So verwandelt man matschiges Gemüse in einen leckeren Snack
All photos by Liz Seabrook.

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Eingelegtes

So verwandelt man matschiges Gemüse in einen leckeren Snack

„Man kann alles einlegen“, meint Freddie Janssen und beweist es gleich mit in Bourbon eingelegten und später frittierten Okraschoten. Das sonst eher schleimige Gemüse wird durch die Bourbon-Essig-Kur verdammt knackig und lecker—und der knusprige...

Einmal, das war in einem Pflegeheim in Shropshire, saß ich neben einem 89-jährigen Mann, der einen dunkelblauen Polyester-Blazer, eine schicke Hose und blankpolierte Schuhe trug und einen Sherry trank. Ich fragte ihn, wie er es geschafft hat, nach fast 90Lebensjahren immer noch so rüstig zu sein. Da grinste er nur breit, in seinem ganzen Gesicht zeigten sich die Falten. „Genauso wie man auch alles andere haltbar macht: viel Eingelegtes, Rauch und Salz."

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Dieser ungewöhnliche Lebenscoach kommt mir in Erinnerung, während ich so durch Freddie Janssens sonnendurchflutete Wohnung wandele. Janssen ist in der Food Szene Ost-Londons bekannt für ihre eingelegten Kreationen. In ihrem neuen Buch Pickled schmeißt sie unglaublich viele Zutaten zusammen: Wassermelonenschalen, Okraschoten, Fenchel, Nashi-Birnen oder Brauner Senf—entweder als Snacks oder als eigenständiger Bestandteil neuer Rezepte. Meine „Räucherzeit" liegt hinter mir und selbst ich weiß, dass man sein Essen nicht mehr einfach in Salz tunkt, deshalb gebe ich dem Einlegen gern eine Chance.

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Freddie Janssen liebt Eingelegtes und hat darüber auch ein Kochbuch geschrieben. Alle Fotos von Liz Seabrook

Als Essig-Fan hat es mich umso mehr gefreut, als Freddie plötzlich anfing, eines der Rezepte aus ihrem Buch zu kochen. Und so saß ich dann an einem sonnigen Freitag in ihrer Wohnung mit Blick auf Canary Wharf und den ArcelorMittal Orbit von Anish Kapoor am Horizont, während Freddie Janssen ihr Ding in der Küche durchzog.

Auf unserem Plan stehen in Bourbon eingelegte Okraschoten mit leicht rauchigem Dip. Na ja, „unser Plan" ist vielleicht etwas übertrieben. Ich habe den Großteil des Vormittags verbracht, neben einem tittenförmigen Blumentopf zu sitzen und versucht, mein Magengrummeln durch konstantes Quatschen zu übertönen.

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Die Okraschoten müssen vor dem Einlegen noch angeschnitten werden

Zuerst wäscht und trocknet sie die Okraschoten mit Küchenkrepp. Dann erwärmt sie Reisessig, Apfelessig und Wasser zu gleichen Teilen in einem Topf, fügt ein paar gelbe Senfkörner, Chiliflocken, Koriandersamen, Salz und natürlich Zucker hinzu. Während sie rührt, steigt mir der scharfe Essiggeruch in die Nase.

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„Man kann alles einlegen", meint Janssen und ihr weißblondes Haar strahlt in der Sonne. „Dadurch werden zum Beispiel Okraschoten, die die meisten nur als schleimiges Gemüse kennen, richtig knackig und lecker."

Nachdem sie das erste Mal im Flugzeug Kimchi gegessen hat, hat sich Freddie Janssen mehr mit Einlegen und Co. beschäftigt: eine kulinarische Eingebung in Tausenden Metern Höhe, gleich neben einer dieser Vakuum-Bordtoiletten.

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„Das war ein Flug mit Asian Airlines, der mich wirklich umgehauen hat", erinnert sie sich. „Ich habe jeden Passagier gefragt, ob ich noch etwas von seinem oder ihrem Essen haben könnte. Ich konnte einfach nicht genug davon bekommen."

