Unprätentiöse Imbisse: Puffer-Imbiss am Hermannplatz—Reibekuchen wie bei Oma
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Berlin

Unprätentiöse Imbisse: Puffer-Imbiss am Hermannplatz—Reibekuchen wie bei Oma

In Kindheitserinnerungen schwelgend hat unsere Autorin dem unprätentiösesten aller bisher getesteten Imbisse einen Besuch abgestattet, um sich mit Kartoffelpuffer ohne viel Pipapo satt und glücklich zu essen.

Street Food ist meine Schwester und ich schütze ihre Ehre. Für MUNCHIES bin ich deswegen ab sofort regelmäßig auf geheimer Mission in Berlin unterwegs, um genau die Spots ausfindig zu machen, die für kleines Geld perfektes Essen bieten. Unprätentiös, kostengünstig und schmackhaft—das wahre Street Food Berlins. Dieses Mal habe ich mich, in schönen Kindheitserinnerungen schwelgend, an den geschäftigen Hermannplatz gehievt und wagenradgroße Kartoffelpuffer mit Apfelmus vor dem Eingang von KARSTADT gemampft, aus dem unentwegt menopausale Frauen mit Tüten voll WECK-Gläsern und Dosengrünkohl stürmten. Im Hintergrund heulten die Sirenen und ich platzte ganz unbemerkt.

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Eines Tages, meine Lieben, wird es vermutlich unerwarteterweise zu einem epischen Endkampf kommen, in dessen Verlauf sich die Welt in zwei bis aufs Blut verfeindete Lager aufspalten wird: Kartoffelpufferfreunde gegen Eierkuchenliebhaber. Die Frage aber lautet, auf welcher Seite werdet ihr stehen? Mögt ihr Eierkuchen? Eher süß? Oder seid ihr „herzhafte Typen" (Vera Int-Veen Stimme) mit Bock auf fluffige Kräutercreme und kleingehacktes Zwiebeliges? Mögt ihr es mit Marmelade oder seid ihr vielleicht so irrsinnige Draufgängertypen wie mein großer Bruder, der Kartoffelpuffer mit Champignons und Maggi isst? Aber vielleicht liebt ihr eure Reibekuchen auch ganz minimal, simpel, mit puristischem Apfelmus, wie ich, und kämpft folglich an meiner Seite. Entscheidet euch! Jetzt!

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Ein guter Grund also, um sich für den Ernstfall akribisch vorzubereiten und mental im Hinblick auf die verrückte Zukunft etwas zu stärken. Gut, dass ich den optimalen Trainingsort für diesen Zweck gefunden habe—der Puffer-Imbiss am Hermannplatz mit Blick auf KARSTADT. Das Trainingscamp für Menschen, die handfest sind und gerne für zwei Ocken satt und glücklich werden. Crossfit für die Magenschleimhäute.

Genau an dieser könnte der Konflikt natürlich schon beginnen, wie immer—typisch deutsch eben—über die treffende Bezeichnung der hier angebotenen Speisen. Denn wo die einen noch von Puffern reden, sprechen die anderen, die vielleicht ein wenig mehr südlich aufgewachsen sind, von Kreppelchen oder maximal vielleicht noch von Reibekuchen oder Kartoffelkuchen. Crazy World, ich weiß! Aber über eine Sache lässt sich nicht streiten: über den Geschmack. Und hier, am Hermannplatz, ist er eben besonders gut, wie man mir im Vorfeld mehrmals versichern musste, denn zugegeben, etwas Furcht saß mir schon im wulstigen Specknacken im Hinblick auf den Minimalismus des Gerichts. Je weniger Pipapo und Zutaten, desto mehr stehen die einzelnen Schritte und die Zubereitung im Spotlight. Ein Puffer. Apfelmus. Die richtige Menge Salz. Das war's auch schon. Klingt leicht, aber auch nur, wenn man eine 80-jährige Dame mit Bombenkellererfahrung ist. Hier muss einfach jeder Move genau sitzen und das ist manchmal gar nicht so einfach, wenn man Dinge in heißem Fett ausbrät. Chuck Norris hätte wohl seine Probleme.

