Der beste französische Pastis ist illegal
Photo : Laura Cabassu.

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Frankreich

Der beste französische Pastis ist illegal

In der Provence stellt ein ehemaliger Pferdeschmied seinen eignen Pastis illegal her. Nicht gerade ein Kinderspiel, aber das Risiko einer Haft- und Geldstrafe nimmt er für sein Lieblingsgetränk in Kauf.

In der Provence gibt es eine lange Tradition, Pastis als Aperitif zu trinken. Trotzdem ist man sich in vielen Dingen heute noch nicht einig: Sollte man die Spirituose in einem Weinglas oder einem Sektflas servieren? Mit einem oder zwei Eiswürfeln?

Pascal, ein alter Mann aus der ländlichen Provence, macht seinen Pastis selbst und könnte sich nichts anderes vorstellen. Nach einer sehr vagen Unterhaltung über die Vorteile dieses anislastigen Getränks, lud er mich schließlich zu sich nach Hause ein, wo er mit viel Sorgfalt und völlig illegal Pastis selbst herstellt.

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Als ich ankomme, steht bereits ein Glas des petit jaune für mich auf dem Tisch, eine Art Willkommensgeschenk, und ich bemühe mich, es so freundlich wie möglich abzulehnen. Meine zahlreichen Versuche bleiben jedoch erfolglos, denn Pascal akzeptiert kein Nein und füllt mein Glas im Laufe meines Besuchs immer wieder auf.

Es ist 15:00 Uhr, das Thermometer zeigt 31°C im windstillen Schatten an und ich habe meinen ersten Pastis in der Hand: der erste von vielen an diesem Nachmittag. Nach drei Schlücken dreht sich mein Kopf, während das Eis in meinem Drink langsam dahinschmilzt.

Pastis 3

Ein Glas Pastis, Pascals Erinnerungen und zwei Fläschchen Anethol. Alle Fotos von der Autorin.

Wir sitzen im Schatten seiner Kieferbäume auf seinem Grundstück und um uns herum zirpen die Heuschrecken. Pascal erzählt mir, wie er vor 50 Jahren in diesem Teil Frankreichs landete. „Als ich 1962 17 Jahre alt war, habe ich Algerien und einen großen Teil meiner Familie hinter mir gelassen, um Cousins in Südfrankreich zu treffen, die ich bis dahin noch gar nicht kannte. Ich musste alleine um die Runden kommen."

An der französischen Küste gab es nur wenig, das ihn mit seiner Heimat verband, außer seinem algerischen Akzent, den viele andere auch hatten, die das Land nach dem Krieg ebenfalls verlassen hatten. Heute hat sein Akzent etwas Provenzalisches bekommen, aber heute gibt es noch etwas anderes, das ihn an seine Kindheit in Algerien erinnert: die Handbewegungen seiner Großeltern, die die Kräuter aufgossen und mit Alkohol vermischten, um den selbst gemachten Pastis herzustellen. „Ich habe versucht, diese Tradition aufrechtzuerhalten, weil sie mich an meine Heimat erinnert", erklärt Pascal nostalgisch.

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Er brach ohne Anhaltspunkt nach Marseille auf und machte anfangs viele kleine Jobs, die allesamt nicht besonders gut bezahlt waren. „Ich verdiente ungefähr 400 Francs in der Woche. Das war sehr, sehr wenig, aber irgendwie habe ich es immer geschafft, mich über Wasser zu halten."

Pastis 2

Seine Leidenschaft waren Pferderennen, deshalb verbrachte er viel Zeit in den Hippodromen der Gegend und setzte sein Geld auf das vielversprechendste Pferd. Dort traf er einen Jockey, der ihm einen Job als Pferdeschmied anbot: „Ich mochte Pferde immer schon sehr gerne, also zögerte ich keine Sekunde. Ich bekam 1500 Francs pro Woche und das Mittagessen war inklusive. Das war der Anfang eines guten Lebens für mich!"

