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Diese Wissenschaftler machen eine Art Fleischkäse aus Pilzen

Im abgelegen Industriegebiet in Amsterdam-Noord arbeitet ein Forscherteam daran, eine Art „Käse" aus Garnelenabfällen zu erzeugen—Zeug, das normalerweise zu Tierfutter verarbeitet wird.

„Ich bin keine Köchin, ich bin Biologin", bemerkte Lucia Zaquini, als ich den Container betrete. Zusammen mit Olga Patijn backt sie eine Art Keks aus Hackfleisch auf einem elektrischen Grill. Dann kommt Wouter Hassing, der Leiter des Meat the Mushroom-Projekts, herein und reißt ein Fenster auf. Die kalte Dezemberluft strömt rein und der Dampf hinaus. Es riecht nach Zwiebeln, Gewürzen und etwas nicht Erkennbarem.

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Ich befinde mich in einem abgelegenen Industriegebiet in Amsterdam-Noord, wo Hassing und seine Kollegen an einem einzigartigen Experiment arbeiten: Sie stellen eine Art „Käse" aus Garnelenabfällen her—das Zeug, das normalerweise beispielsweise zu Tierfutter verarbeitet wird.

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Olga Patijn kocht Garnelenkäse.

„90 Prozent aller Shrimps in den Niederlanden werden in Marokko geschält", sagt Hassing. „Wenn du frische Garnelen kaufst, kannst du dir sicher sein, dass sie durchschnittlich um die zwei Monate alt sind. Sie werden in der Nordsee gefangen, auf dem Boot gekocht, nach Marokko geschifft, geschält, in Konservierungsmittel gelegt und wieder zurück in die Niederlande geschifft." Mahlzeit!

70 Prozent einer Garnele sind nicht essbar. „Von einem Kilo Shrimps sind 700 Gramm Abfall", sagt Hassing. Anfang dieses Jahres kam Hassing durch das Innovation Network mit Telson, einem Unternehmen im kleinen Dorf Leens, das Garnelen verarbeitet, in Kontakt. Es ist das einzige Unternehmen, das Garnelen sofort schält, nachdem sie gefangen wurden—nicht von Hand, sondern mit speziellen Schälmaschinen.

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Das experimentelle Headquarter von Meat the Mushroom.

Genau da kommt Meat the Mushroom ins Spiel.Hassing und sein Team bauen hauptsächlich Pilze für Restaurants in der Umgebung an, aber sie experimentieren auch mit anderen Produkten, die sie mit Hilfe des alles fressenden Fungus kreieren. „Jeder, der bei Meat the Mushroom arbeitet, ist verrückt nach Pilzen", erklärt mir Zaquini, als wir ins Labor laufen. „Man kann so viele Probleme damit lösen und die Möglichkeiten sind endlos."

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In ihrem kleinen Labor stehen zwei große Sterilisationsboiler, ein Eimer mit Garnelenabfällen und mehrere Säcke voller „Käse" in verschiedenen Reifestadien. Die Garnelenschalen werden gekocht, sterilisiert und dann mit der Kräuterseitlings- und Getreidekultur angeimpft. „Du solltest Kräuterseitlinge mal googeln", sagt Patijn. „Ich kann dir die Vorteile auch aufzählen, aber das sind ziemlich viele: Der Pilz stärkt unser Immunsystem, beugt Krebs vor und ist voller Vitamine, inklusive Vitamin D. Er ist wirklich besonders."

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Garnelenschalen, die von Pilzen gefressen werden.

Und der Kräuterseitling ist verrückt nach Shrimps.

„Das clevere an Pilzen ist", sagt Hassing, „dass sie einen ganzen Baum verdauen können. Sie attackieren langsam das Chitin der Shrimpsschalen—das ist der harte Teil, der für Menschen ungenießbar ist. Der Pilz umschließt zuerst die Schale. Die Pilzfäden sind wie kleine Mini-Wissenschaftler, die ständig versuchen, einen Weg zu finden, das Zeug zu fressen. Wenn ein Faden weiß wie, sagt er es den anderen weiter."