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Von allen unprätentiösen Orten, die ich im Rahmen dieser kulinarischen Strecke im Laufe der letzten Monate besucht habe, ist dies mit Abstand der unprätentiöseste. Und das meine ich im allerbesten Sinne, denn Kartoffelpuffer sind eine echte Herzensangelegenheit für mich und ich müsste weit ausholen, um zu erklären warum. Die Kurzfassung dürfte den meisten Lesern aus ihrer eigenen Biografie bekannt vorkommen: Kartoffelpuffer sind warm, Kartoffelpuffer sind simpel und wir sind mit Kartoffelpuffern groß und stark um die Hüften herum geworden. Unsere ersten, wackeligen Schritte auf dieser Welt taten wir in unseren Salamanderschuhen wie tapsige, kleine Lurchis und mit knurrenden Mägen, bis irgendwann eine liebende Mutter oder Großmutter in die „gute Stube" zum Essen rief. Das waren in unserer Jugend gewöhnlich besonders warme Orte ohne Wohnlandschaften, Wandtattoos oder Boxspringbetten, sondern ganz einfache Einfamilienhäuser in überschaubaren Ortschaften mit unauffälligen Fassaden, in denen am Herd eine kleine Mutter stand und Puffer in heißem Öl frittierte. Das roch nicht nur schweinisch, das schmeckte auch so. Satt wurde man.

Der perfekte Puffer muss in meinen Augen leicht golden sein, einen vollen Kartoffelgeschmack haben, um Gottes Willen nicht zu salzig sein und innen drin gerne soft matschen. Er sollte schön mit Fett vollgesogen sein, ohne danach zu schmecken.

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Ich bin eigentlich gar kein Kartoffelfan. Vielleicht bin ich keine echte Deutsche. Vielleicht habe ich aber auch zu wenig Krieg, Gewalt und Zerstörung erlebt, als dass mich Essen reizen könnte, bei dem es lediglich um Sättigung geht. Die Kartoffel ist so ein Fall. Mit Fun hat sie wenig am Hut, denkt man. Bis sie dann mit Öl kombiniert wird. Frittiert. Gebraten. Ausgebacken. Umso schöner, wenn jemand das Sättigungsmonster beherrscht, trainiert hat und mit guten Zutaten, einer hohen Qualität und einer großen Freundlichkeit in einer kleinen Bude vor KARSTADT steht und frische Kartoffeln reibt, schnippelt, aufbrät, lächelt. So freundlich war man selten zu mir. Ich bin wie eine Tochter begrüßt worden. Und plötzlich bin ich im Kopf wieder sieben Jahre alt, hänge meinen nassen Schneeanzug über die Heizung in der Diele und streune über die knackenden Dielen des Fachwerkhauses meiner Oma zum Holztisch mit den schweren Porzellantellern und der löchrigen Tischdecke, um dann aufgeregt Richtung Tür zu schielen, durch die jeden Moment, nach getaner Arbeit vor dem Herd, meine alte Großmutter hereinmarschiert wie ein Zinnsoldat und im Arm eine große Platte hält, auf der sich die Kartoffelpuffer bis zur Decke türmen.

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Der Ort: Wer 2015 noch Angst vor dem Hermannplatz hat, sollte lieber mal vor dem Schlafengehen unter seinem Bett nachgucken, ob sich dort Vernunft versteckt hat, denn am Hermannplatz ist es schön. Schön laut. Schön geschäftig. Und schön „down-to-earth". Hier geht man einfach unter. Ein guter Ort für unprätentiöses Essen. Übrigens, dieser Imbiss ist genauso alt wie ich. Baujahr 1985 und der Chef bereitet Gerüchten zufolge den Eierkuchenteig und die Puffermasse noch jeden Morgen selber zu.

Die Klientel: Eine urige Mischung aus Bauarbeitern und Hipstern, die genug Kraft in den Armen haben, um den schweren Puffer die zwei Meter Luftlinie von der Ausgabe zu den Stehtischen zu tragen.

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Das Gericht: Hier scheiden sich die Geister, denn der Imbiss bietet Kartoffelpuffer und Eierkuchen. Zur Auswahl stehen natürlich ganz klassisch Apfelmus, Vanillesauce oder Nutella. Und Kräutercreme.

Tipps: Man hat in der Regel nichts zu verlieren, wenn man freundlich zu den Menschen ist. Daher schadet es nicht, ein nettes Wort mit den Besitzern zu wechseln und die meisten anderen Gäste freuen sich ebenfalls über ein verschwörerisches Zunicken mit dem Kopf oder über eine kleine Grußgeste.

Preis: Ein Puffer in der Größe eines durchschnittlichen Kleinwagenreifens kostet 2,50 Euro. Eierkuchen ebenfalls. Wer Apfelmus, Kräuterquark oder Sonstiges auf seinem Eierkuchen oder Puffi will, packt ein paar Cent drauf. Kaffee kostet ebenfalls 60 Cent und schmeckt vorhersehbar.

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Puffer-Imbiss am Hermannplatz Hasenheide 1-4 10967 Berlin