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Restaurant Confessionals

Es kann deprimierend sein, als schwuler Mann Kellner zu sein

Jeder, der schon einmal in der Gastronomie gearbeitet hat, weiß, dass man die Leute dort von ihrer besten und ihrer schlechtesten Seite kennenlernt und dass eine ganz bestimmte Art von Humor vorherrscht. Und wer anders ist, wird viel zu schnell das...
Image via Flickr user Neil Conway

Willkommen zu den Restaurant Confessionals, wo wir den Leuten aus der Gastronomie eine Stimme geben, die ansonsten viel zu selten zu Wort kommen. Hier erfährst du, was sich hinter den Kulissen in deinen Lieblingsrestaurants so alles abspielt.

Jeder, der schon einmal im Dienstleistungsbereich gearbeitet hat, weiß, dass man die Leute dort von ihrer besten und ihrer schlechtesten Seite kennenlernt. In der Küche ist die Luft nicht nur vom Rauch ziemlich dick, sondern auch wegen der Spannung, die herrscht. Es ist ein geistiger und körperlicher Härtetest und jeder Koch könnte bestätigen, dass man manchmal im Laufe eines Abends das gesamte Spektrum der menschlichen Emotionen durchlebt.

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Ein gut besuchtes Restaurant bedeutet nicht nur für Köche Stress. Auch für die Servicemitarbeiter ist es nicht ganz einfach. Nicht nur wegen der Kunden, sondern auch wegen des Umgangs untereinander, besonderes wenn man sich auf irgendeine Weise von den anderen abhebt. Egal, ob man die einzige Frau oder die einzige homosexuelle Person ist—manchmal hat man das Gefühl, die Serviceindustrie hat etwas Veraltetes, Überholtes. Es ist ein bisschen wie auf dem Spielplatz einer Schule—wenn man anders ist als die Masse, kannst du dir sicher sein, dass die Masse dich permanent dran erinnern wird.

Es ist schon irgendwie absurd, dass Homophobie 2015 in der Serviceindustrie wirklich noch ein Thema ist. Aber wie Sexismus und sexuelle Belästigung schleicht sich Homophobie leise und unter einem anderen Deckmantel an. Hier und da mal eine Anspielung, scheinbar als Scherz oder Neckerei gemeint, aber die kumulative Wirkung spricht für ein ernsthafteres Problem. Wir haben uns mit einem ehemaligen Kellner getroffen, dessen sexuelle Orientierung ihn im Laufe seiner zehnjährigen Karriere immer wieder zum Angriffsziel von Kunden und Kollegen gemacht hat.

Andy, 29, ehemaliger Kellner

Du warst zehn Jahre lang Kellner. Nicht durchgehend. Ich habe in allen möglichen Restaurants gearbeitet—von Kettenrestaurants bis hin zu Sterneküchen in Mayfair. Im Grunde ist es alles das Gleiche, nur die Toiletten sind anders.

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Wir haben uns heute getroffen, weil du gerne von deiner Erfahrung mit Homophobie im Dienstleistungsbereich erzählen möchtest. Genau. Heute bin ich Schauspieler und kann mich damit über Wasser halten, was damals der Grund war, warum ich überhaupt mit dem Kellnern angefangen hatte. Mittlerweile habe ich etwas Abstand zu dieser Branche gewonnen und all die kleinen Dinge, die ich jeden Tag erlebte, sind mir viel mehr bewusst geworden. Erfahrungen, die damals unwichtig oder lachhaft schienen. Wenn ich aber die Summe aller Teile betrachte, finde ich es ziemlich beschissen, wenn die sexuelle Orientierung einer Person zum Gesprächsthema wird oder zumindest so gut wie jeden Tag in der Luft hängt. Ganz ehrlich: Es war manchmal ziemlich deprimierend, als schwuler Mann Kellner zu sein.

Was genau ist passiert? Ich muss vorwegnehmen—obwohl das eigentlich keine Rolle spielen sollte—, dass ich gar nicht erst so tue, als wäre ich hetero. Aus unerklärlichen Gründen kommt es einfach natürlich aus mir heraus wie Kohlendioxid: Ich bin ziemlich tuntig. Ich tänzle ein bisschen, wenn ich gehe. Mein Bart und meine Haare sind makellos gepflegt (mein Vater hat mir den Umgang mit einem feinzahnigen Kamm und Black & White Wax gelernt) und ich merke, wie ich eine Schnute ziehe, nachdem ich Dinge gesagt habe, die definitiv keine Schnute erfordern. Kurzum, ich bin im Grunde ein jüngerer, hipperer Julian Clary und das ist völlig in Ordnung so. Aber die Scheiße, die ich mir von männlichen Köchen anhören musste—meine Güte. Ein Koch in einem recht guten Restaurant in Soho gab mir einen Klaps auf den Hintern. Wenn man als schwuler Mann von einem heterosexuellen (obwohl, wer weiß?) männlichen Koch auf den Hintern geklatscht wird, während man ein Stapel dreckiger Teller in den Händen balanciert, ist das scheinbar ein Scherz. Oft wurde mir auch mit Würsten oder Bananen im Gesicht herumgefuchtelt oder ich musste mir anhören: „Ooh, pass auf, wenn du dich bückst. Adam steht hinter dir." Bartender haben jedes Mal so getan, als würden sie einer Gurke einen blasen, wenn ich an ihnen vorbeiging. Solche Sachen.