Pascal war immer schon ein fleißiger Arbeiter, auch wenn die Jobs hart waren, und so baute er sich sein eigenes Geschäft auf. Er arbeitete mit einigen der besten Pferde der Welt zusammen und machte sich damit einen Namen. Für ihn begann mit diesem Job eine Zeit der luxuriösen Partys in Paris mit reichlich Alkohol und noch mehr Frauen: „Wir begleiteten die Jockeys überallhin in Frankreich. Wir feierten jeden einzelnen unserer Siege!" Und Siege gab es viele, verrät mir sein stolzer Anblick. Wenn Champagner das offizielle Getränk der reichen und schicken Partys war, trank sein Team den Anisschnaps, den Pascal dabei hatte. Dass ihm der Pastis ausgeht oder dass er in den Supermarkt gehen sollte, um welchen zu kaufen, war für ihn undenkbar. Deshalb füllte er das Getränk in alte Limoflaschen und bewahrte mehrere Liter davon im Kofferraum seines Autos auf: „Man weiß ja nie".

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„Ich kaufe Anethol in bodegas in Spanien. Aber sogar dort ist es nicht ganz einfach zu bekommen", erklärt Pascal. „Die Besitzer verkaufen es dir, wenn es draußen dunkel ist und fast keine Gäste mehr da sind. Dann holen sie es aus dem Versteck heraus. Nicht jeder bekommt es, man braucht gute Kontakte und eine Empfehlung." Dieses ätherische Öl ist die Basis des Pastis. Später mischt Pascal 90-prozentigen Alkohol, Wermut, Fenchel und Lakritz dazu. 15 Tage lässt er alles aufquellen und dann ist die Infusion fertig. „Nicht alle Rezepte sind gleich. Manche haben ein stärkeres Anis- oder Lakritzaroma als andere. Trotzdem schmecken sie immer besser als industrieller Anis." Und als wäre ich noch nicht betrunken genug, um die Atmosphäre der Partys damals nachempfinden zu können, schenkt er mir noch ein Glas ein.

Pascal reist für das Anethol extra nach Spanien, weil es in Frankreich illegal ist. „Vor ungefähr 30 oder 40 Jahren gab es immer noch ein paar Verkäufer auf dem Schwarzmarkt, aber mittlerweile ist das auch vorbei. Deshalb nehme ich bei jeder Reise zehn kleine Fläschchen mit, aber man muss aufpassen, dass man nicht erwischt wird, weil die Strafen härter als für den Besitz von Kokain sind!", lacht er.

Aber warum nimmt er all das auf sich, wenn man Pastis auch einfach im Supermarkt kaufen kann? Jedes Mal, wenn er Anethol nach Frankreich schmuggelt, riskiert er eine Haftstrafe und eine Geldstrafe von 3.750 Euro. Sein Pastis erinnert ihn an die Wurzeln seiner Familie und der Geschmack ist einzigartig, aber ist es das wirklich wert?

Pastis trinken kann ein teures Hobby sein und jemand, der viel davon trinkt, nimmt dieses Risiko in Kauf. Wenn er seinen eigenen Pastis herstellt, spart Pascal sogar viel Geld: „Zwischen meinen Fischerfreunden, meinen Treffen mit den Pétanque-Spielern in Carry-le Roules und den Jungs von den Pferderennen werde ich den Pastis sehr schnell los." Man hat fast das Gefühl, er wolle sich für diese Tradition, die Teil seiner DNA ist, rechtfertigen: „Die Männer in meiner Familie haben immer schon Pastis hergestellt. Es ist eine Art Tradition in der Provence oder vielleicht auch eine Art, Geld zu sparen, wenn man selbst sehr viel davon konsumiert."

Mit den Jahren wurde es auch immer schwieriger, 90-prozentigen Alkohol zu bekommen, der nicht auf irgendeine Art verändert wurde. Seit 2011 müssen französische Apotheken eine Steuer auf konsumierbaren Alkohol bezahlen, deshalb verkaufen sie oft nur Alkohol, der für den Verzehr nicht geeignet ist, oder der verändert wurde. „Früher versorgten mich meine Freunde von den Pferderennen, aber mittlerweile ist es sogar für sie schwierig geworden. Immerhin hat das auch etwas Positives, so ist unser tägliche Konsum gesunken."