Wodka-Bull in cool: Diese Frau revolutioniert Cocktailwelt – mit Energydrinks
Ultra Sunshine. All photos by Pete Deevakul

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Cocktails

Wodka-Bull in cool: Diese Frau revolutioniert Cocktailwelt – mit Energydrinks

Steph Russ' Buch Energy ist eine wahre Ode an die DIY-Cocktailkultur mit teilweise ganz besonderen Zutaten: Energydrinks, Plazenta, Muttermilch, LSD, Hustensaft und Medikamenten.

Es gibt eine Parallelwelt zur klassischen Cocktailkultur: berauschende und betörende DIY-Drinks mit teilweise fragwürdigem Ruf. Vom Pulver-Alkohol über Phrosties, alkoholgeschwängerten Shakes, die sich insbesondere in New York großer Beliebtheit erfreuten, bis hin zum Summer Cooler, einem fruchtig-süßen Cocktail, den ein paar findige Leute aus dem kalifornischen Oakland über Social Media verkauft haben: Trend-Getränke kommen und gehen in rasanter Geschwindigkeit. Doch nur wenige, wenn überhaupt irgendwelche, erlangen eine ähnliche Anerkennung wie traditionelle Cocktails.

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Und dann ist da Steph Russ, die die Fahne der Energydrinks hochhält. Die Künstlerin Schrägstrich Social-Media-Expertin Schrägstrich Mixologin setzt alles daran, die Gegenkultur der experimentellen Energydrink-Cocktails einzufangen und zu würdigen, die seit dem Verbot der FDA des alkoholhaltigen Energydrinks Four Loko regelrecht explodiert ist.

Ihr Rezeptbuch Energy: Cocktails to Get You UP ist eine wahre Ode an die verruchte DIY-Kulturder Energydrink-Cocktails. Und für ihre Kreationen braucht man teilweise auch ganz besondere Zutaten: Plazenta, Muttermilch, Adderall, ein Medikament gegen Konzentrationsschwäche und Hyperaktivität, Medikamente gegen Sodbrennen, Hustensaft, LSD, Poppers und Durchfallmedikamente—um nur einige zu nennen.

From ENERGY: Cocktails to Get You UP

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Läutet Steph Russ mit ihrem Buch eine Revolution in der Energydrink-Cocktailkultur ein oder werden solche Drinks weiter durchgedrehten Studenten vorbehalten bleiben? Ich habe mich mit Steph unterhalten, um mehr über ihre Mission und den miserablen Ruf dieser Art von Cocktails zu erfahren.

From ENERGY: Cocktails to Get You UP

MUNCHIES: Hi Steph. Wie bist du auf das Konzept deines Buches gekommen? Es fängt ja perfekt diese verrückte Entwicklung der amerikanischen Cocktailkultur ein, die bisher noch nicht wirklich dokumentiert oder angemessen gewürdigt wurde. Steph Russ: Ich stand einfach auf Four Loko und diese ganzen Energydrinks, die auf den Markt kamen. Damals war ich auf dem College, also schon in einem Alter, wo man mit solchem Zeug experimentiert. Das Buch ist eigentlich deshalb entstanden, weil ich dieses Four-Loko-Feeling wieder haben wollte, nachdem sie anregenden Stoffe [Koffein, Guarana und Taurin] aus der Rezeptur gestrichen haben. Vor Partys haben meine Freunde und ich immer aus Spaß ein paar neue Rezepte kreiert, damit wir wieder das Four-Loko-Feeling bekommen.

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Was war deiner Meinung nach so besonders an Four Loko? War es einfach nur der verdammt niedrige Preis? Oder steht dieser Energydrink symbolisch für etwas viel Größeres? Ja, ehrlich gesagt, für uns war es einfach billig. Und schön stark. Da hat man für sein Geld die beste Wirkung bekommen. Und das zählt für die meisten College-Kids bzw. alle, die nicht genug Kohle haben. Ich sehe das Buch auch als eine Art Rebellion gegen die ganze Cocktailwissenschaft. Diese Mixologie ist meiner Meinung nach nur schwer zugänglich, denn nicht viele Leute können sich regelmäßig Craft Cocktails für 15 Dollar leisten. Es geht vielen vor allem um die Wirkung eines Drinks.

From ENERGY: Cocktails to Get You UP

Da sind ein paar verdammt abgefahrene Rezepte im Buch, die irgendwie alle eine Geschichte erzählen oder einen bestimmten Moment einfangen. Wie bist du auf die Rezepte gekommen? Ja, ich habe einfach Vollgas gegeben. In dem Buch sind haufenweise Rezepte, aber mindestens genau so viele haben es gar nicht reingeschafft. Irgendwie fällt mir immer wieder etwas Neues ein. Außerdem organisiere ich viele Veranstaltungen, bei denen es dann verschiedene Cocktails gibt, davon sind einige im Buch. Zu jedem Drink stelle ich mir aber immer eine spezielle Situation, eine bestimmte Party oder einfach jemanden, der feiern will, vor und frage mich dann: Was würde derjenige in dieser Situation trinken wollen?

Und wie oft triffst du ins Schwarze? Gelingen dir deine Kreationen immer oder sagst du dir auch manchmal: „Das ist so ekelhaft, das würde kein Mensch trinken!"? [lacht] Manchmal sind sie einfach zu abartig, aber oft … also ich würde sie nicht ins Buch nehmen, wenn ich sie zu abscheulich finde. Allerdings gibt es einige, die ich noch nicht selbst probiert habe, sondern die ich eher einfach nur zum Spaß kreiert habe.

