Beim ersten Zero-Waste-Restaurant Großbritanniens steht Müll an erster Stelle
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Müll

Beim ersten Zero-Waste-Restaurant Großbritanniens steht Müll an erster Stelle

Lebensmittelabfälle verursachen in Großbritannien jährlich Kosten von 6,3 Milliarden Euro. Eine Summe, die den ehemaligen St.John-Koch McMaster so wütend macht, dass er Silo, Großbritanniens erstes Zero-Waste-Restaurant, eröffnet.

Die Kosten der Essenabfälle der britischen Lebensmittelindustrie werden auf schwindelerregende 6,3 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. Manche Köche sehen biologische Abfälle nicht als problematisch an. Douglas McMaster, ein Koch mit 12 Jahren Erfahrung in internationalen Restaurants wie dem St. John in London, dem Greenhouse by Joost in Melbourne und dem Quay in Sydney, eröffnet jetzt in Großbritannien ein Zero-Waste-Restaurant in einer monochromen Lagerhalle in Brighton.

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Die Eröffnung von Silo ist für September geplant. Es wird Platz für 50 Personen bieten und nach einem „vorindustriellen Lebensmittelsystem" funktionieren, wie McMaster es beschreibt. Das Restaurant wird direkt mit den Erzeugern der streng saisonalen Produkte handeln und somit komplett auf einen Zwischenhändler verzichten. Silo wird eigenen Joghurt herstellen, Essig fermentieren, Mehl mahlen, Pilze anbauen, Schokolade von der Bohne zur Tafel produzieren also im Prinzip verkehrt rum arbeiten. Das bedeutet: keine Plastikverpackungen, keine Reinigungsprodukte aus normalen Geschäften und ganz bestimmte keine Essensreste in stinkenden Mülleimern—ein 28.000 Euro teures Kompostiergerät, das erste seiner Art in Großbritannien, wird dafür sorgen.

Wir trafen uns auf einen Plausch mit dem Mann, der findet, dass „Müll das Versagen der Fantasie ist".

Munchies: Hey Douglas. Wie entstand die Idee zu Silo? Douglas McMaster: Als ich in Melbourne lebte, arbeitete ich mit dem niederländischen Künstler Joost Bakker zusammen. Es betreibt schon in der fünften Generation Eigenanbau und ist komplett mit der Natur verbunden. Wir haben das Restaurantkonzept zu Silo gemeinsam in Melbourne entwickelt. Er bewirtschaftete alles mit dem Kompost, den wir aus Essensabfällen produzierten. Er ist die größte Inspiration in meinem Leben und hat die innovativsten Ideen, was man mit Müll alles machen kann. Er schafft sogar Kunstwerke aus Abfall.

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OK. Warum eröffnet ihr Silo jetzt in Großbritannien? Joost und ich schufen Silo in Melbourne vor zwei Jahren und managten es dort ein Jahr lang. Die Dynamik und der Wachstum des Konzepts waren berauschend, aber aus familiären Gründen musste ich zurück nach Großbritannien. Trotz meiner prächtigen Karriere anderswo, war ich hier nicht wirklich bekannt. Es sollte also eine richtige Herausforderung für mich werden. Eines Tages ging ich an der Brighton University vorbei und kam zufällig an dieser atemberaubenden Lagerhalle vorbei. Ich klopfte an der Tür, sprach mit dem Besitzer und fragte ihn, ob ich die Halle mieten kann. Er fragte mich, was ich damit vorhabe und war so begeistert von der Idee von Silo, dass er seitdem involviert ist.

Über die Jahre musst du ziemlich schockierende Essensverschwendung miterlebt haben? Ja, absolut. In einem sehr berühmten Restaurant in Sydney gab es etwas, das „pig gel" hieß. Dafür wurden unglaubliche Mengen Schweinebacken auf die Größe einer Murmel zerkleinert. Während des Prozesses wurde extrem viel Plastik verbraucht, das für nichts anderes verwendet werden konnte. Es war schockierend. In einem anderen Lokal wurde nur das Salatherz verwendet und alle anderen Blätter weggeschmissen.

Das ist verrückt! Musstest du deinen Kochstil anpassen, um die Karte für Silo zu erstellen? Nein, gar nicht. Ich arbeitete früher im St. Johns, was meine Einstellung grundlegend veränderte. Egal in welcher Michelin-Sterneküche ich danach auch arbeitete, ich bewahrte immer die Grundwerte, die Natur und ihre Zutaten zu respektieren. Es ist für mich ein Lebensstil. Wenn du schon so lange kochst und so verbunden mit dieser Kunstform bist, dann erkennst du intuitiv, ob eine Idee oder die Art, etwas zu machen, richtig oder falsch ist.