Für alle, die keine Wissenschaftler oder Pilzfanatiker sind, die Basisformel lautet: Garnelenabfall + Getreide (Stärke) + Kräuterseitling = „Käse".

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Der Kräuterseitling.

Das Innovation Network hatte ursprünglich Hassing darum gebeten, etwas mit Fischabfällen zu kreieren—etwas, das Leute essen können. Zuerst experimentierte er mit Fischköpfen, die er in einem Standmixer mixte. Das war nicht besonders erfolgreich. „Wir versuchten es mit vielen Fischen, bis plötzlich die Garnelenschalen kamen."

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Dass Pilze als Fleischersatz geeignet sind und sogar den Geschmack von Fleisch auf gewisse Weise nachahmen, ist weitgehend bekannt. (Und wir verstehen jetzt auch wieso: diese gierigen Dinger fressen alles!)

Innerhalb von zwei Wochen verwandelten sich die Garnelenschalen in das Endprodukt: den „Käse". Andere potentielle Produktnamen sind „Pilzfleisch" oder „Garnelenkuchen".

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Reihenweise Kräuterseitlinge und andere Pilze.

„Käse wird aus fermentierter Milch gemacht, das hier sind fermentierte Garnelenschalen", sagt Hassing. „Es sieht aus wie französischer Mont d'Or oder Camembert, wie wir finden."

Zaquini macht sich hauptsächlich Sorgen um den Geschmack und das richtige Verhältnis von Garnelen, Pilzen und Getreide. Die Pilze brauchen Stärke, um das Chitin attackieren zu können. „Ich habe schon alles versucht, was Stärke enthält", sagt sie. „Manche Dinge waren ekelerregend. Kartoffeln zum Beispiel."

Zaquini hat auch mit zahlreichen Pilzarten experimentiert. „Shiitake ist beispielsweise sehr bitter. Mit dem Kräuterseitling erzielten wir das beste Ergebnis und er ist der gesündeste Pilz."

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Wouter Hassing vor dem fermentierenden Produkt.

Das Team arbeitet auch an einer glutenfreien Version. Quinoa, Dinkel und Reis eignen sind als Stärkelieferanten. „Die Reisversion macht sich sehr gut als Hackfleischersatz für Füllungen", sagt Patijn. „Ich habe kürzlich meine Freunde reingelegt, die Fleisch sehr gerne mögen, indem ich ein bisschen Fleisch durch den Käse ersetzt habe. Sie haben es nicht bemerkt."

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Der Zweck des ganzen Projekts? Eine nachhaltige Alternative zu Fleisch schaffen.

Meat the Mushroom hat auch Partnerschaften mit lokalen Restaurants wie Pllek und dem Café de Ceuvel, um die Grenzen ihres Produkts auszutesten. „Pllek räuchert den Pilz, um facon daraus zu —ein Speckimitat", sagt Zaquini. „Jeder Koch hat andere Vorlieben. Der eine mag einen stärkeren Garnelengeschmack, der andere ein leichteres Produkt. Wir sind keine Food-Designer, deshalb sind wir darauf angewiesen, dass die Köche sagen, ‚Das schmeckt gut'. Mir ist aufgefallen, dass die Restaurants hier in der Gegend für solche Produkte sehr offen sind. Alle haben eine futuristische Mentalität."

„Bei Telson gibt es jede Woche fast 14.000 kg Garnelenschalen", sagt Patijn. „Wir können noch gar nicht alles verbrauchen. Von der ersten Ladung von knapp 227 kg verwendeten wir nur 10 kg."

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Wouter Hassing, Olga Patijn und Lucia Zaquini.

Wenn die Testphase abgeschlossen ist, könnte die Produktion nach Groningen verlagert werden. „Das spart Transportkosten und wir müssen die Garnelen nicht einfrieren", sagt Hassing.

Das Produkt sollte im Januar als Fleischersatz verfügbar sein. Dann können wir endlich alle unsere Freunde mit facon-Käse-Kroketten reinlegen.