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From ENERGY: Cocktails to Get You UP

Wie viele der Cocktails hast du wirklich probiert? Fast alle. Ein paar sind wirklich nur mit einem Augenzwinkern zu verstehen, für Situationen, in denen ich noch nicht selbst war. Aber wer weiß, wenn ich eines Tages mal ein Kind zur Welt bringe, vielleicht will ich dann meine Plazenta in Sangria trinken? Probiert habe ich den allerdings noch nicht. Viele Leute denken bei manchen Zutaten sofort: „Das ist ja ekelhaft. Packt sie da wirklich Muttermilch in den Cocktail?" Aber wenn man die dann probiert, schmecken sie erstaunlich gut. Zu Hause mit Freunden experimentiert man manchmal und gibt noch einen Schuss Hustensaft zum Schnaps und denkt sich dann: „Das war keine so gute Idee." Aber manchmal entdeckt man dann auch etwas Neues, Gutes. Es gibt ein paar Rezepte, die ich überhaupt nicht mag, andere Leute hingegen schon, den Reptilian Scotch zum Beispiel. Für mich ist das nix, schmeckt wie Benzin. Einige Leute aber haben für so etwas eine Vorliebe entwickelt—ich noch nicht.

Was ist mit den Drinks mit Adderall? Ja, die habe ich probiert [lacht]. Und ja, das war ziemlich spaßig.

From ENERGY: Cocktails to Get You UP

Wie ist das mit den Leuten, für die du gearbeitet hast: Waren die einverstanden mit solchen Drinks oder musstest du die Experimente in deiner Freizeit machen? Wenn ich in Bars arbeite, gehe ich nicht so weit wie bei meinen eigenen Experimenten, aus gesetzlichen Gründen, ganz klar. Durch die Arbeit hinter Theke habe ich viel über klassische Cocktails und Mixologie gelernt. Deshalb haben die Rezepte im Buch auch immer etwas mit den traditionellen Cocktails zu tun. Sie gehen nur ein bisschen weiter, etwas fürs Vorglühen oder Partys in alten Lagerhallen. Das Rezept für The School Nurse zum Beispiel ist nur eine Abwandlung des Negronis, The Granddaddy ist meine Version eines Old Fashioned.

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Du hast ja auch schon in der Kunst und in der Musik gearbeitet. Beeinflusst das deine Arbeit mit den Cocktails? Hat es dich gereizt, dass es beim Bartending auch viel um Geschichten und Performance geht? Da gab es vieles, am entscheidendsten war wohl, dass ich ja auch irgendwie Konsument bin. Ich wollte Cocktails trinken, die spielerisch sind und Spaß machen. Wenn das kein anderer macht, dann muss ich es eben selbst tun.

From ENERGY: Cocktails to Get You UP

Erzähl uns doch noch etwas zu deinem nächsten Cocktailbuch, das sich ausschließlich mit Cocktails zum Runterkommen beschäftigt. Viele meinten zu mir: „Ich bin eh schon völlig durchgedreht, was könnte ich denn Entspannendes trinken?" Oder sowas wie: „Ich kann nicht den ganze Zeit total aufgedreht sein." Und mir geht's genauso. Ich bin ja nicht die ganze Zeit aufgeputscht. Für mich ist das eher etwas für einen besonderen Anlass. Ich habe schon mit Kava-Kava, Baldrianwurzel und verschiedenen Tees experimentiert. Das Buch soll ähnlich werden wie Energy: Jeder Drink soll eine bestimmte Situation perfekt einfangen, ein Schlummertrunk für jeden Anlass.

Die Fotos in deinem Buch haben mich echt umgehauen. Du hast es immer geschafft, auch eine Geschichte zu erzählen. Kommt das durch deine Erfahrung in der Kunst? Pete [Deevakul, der Fotograf] beherrscht sein Metier einfach perfekt. Mir waren die Bilder extrem wichtig. Das gehörte zu meiner Vision, ich wollte, dass es genau so aussieht. Es sollte wie ein klassisches Kochbuch sein, nur mit einem Twist, ein bisschen weiter denkend, ein bisschen extremer und einen Schritt weiter. Jeder Drink hat ein eigenes Thema und Konzept, die Fotos müssen genau dazu passen.

From ENERGY: Cocktails to Get You UP

Gab es negative Reaktionen, zum Beispiel von Verlegern oder den Herstellern der Produkte, die du in deinen Cocktails verwendest? In einem Instagram-Post schreibst du, dass Urban Outfitters dein Buch nicht verkaufen wollte. Ja, einige wollen damit nichts zu tun haben, viele haben aus rechtlichen Gründen Angst. Four Loko wurde verboten bzw. gesetzlich reguliert—wer will dann schon Drinks mit solchen Inhaltsstoffen unterstützen? Sie haben Angst und das verstehe ich. Dennoch glaube ich, dass das ein Thema ist, das man erkunden sollte und über das man sprechen sollte. Einige meinten auch (hinter vorgehaltener Hand) schon zu mir: „Hey Steph, die Idee ist klasse, so würden wir auch feiern wollen. Aber sag bloß keinem, dass wir das gesagt haben." [lacht] Eigentlich geht es doch in dem Buch um Mixologie für echte Party-Menschen: billiger Spaß für alle.

too controversial for #UrbanOutfitters lol

A photo posted by Steph Russ (@steph_russ) on Oct 12, 2015 at 9:31am PDT

Vielen Dank für das Gespräch.