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Wie witzig … Ja, ich weiß. Oder? Manchmal war es wirklich lustig, aber nach dem tausendsten Mal denke ich mir nur: Ja, ich nehme manchmal Penisse in den Mund, gut erkannt. Wenn ein heterosexueller Mann ständig Kommentare und Anspielungen zu deiner sexuellen Orientierung macht, wird es irgendwann zu Homophobie. Es gibt kein anderes Wort. Und je mehr ich mich verletzt fühlte und sie anbellte, desto lustiger fanden sie es. Ich stehe gerne im Mittelpunkt des Geschehens, und vielleicht haben das die Leute gemerkt und sind davon ausgegangen, dass ich gerne jede Schicht die Requisite für ihre Witze bin.

Glaubst du, das ist ein Problem, das speziell in der Serviceindustrie existiert?

Nicht unbedingt, nein. Vielleicht liegt es daran, dass es einfach mehr Gegenstände gibt [lacht]. Ich weiß nicht. Meiner Erfahrung nach, war es jedoch in fast jedem Restaurant, in dem ich gearbeitet habe, eine Seltenheit, dass sich jemand offen dazu bekennt, schwul zu sein. Natürlich waren es nur ein paar wenige Kollegen, die ständig darauf hinweisen mussten—meistens die Köche, wenn ich ehrlich bin—, aber es passierte mir auch des Öfteren mit Kunden.

Wie genau? Naja, ich habe eben öfters ihre abfälligen Bemerkungen aufgeschnappt. Glaub mir, die Leute verwenden auch heute noch Wörter wie „Schwuchtel" oder „Tucke". Und oft kommen diese Bemerkungen von Leuten, von denen man es nicht erwarten würde.

Gibt es einen archetypischen Homophobiker? Nein, gar nicht. Es gibt alte Knacker, die alleine ins Restaurant kommen (in Soho, sollte ich hinzufügen—schwuler gehts nicht), die einfach alles, was du sagst oder tust, mühsam finden, und sobald eine andere Person (ein hübsches Mädchen oder ein netter heterosexueller Typ) sie bedient, erstrahlen sie plötzlich. Wenn man aber ein paar gut gekleidete, wortgewandte und bereiste Frauen mittleren Alters bedient und dann hört, wie eine von ihnen sagt: „Schade, dass wir immer die kleinen Schwulis bekommen", ist das ziemlich irritierend. Ich bin weder klein (1,85 m) noch widerwärtig. Ich sehe verdammt gut aus. Ja, ich habe einen affektierten Gang, aber ich achte eben auf meine Haltung. Ich würde wie ein Rentner daherstapfen, wenn ich meine Arschbacken beim Gehen nicht zusammenkneifen würde—glaubt mir, ich habe es versucht. Außerdem ist eine gute Haltung wichtig, wenn man den ganzen Tag auf den Beinen steht.

Hast du diese Frauen darauf angesprochen? Bei solchen Erlebnissen musst du doch die Geduld verlieren. Ich bediente die Damen ganz ruhig und freundlich, aber als ich ihnen die Rechnung brachte, sagte ich zu ihnen: „Tut mir leid, dass es heute keinen strammen jungen Mann gab, der mit euch geflirtet hat." Sie sahen sich an und liefen beide von ihren—ehrlich gesagt faltigen—Brüsten bis zu den Ohren hochrot an. Das reichte mir. Ich hätte nicht hören sollen, was sie über mich gesagt haben— was natürlich keine Entschuldigung sein soll—, aber es reichte mir, sie so zur Rede zu stellen und dass sie beschämt nach Hause gegangen sind.

Hast du andere Gäste auch schon einmal zur Rede gestellt? Ja. Aber ich gehe die Sache lieber mit Humor an: dann schämen sich die Leute mehr. Als eine Gruppe von betrunkenen Bankern nach der Arbeit vorbeikam, waren sie entsetzt, dass sie keine hübsche Kellnerin hatten, die sie durch den Abend begleitete und—daran besteht kein Zweifel— die Subjekt ihrer blöden Anspielungen geworden wäre. „Verdammt noch mal, wo sind die ganzen heißen Bedienungen?", fragte einer von ihnen. Ich fragte ihn, ob ich schnell zur Hintertür rausrennen und mir ein paar falsche Brüste für ihn umschnallen soll, mit denen er den ganzen Abend reden kann. Von da an war er scheißfreundlich zu mir.

Die Art von Bemerkung, die auch die Frauen machten, ist eine Sache, aber das Verhalten einer Person als homophob zu bezeichnen, ist eine große Anschuldigung. Wo ziehst du für dich die Trennlinie? Ich stimme zu. Ich würde niemals mit diesem Wort unbedacht um mich werfen. Wenn Gäste Kommentare abgeben, die sich einzig und allein auf meine sexuelle Orientierung beziehen, und das nachdem sie mich ungefähr vor drei Sekunden kennengelernt haben, dann würde ich das als homophob bezeichnen. Ich verstehe Spaß, wirklich, aber wenn Mitarbeiter wieder und wieder Anspielungen auf diese eine Sache machen, ist das für mich auch homophob. Jeder schwulen Person wäre das unangenehm. Das ist Diskriminierung.

Nicht jeder hat die Eier, für sich selbst einzustehen und macht es auch noch mit der Raffinesse, mit der du es machst. Stimmt. Genau deshalb wollte ich diese Unterhaltung führen. Wir schreiben vielleicht schon 2015, aber die Leute haben oft immer noch einen vorsintflutlichen Humor und Restaurantküchen sind bekannt für ihren anzüglichen Humor. Das ist einfach so. Während es mir leicht fällt, Beleidigungen mit Humor abzutun, ist das nicht bei jeder jungen homosexuellen Person, die in einem Restaurant arbeitet, der Fall. In allen Bereichen des Lebens wird Humor als eine Art Puffer zwischen Leuten verwendet, die komplett unterschiedlich sind. Wenn aber eine homosexuelle Person das Gefühl hat, dass ständig Witze auf ihre Kosten gerissen werden, muss diese Person darauf aufmerksam machen und das melden.