2008 kam sie aus dem niederländischen Maastricht nach London und arbeite zunächst einige Jahre in der Werbebranche, bevor sie den Schritt zum Essen wagte. Mit F.A.T. gründete sie ihr eigenes Pop-up-Café und gleichzeitigen Supper Club und verkaufte ihr Eingelegtes, ihr Kimchi und ihre Saucen in ganz London. Zur Zeit hat sie einen Stand auf dem Druid Market.

Mit leichtem Entsetzen stelle ich fest, dass bei ihr auf dem Tisch eine Flasche 15 Jahre alter Pappy Van Winkle steht. Sie wird doch wohl nicht eine der weltweit teuersten Spirituosen für die eingelegten Okraschoten nehmen?

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Der Dip für die frittierten Okras besteht aus gerösteten Frühlingszwiebeln und anderen Köstlichkeiten

„Wenn du richtig angeben willst, nimmst du den Pappy Van Winkle", lacht Janssen. „Aber ich verwende manchmal stattdessen Jim Beam." Gott sei Dank.

Janssen schält und schnippelt noch ein paar Knoblauchzehen, ich entdecke in ihrer Küche einen riesigen Kreamikkrug mit einem Nymphensittich und fühle mich irgendwie an Piraten erinnert. Dann reibt sie noch ein bisschen Zitronenschale direkt in das Einweckglas, fügt ein paar Zweige Dill hinzu und stopft dann die Okraschoten rein. Sobald das Glas voll ist, gießt sie den Sud darüber und verschließt den Deckel mit einer Klemme. Die Okraschoten kann man schon in ein paar Tagen essen, aber sie halten sich auch über mehrere Wochen.

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Zum Glück hat sie natürlich schon ein Glas vorbereitet: Die Schoten sind jetzt seit einer halben Woche eingelegt und werden jetzt frittiert.

REZEPT: In Rote Bete eingelegter Lachs

Oh Gott, ich liebe Frittiertes. Während Freddie fast eine halbe Flasche Pflanzenöl in den großen gusseisernen Topf gießt, frage ich mich, warum man überhaupt Salat isst. Der Teig geht ganz einfach: Mehl, Ei, Salz, Pfeffer and ein gesunder Schluck Bier. Dann tunkt sie jede der eingelegten Okras erst in den Teig und danach in das heiße Fett.

Während die Okraschoten im Fettbad schwimmen, macht Janssen noch den Dip fertig. Im Ofen hat sie ein paar Frühlingszwiebeln durchgeröstet, dazu kommen noch Olivenöl, frischer Koriander und andere Gewürze in einen kleinen Mixer. Alles kurz zu einer grünen, schlammartigen Masse zerkleinern und dann noch mit saurer Sahne, Joghurt und Mayonnaise verfeinern.

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Und das sind sie: Okra-Pommes mit einem rauchig-cremigen Dip

Mittlerweile bin ich fast nur noch ein wandelnder grummelnder Magen mit einem Kuli in der Hand und kann es kaum erwarten, bis die Okras endlich abgekühlt sind. Und sie sind genau wie Freddie gesagt hat: verdammt knackig und lecker. Frisch und gleichzeitig durch den Dip doch total cremig-fettig-genial, dazu die knusprige Teighülle. Während ich fünf davon verdrückte, isst Freddie vielleicht eine, aber meine Beherrschung habe ich über Bord geworfen.

Weil es erst halb elf ist, trinken wir zum Essen lieber keinen Pappy, nicht einmal ein Bier. Trotzdem habe ich so ein leichtes Trunkenheitsgefühl, als ich mich verabschiede und vorbei an den Gläsern, Keramiksittichen und natürlich dem Brust-Blumentopf zurück in den Londoner Morgen gehe.

Das Leben ist schön.

Alle Fotos von Liz Seabrook.