Fleet hat trotzdem einige der Hauptfaktoren aufgezählt, die Fast-Food-Restaurants – theoretisch – anfälliger für Gewaltkriminalität machen könnten. "Dort gibt es tendenziell viel Bargeld, die Angestellten sind jung und nicht im Umgang mit Ausnahmesituationen geschult", meint er. "Außerdem öffnen [die Läden] früh und schließen spät, oft sind sie leicht erreichbar, sodass böse Menschen leicht dort hin- und auch wieder wegkommen."

Chris McGoey hat bei seiner Arbeit viele dieser Faktoren in der Praxis gesehen, die größten Probleme sind struktureller und logistischer Natur: Sitzplätze, Lage und die Anwesenheit von Drogenkonsumenten und Betrunkenen.

"Bei den meisten Fast-Food-Unternehmen gibt es im Innenraum Sitzplätze", sagt er. "Bei freier Sitzplatzwahl und wenn ein Restaurant lange geöffnet und gut beleuchtet ist, wird aus dem Restaurant ein Ort, wo die Leute abhängen oder herumlungern. Einige Gruppen halten sich möglicherweise über längere Zeit auf und wenn diese Restaurants zu einem Treffpunkt für bestimmte Gruppen werden, dann wird es Konflikte geben. Sie könnten auf andere Gruppen treffen, mit denen sie Probleme haben."

Die Eigenschaften, die ein Fast-Food-Restaurant so praktisch machen, machen es ironischerweise auch ideal für Kriminelle, genauso wie kleine Lebensmittelläden oder Tankstellen. "Die meisten Restaurants mit hoher Kriminalitätsrate befinden sich in städtischen Gebieten mit hoher Bevölkerungsdichte. Sie sind 24 Stunden am Tag geöffnet und liegen meist an wichtigen Durchgangsstraßen oder in der Nähe einer Autobahnausfahrt. Deswegen sind sie so attraktiv für Raubüberfälle und Straßenräuber", erklärt er, denn die Täter können in nur wenigen Minuten in einem komplett anderen Gebiet sein.

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"Wenn ich einen Laden besuche, bei dem alles außer Kontrolle geraten ist, stelle ich oft fest, dass Angestellte und Manager richtig Angst haben."

Wenn man dazu dann noch Alkohol und Drogen gibt, entsteht ein Szenario mit hohem Risikopotenzial. "Die schlimmsten Filialen, mit denen ich zusammengearbeitet habe, waren richtige Verkaufsspots für Drogen. Hier hat man automatisch Kunden. Ein perfekter Ort für jemanden, der Drogen verkauft, um hier herumzuhängen und daraus seinen Treffpunkt zu machen."

Wie du vielleicht selbst schon mal erlebt hast, erhöht Alkohol die Chancen dafür, Appetit auf etwas Schnelles und Billiges zu bekommen. McGoey erklärt: "Man kann einfach reingehen, sich etwas schnappen, es runterschlingen, so die Auswirkungen des Alkohols etwas ausgleichen und wieder gehen."

Das könnte erklären, warum bei den meisten Fast-Food-Schlägereien im Netz eine Armada an Betrunkenen involviert zu sein scheint, die noch einen Late-Night-Snack wollen, nachdem die Bar zugemacht hat. "Um 2 Uhr können Fast-Food-Restaurants voll sein mit Gästen, die unter Alkohol- oder Drogeneinfluss stehen, was nicht unbedingt gut ist, wenn Leute in Gruppen zusammenkommen. Das verschärft die Situation."

Die Tageszeit, zu der besonders viele "Bad Guys" auftauchen, ist für McGoeys Beratertätigkeit immer wieder von Bedeutung: "Die meisten Menschen sind tagsüber unterwegs . Nach 22 Uhr oder in den frühen Morgenstunden gibt es nicht mehr viele Kunden . Nur viele finstere Gestalten sind noch wach, vielleicht haben sie keine Arbeit oder so. Das ist die Zeit, wo sie unterwegs sind."

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McGoey rät bestimmten Fast-Food-Restaurants, um Mitternacht zu schließen, um den Ansturm Betrunkener nach der Sperrstunde zu vermeiden. Doch er fügt auch hinzu, dass andere Restaurants zur Mittagszeit oder nach Football-Spielen einen Andrang erleben, also dass jedes Restaurant individuell begutachtet werden muss.

"Ich könnte noch viel mehr aufzählen", meint McGoey. "Es gibt Hunderte Dinge in den Räumlichkeiten die einen Laden gefährlicher machen können als einen anderen."

Am Ende muss das Personal mit der manchmal brutalen und unvorhersehbaren Gewalt fertig werden. Und um wirtschaftliche Probleme zu lösen, braucht es mehr als eine Runde Bach aus den Lautsprechern.

"In Fast-Food-Restaurants gibt es tendenziell weniger Sicherheitsvorkehrungen als in vielen anderen Geschäften", meint David Van Vleet. "Und die Fluktuation bei den Mitarbeitern ist größer, deren Schulung steht also nicht im Vordergrund." Damit sind sie extrem angreifbar und nicht auf "Gewaltausbrüche" vorbereitet.

McGoey ist derselben Meinung. "Wenn ich einen Laden besuche, bei dem alles außer Kontrolle geraten ist, stelle ich oft fest, dass Angestellte und Manager richtig Angst haben. Sie wollen lieber drinnen bleiben, sie wollen nicht rausgehen oder irgendwas sagen, um das Problem zu lösen. Wer im Dienstleistungssektor arbeitet, wird das wird bei dem Gehalt nicht machen wollen."

Und einen Wachmann einzustellen fasst das Problem auch nicht an der Wurzel. Franchisenehmer, die die Kriminalität in ihren Läden unter Kontrolle bekommen wollen, müssen über den Tellerrand schauen.

"Die Angestellten sind oft nicht gut darin, Regeln durchzusetzen", meint McGoey. "Sie sind kein Sicherheitspersonal und wissen nicht, wie man mit Menschenmassen umgeht. Sie bleiben – gedanklich – in ihrem Bereich, hinten in der Küche, und sie können metaphorisch gesprochen nicht sehen, was außerhalb dessen passiert. Es muss also dafür gesorgt werden, dass jemand die Gäste draußen und den Parkplatz bewacht und gewisse Regeln durchsetzt. Aber wenn sie ohne klare Regeln einen Wachmann einstellen, ist das auch nicht effektiv."

Van Fleet und McGoey sagen beide, dass gerade die Vorzüge des Fast Food – es findet sich ein Laden an jeder Ecke – auch dazu führen, dass einige Filialen ein hohes Risiko für Gewaltkriminalität haben. Wenn man versucht, so viele Kunden wie möglich mit billigem Essen den ganzen Tag über anzulocken, ist das vielleicht gut für den Gewinn der Franchise-Filiale, aber es kann auch die verheerende Grundlage für Verbrechen schaffen – den perfekten Sturm.