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Fleisch

Chinas unbändige Lust auf exquisites Schweinefleisch

Obwohl Fleisch laut WHO krebserregend ist, erfreut sich sich Schweinefleisch riesiger Beliebtheit im Reich der Mitte. Mit mehr Geld in den Taschen suchen sich die chinesischen Verbraucher auch immer exquisitere Produkte, wie den berühmten Jamón Ibérico.
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Guter geräuchter Schinken ist eine unvergleichliche Gaumenfreude, die gleichzeitig erdig und salzig schmeckt und förmlich auf der Zunge zergeht. Doch richtig gutes gepökeltes Schweinefleisch gibt es nur selten—und das obwohl Schwein das am meisten gegessene Fleisch weltweit ist, denn immerhin mehr als ein Drittel des gesamten konsumierten Fleisches kommt von unseren grunzenden Freunden. Die Chinesen für ihren Teil fahren total auf europäischen Schinken ab, insbesondere auf Jamón Ibérico. Die berühmten Ibérico-Schweine, aus denen der Schinken gemacht wird, erfreuen sich in China größter Beliebtheit und das heizt den Markt für spanischen Schinken ganz schön auf.

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Schweinefleisch ist nicht nur in der deutschen Küche sehr weit verbreitet, sondern auch in China. An jeder Ecke bekommt man dort für wenig Geld eine Schüssel Mapo-Tofu mit Schweinefleisch. Aber mit steigenden Einkommen leisten sich die Chinesen auch gerne mal einen teureren Schinken, und Jamón Ibérico steht dabei ganz hoch im Kurs.

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China hat im letzten Jahr 35 Prozent mehr Waren aus Spanien importiert als noch im Vorjahr—nur Frankreich handelt noch mehr mit China. Das Fleisch der Ibérico-Schweine, die sich größtenteils von Eicheln und Oliven ernähren, ist sauteuer—schon in Europa zahlt man mehrere hundert Euro für eine große Keule, in China kostet das Ganze schnell das Doppelte.

Nicht nur die Keulen, sondern das ganze Schwein findet in China im Gegensatz zum Westen reißenden Absatz: Kopf, Ohren und Inneren sind Importschlager. Allerdings wird der Import durch die chinesische Gesetzeslage etwas behindert: Die spanischen Schinkenhersteller tun sich schwer damit, dass sie vor dem Import den Knochen im Bein entfernen müssen, aber das Geschäft brummt trotzdem.

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Foto von Let Ideas Compete via Flickr.

Die WHO warnte erst kürzlich davor, dass der Verzehr von verarbeitetem Fleisch zu Darmkrebs führen kann. Eine Beleidigung für alle Hersteller von feinem Räucherschinken, nicht nur für die Spanier, denn hier wurde exquisiter, lange gereifter Schinken mit Massenprodukten wie Würstchen oder Hamburgern gleichgesetzt. Während hier in Europa nun die Panik vor Schweinefleisch grassiert, gilt spanischer Schinken für die Chinesen als sichere Alternative. Fleisch aus Spanien steht in China für Qualität, denn die chinesischen Verbraucher sind bei den ganzen verdorbenen und gefälschten Produkten auf dem eigenen Markt skeptisch geworden. Allein dieses Jahr gab es mehr als 100 Anzeigen wegen Handels mit verseuchtem Schweinefleisch.

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Oliver Win, ein Feinkosthändler aus Hong Kong, spricht in der New York Times in den höchsten Tönen vom europäischen Fleisch: „Spanischer Schinken ist für chinesische Kunden ein einzigartiges und vor allem gesundes Produkt—dieses Verkaufsargument ist unschlagbar."

Natürlich gibt es auch chinesische Schinkenspezialitäten, Yunnan-Schinken, der aus besonderen Schweinen aus der Region Xuanwei hergestellt wird, die ähnlich aufgezogen werden wie ihre europäischen Artgenossen in Spanien.

Da der Ibérico-Schinken in der spanischen Sommerhitze reift und „schwitzt", um so das einzigartige Aroma zu erzeugen, stagnierte der Export beispielsweise in die USA eine zeitlang—aufgrund hygienischer Bedenken und aus Angst vor der Schweinegrippe. Der Export nach China hingegen ist für die Spanier wesentlich lukrativer.

Mittlerweile essen die Chinesen den Schinken nicht nur, sie investieren sogar in Schinken—wie das schon bei anderen Produkten wie Wein der Fall ist. Der chinesische Wirtschaftsriese Fosun, auch im Finanzsektor aktiv, hat erst kürzlich Teile von Cinco Jotas, einem der wichtigsten spanischen Schinkenproduzenten, aufgekauft.

Und die Spanier freuen sich darüber. Der Geschäftsführer von Cinco Jotas kann sich keine bessere Kundschaft für sein Produkt vorstellen: „Die Chinesen wissen, was einen guten Schinken ausmacht."

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Gleichzeitig gibt es aber auch etliche Bedenken auf europäischer Seite. Die Spanier mussten bereits gegen Schinkenfälscher vorgehen, die in China normalen Schinken als „Jamón Ibérico" verkauften. Mit dem zunehmenden Export nach China steigt auch die Sorge um Produktspionage: Die Chinesen könnten versuchen, die spanischen Herstellungsmethoden zu kopieren.

Beim Jamón Ibérico spielt vor allem auch die Region und ihr einzigartiges Klima eine entscheidende Rolle: Die schwarzen iberischen Schweine fressen hauptsächlich Eicheln, der Schinken reift dann in der spanischen Sommerwärme. Jamón Ibérico ist also ein naturbelassenes, gesundes Produkt. Seine besondere Herkunft und Herstellung machen den Schinken so beliebt. Teilweise werden für die Schweine auch eigene „Schweinepässe" ausgestellt. Bellota-Bellota, ein spanischer Schinkenspezialist, verkauft seine Schweine nur mit genauen Herkunftsbezeichnungen auf Englisch und Chinesisch: woher das Schwein kommt, wo es gezüchtet wurde und wer es gezüchtet hat.

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Foto von high__voltage via Flickr.

Alles sehr löblich, aber eben weit entfernt von der chinesischen Realität. Um den Bedarf überhaupt decken zu können, kommt man in China um Massentierhaltung nicht rum: In China werden jährlich 500 Millionen Schweine gezüchtet und gegessen. Heute wird in China sieben Mal mehr Schweinefleisch konsumiert als noch in den 70ern. Mit dem zunehmenden Wohlstand wird diese Zahl nur weiter steigen, was unweigerlich zu Umweltproblemen führt: mehr Treibhausgase, mehr Schweinemist. Der normale Chinese isst Schweine aus regionaler (Massen-)Produktion, Jamón Ibérico ist nur was für die wirklich Reichen.