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silomushrooms

Hier wird kein Pilz verschwendet. Foto von Milo Belgrove.

Alles klar. Meine Essensphilosophie ist, der Natur die Entscheidung zu überlassen, was wir kochen. Das heutige Lebensmittelsystem funktioniert aber genau andersrum. Wir manipulieren die Natur und zwingen sie dazu, sich unseren Bedürfnissen anzupassen. Wieso gibt's Ananas auf der falschen Seite der Erdkugel? Und wieso essen wir im Januar immer noch Tomaten? Es ist einer unserer größten Fehler und verursacht einen ökologischen Zusammenbruch. Was gerade auf natürliche Weise zur Verfügung steht, das kommt bei uns auf die Teller. Auf unserer ersten Herbstkarte stehen zum Beispiel Gerichte wie Backhähnchen mit Walnusspesto, Buchweizen und Rübenblättern oder Risotto aus braunem Reis mit Austernpilzen und Schafmilchquark

Hast du eine gute Beziehung zu deinen Lieferanten? Naja, das ist eher schwierig. Ich muss zuerst die Legitimität meines Restaurants und meiner Absichten etablieren, bevor ich Leute darum bitten kann, ihre Arbeitsweise zu ändern. Ich möchte Zwischenhändler komplett ausschalten und direkt zu den Lieferanten gehen und nur das kaufen, was natürlich saisonal erhältlich ist.

DouglasSilo

Klar. Was hat es mit diesem 28.000 Euro-Kompostiergerät auf sich, über das ich gelesen habe? Finanzierst du das alles selbst? Zum Glück nicht. Joost ist Repräsentant der Recyclingfirma Closed Loop. Sie stellten das Kompostiergerät für Silo in Melbourne zur Verfügung und durch die Popularität des Konzepts in Melbourne wurden über 100 Geräte an die dortigen Topköche verkauft. Ich hab das kleinste und einzige Gerät in ganz Großbritannien. Über Nacht könnten 60kg Kompost produziert werden, obwohl es bei mir so viel in einer Woche sein wird. Hoffentlich verbreitet es sich dadurch wie in Australien ein bisschen im Mainstream. Ich werde den Kompost, den wir produzieren und den wir nicht brauchen, verschenken, denn darum geht es. Recycling bei so vielen Leuten wie möglich zu fördern.

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Aber ihr müsst bestimmt nicht nur an Essensreste denken? Nein, natürlich nicht. Hier kommt „Jesus Water" ins Spiel.

Wie bitte? (Lacht) Das ist unser Spitzname für Eowater. Es ist elektrolysiertes, oxidiertes Wasser, das ursprünglich in Japan erfunden wurde, um offene Wunden zu reinigen.

OK. Und wie passt das in ein neues Restaurant? Es ist drei Mal hygienischer als Seife! Das bedeutet, dass wir unsere Reinigungsprodukte vor Ort herstellen und somit den Abfall verhindern, der durch Verpackungen von Seife, Desinfektionsmittel und Putzmittel entstehen würde. Es ist ein einfaches, rein wissenschaftliches Prinzip, das unsere Werte unterstützt. Das Gerät kostet fast 40.000 Euro, aber wir promoten ihr System, das bisher noch relativ unbekannt ist.

douglasmcmasterdish

Molke, Eukalyptus und Kreuzdorn—ein typisches Douglas-McMaster-Gericht. Bild vom Koch.

Was glaubst du, wie hoch ist das Bewusstsein ganz allgemein für Lebensmittelabfälle? Die Art, wie wir mit Essen umgehen, hat sich von schlecht zu furchtbar entwickelt. Die Kontrolle, die wir über Lebensmittel haben, macht sie zu etwas Unnatürlichem. Sieh dir nur mal den extremen Anstieg an Lebensmittelunverträglichkeiten an! Wir sind organische Lebenswesen. Warum ergibt es keinen Sinn, uns von organischen Lebensmitteln zu ernähren? Fermentation, zum Beispiel, und die kontrollierte Förderung von Bakterien steht symbolisch für das, was Silo verkörpert und die Lebensmittelindustrie nicht. Wir werden unseren eigenen Essig fermentieren und unser eigenes Mehl mahlen.

Wirklich? Ja. Es ist lecker und nährstoffreich und wurde nicht durch ein Verfallsdatum zu Staub gemacht.

Wenn du die Lebensmittelindustrie zum jetzigen Zeitpunkt mit einem Wort beschreiben müsstest, welches wäre das? Sterilisation.

Und kannst du diesem neuen System benennen, das ihr bei Silo zur Anwendung bringen werdet? Ich nenne es ein vorindustrielles Lebensmittelsystem. Es ist eine Art, Essen wie vor 100 Jahren zu produzieren, anzubauen und zu respektieren.