Dieses Sandwich bringt gestandene Männer zum Weinen

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Mexiko

Dieses Sandwich bringt gestandene Männer zum Weinen

Die Nachfrage ist so groß, dass man sich das Sandwich nur ein Mal im Monat bestellen kann.

Das Sandwich lonche de lomo von Primera Taza kann dich in einen komischen Gemütszustand versetzen—ein bisschen so wie in Bittersüße Schokoladeund das liegt vor allem am Brot. Chuy Tovar, der Besitzer des Cafés in Boyle Heights in L.A., importiert das Sauerteigbrot birote salado einmal im Monat eigenhändig von einer panadería, einer Bäckerei, in Guadalajara in Mexiko.

„In Mexiko gibt es ein paar großartige Bäcker, das wissen aber nur die wenigsten", erzählt mir Tovar. Er hat das heißbegehrte Sandwich,das es nur eine Woche pro Monat gibt, erfunden. Dafür muss er extra nach Tijuana fahren, um das Brot für das Sandwich abzuholen.

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Ich setze mich gegenüber von ihm hin und versuche alles über dieses mexikanische Sandwich herauszufinden. Seitdem er es als Special vor fast zwei Jahren auf die Karte genommen hat, hat das Sandwich in L.A. Kultstatus erlangt. Zu den Fans gehören einige der bekanntesten Köche, die in L.A. mexikanisch kochen, wie zum Beispiel Wesley Avila, Ray Garcia und Eddie Ruiz.

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Chuy Tovar und sein „lonche"

Es scheint ganz einfach: das Brot, mexikanische crema (Sauerrahm), gebratene Schweinelende (mit Fettdeckel), Jalapeños, Tomaten, Zwiebeln und Avocados. Das Ganze wird mit roter Salsa übergossen, das Rezept dafür hat Tovar von seinem Schwiegervater bekommen. Er macht auch eine vegetarische Version, für die er das Schweinefleisch durch milchigem Queso Panela ersetzt, sofern er ihn frisch bei einem örtlichen Käsemacher kaufen kann. Sobald man reinbeißt, hauen einen der saure Geschmack, die weiche Krume und die wundervoll raue, getoastete Kruste völlig um. Es ist keine torta ahogada, ein Sandwich getränkt in Sauce typisch für Guadalajara, und es ist keine einfache torta, das typische mexikanische Sandwich, sondern etwas ganz Eigenes und Wunderbares.

,Ich habe 20 verschiedene Sorten birote salado von allen möglichen Bäckereien in L.A. ausprobiert, um das richtige Brot zu finden. Ich habe sogar das von Leuten probiert, die es selbst zu Hause backten. Doch nichts kam an das Brot aus Guadalajara ran, also habe ich einfach angefangen, es selbst hierher zu bringen.'

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„Ich habe es einmal einem Stammkunden serviert, der aus meiner Heimatstadt Talpa kommt, und er fing plötzlich an zu heulen, als er es gegessen hat. Es erinnerte ihn an seine Kindheit in Guadalajara", erzählt Tovar. „Irgendwann wurde die Situation dann etwas komisch, also ging ich und ließ ihn in Ruhe sein Sandwich genießen." Genau dieser Kunde hatte an diesem Tag auch extra zwei wichtige Termine abgesagt, um als einer der ersten in den Genuss eines lonche zu kommen. Tovar hat die birotes salados nachts um zwei aus Guadalajara bekommen, die Brote waren also noch schön frisch und weich.

„Er war auch nicht der Einzige, der beim Essen geweint hat."

Es gibt einen einfachen Grund, warum dieser Mann so emotional wurde und warum die Leute die ganzen Monat über anrufen, um sich schon einmal ein lonche zu reservieren: das verflucht gute Brot. „Ich habe 20 verschiedene Sorten birote salado von allen möglichen Bäckereien in L.A. ausprobiert, um das richtige Brot zu finden. Ich habe sogar das von Leuten probiert, die es selbst zu Hause backten", erzählt er weiter. „Doch nichts kam an das Brot aus Guadalajara ran, also habe ich einfach angefangen, es selbst hierher zu bringen."

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Tovar hatte wahrscheinlich deshalb so viele Probleme, ein gutes birote zu finden, weil Sauerteig generell ziemlich anspruchsvoll ist und alles von Umgebungshefen, Klima und Höhenlage abhängt. Deshalb schmeckt zum Beispiel ein Sauerteigbrot aus San Francisco so viel besser als viele andere Sauerteigbrote auf der Welt. Doch das ist nicht das erste Mal, dass Tovar Dinge aus Mexiko importiert: Er hat das schon mit Tequila und raicilla gemacht, einem Agavenschnaps aus dem mexikanischen Bundesstaat Jalisco ähnlich wie Tequila und Mezcal.

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Selbstverständlich gibt Tovar den Namen seiner Bäckerei in Gudalajara nicht preis, aber er versichert mir, dass das Brot in einem Holzbackofengebacken wird. Er nimmt mich mit auf einen kleinen Exkurs in die Geschichte des birote salado: Es soll die Idee des belgischen Offiziers Camille Pirotte gewesen sein, der während der französischen Intervention in Mexiko in den 1860ern in Guadalajara stationiert war. Um die Einheimischen während der Besatzungfür sich zu gewinnen, sollte Pirotte ihnen beibringen, wie sie französisches Brot machen.

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Weil es jedoch keine Hefe gab, hat er sich beim Teig für eine Spontangärung entschieden. Als die Franzosen aus dem Land vertrieben wurden, blieb Pirotte jedoch zurück, um seine eigene Bäckerei zu eröffnen und so die kulinarische Landschaft von Jalisco mit seinem Brot für immer zu verändern. Und damit ist auch klar, woher der Name für das Brot kommt.

Als ich Tovar frage, was der Unterschied zwischen einem lonche und einer traditionellen mexikanischen torta sei, erklärt er mir: „Ein lonche gehört zur ,Familie' der tortas, genauso wie Tequila zur Mezcal-Familie gehört."

Nach ein bisschen Recherche werden mir ein paar Unterschiede klar, nämlich ob sie warm oder kalt gefüllt werden, welches Brot verwendet wird und aus welchem Teil von Mexiko man kommt. Die meisten Leute aus Jalisco und den nördlichen Bundesstaaten denken bei lonche an ein birote-Brot mit Aufschnitt oder einer minimalistischen Fleischfüllung. Wer aus Mexico City oder den südlichen Bundesstaaten kommt, nennt ein Sandwich eher torta. In Mexiko ist und bleibt es ein heftig umstrittenes Thema.

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Tovar will vor allem den nostalgischen Geschmack der lonches aus seiner Kindheit, die er in Jalisco immer in der abarroteria, dem kleinen Lebensmittelladen an der Ecke, gegessen hat, so genau wie möglich nachmachen. Und er will dieses Gefühl mit anderen teilen, die sich nach einem Bissen Heimat in Form eines guten, krossen Brotes sehnen. Das scheint er geschafft zu haben, denn immer mehr Leute aus Guadalajara kommen scharenweise in sein Café, nur weil sie von anderen davon gehört haben.

Er hofft, dass er seine lonches auch bald regulär anbieten kann. Bis dahin sollte man vorher anrufen—oder noch besser sich sein Sandwich im Voraus reservieren.

„Wenn ich sehe, wie die Leute weinen, wenn sie mein Sandwich essen, weiß ich, dass sich die ganze harte Arbeit und all der Stress, das Brot hierher zu bekommen, verdammt noch mal lohnen."