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Restaurant Confessionals

Anarchie und Alkohol prägten meine Zeit an der Kochschule

Was passiert, wenn man einen Haufen aufstrebender Köche unter ein Dach steckt und ihnen zahlreiche Regeln auferlegt, an die sie sich halten müssen? Pure Anarchie und viele weinende Lehrer in Embryostellung.

Willkommen zurück zu den Restaurant Confessionals, wo wir den Leuten aus der Gastronomie eine Stimme geben, die ansonsten viel zu selten zu Wort kommen. Hier erfährst du, was sich hinter den Kulissen in deinen Lieblingsrestaurants so alles abspielt. In dieser Ausgabe erzählt ein berühmter belgischer Koch vom Schabernack, den er während seiner Zeit an einer angesehen europäischen Kochschulen getrieben hat.

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Was passiert, wenn man einen Haufen aufstrebender Köche unter ein Dach steckt und ihnen zahlreiche Regeln auferlegt, an die sie sich halten müssen? Pure Anarchie und viele weinende Lehrer, die sich in Embryostellung zusammenkauern, um einen weiteren traumatischen Tag im Büro zu verarbeiten.

Von Montag bis Freitag übernachten die Schüler in der Kochschule und dürfen das Schulgelände während dieser Zeit nicht verlassen. Sie dürfen weder Trinken, Rauchen noch unter die Türe der Mädchen-Umkleidekabine spähen. In anderen Worten: Alles, was 16-Jährige tun wollen, dürfen sie nicht. Den aufstrebenden Königen der Küchen solche Regeln aufzuerlegen, kann nur zur Chaos führen. Und das tut es auch.

Als ich vor zwölf Jahren diese Schule besuchte, fingen wir Montag morgens noch vor der ersten Unterrichtsstunde mit dem Trinken an. Es gab eine Bar neben dem Bahnhof, die um sechs Uhr früh öffnete, mehr oder weniger nur für die Kochschüler der Gegend. Es gab sogar einen DJ, also tranken und feierten wir, bis wir kaum m ehr stehen konnten und gingen dann zurück in die Schule. In dieser Bar habe ich gelernt, dass auf einem großen Tablett 20 große Bier Platz haben und dass es nicht möglich ist, dass eine Person sie nacheinander austrinkt. Die Bar war schrecklich.

Wir rauchten Gras auf dem Schulgelände, stahlen Hefe aus der Schulbäckerei—damit wir die Rohre verstopfen konnten—, kippten es in die Klos, bis die Scheiße wieder rausblubberte, ließen Meerschweinchen im Schulgebäude frei und schmissen Butter an die Decke.

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Meistens kamen wir zu spät zum Unterricht und stanken nach Bier und Zigaretten. Dann holten wir zuerst den versäumten Schlaf nach. Vielen Schüler hatten Nebenjobs in Bars oder Restaurants, in denen sie abends arbeiten mussten. Ich arbeitete in einer Küche mit einem Michelin-Stern, wo ich jeden Tag bis 23:00 Uhr bleiben musste. Oft behauptete ich, dass ich viel länger arbeiten musste und ging stattdessen in die Stadt zum Feiern. An einem dieser Abende begegnete ich einem Mitarbeiter der Kochschule, aber glücklicherweise stellte sich heraus, dass er genauso betrunken war wie ich. Wir schlossen einen stillen Pakt: Er verrät nichts, wenn ich nichts verrate. Von da an konnte mir der Typ nicht mehr sagen, was ich zu tun hatte und so hatte ich alle Freiheiten.

Andere Lehrer waren strenger, aber viel Macht hatten sie nicht. Wir rauchten Gras auf dem Schulgelände, stahlen Hefe aus der Schulbäckerei—damit wir die Rohre verstopfen konnten—, kippten es in die Klos, bis die Scheiße wieder rausblubberte, ließen Meerschweinchen im Schulgebäude frei und schmissen Butter an die Decke. Und immer, wenn wir im Unterricht flambé üben mussten, holten wir den Alkohol schon lange vorher heraus, bevor wir ihn wirklich brauchten.

Mir unseren Mitschülern vom Zweig Hotelmanagement hatten wir auch sehr viel Spaß. An einem Abend spielten sie irgendwelche Spiele und sahen sich danach einen Brad-Pitt-Film an. Bei einem dieser Spiele bestand die Herausforderung darin, Salatblätter in scharfer Sauce von einer Schnur zu essen, während die Arme hinter dem Rücken verbunden sind. Was sie nicht wussten: Meine Freunde und ich hatten am Vorabend auf die Salatblätter gepisst und den Brad-Pitt-Film durch den versautesten Porno, den wir im Videoverleih finden konnten, ausgetauscht. Überraschung, ihr Loser.

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Die meisten meiner Erinnerungen an die Kochschule klingen nach harmlosen Steichen, aber diese Zeit sorgte für eine solide Basis für mein späteres Leben als Koch.

Dass man den Unterricht schwänzt, kommt in Koch- und Hotelmanagement-Schulen—genau wie in jeder anderen Schule—häufig vor. Heutzutage wird in den Medien behauptet, dass Köche zu faul zum Arbeiten sind und sich weigern, ganz unten anzufangen. Als ich zur Schule ging, war genau das Gegenteil der Fall. Wenn mich der Chefkoch im Restaurant brauchte, war ich da, komme, was wolle. So läuft das in der Küche: Man lässt seine Mitarbeiter nie im Stich.

Die meisten meiner Erinnerungen an die Kochschule klingen nach harmlosen Steichen, aber diese Zeit schaffte eine solide Basis für mein späteres Leben als Koch und für den Lebensstil von Köchen allgemein. Ich brauche immer noch sehr wenig Schlaf, mein Körper ist an zwei bis drei Stunden pro Nacht gewöhnt. Das reicht für mich aus, um immer noch akzeptabel funktionsfähig zu sein. Wenn ich wach bin, mache ich alles, so schnell ich kann—besonders in der Küche, wo ich meine eigenen Regeln aufstelle und genauso war es damals in der Schule. Harte Arbeit und Teamgeist sind die wichtigsten Werte. Wenn diese zwei Dinge nicht vorhanden sind, bin ich bekannt dafür, dass ich auch mal einen Teller an der nächstbesten Wand zerklirren lasse. Ich koche tolles Essen, habe immer mal wieder einen One-Night-Stand und schmeiße legendäre Partys mit anderen Köchen, nachdem wir unsere Küchen für den Abend geschlossen haben. Wir trinken gutes Bier und die besten Cocktails, nehmen zusammen Koks und rauchen Gras. Meine Hände zittern immer noch vom gestrigen Saufabend und das, obwohl er schon 24 Stunden her ist. Meistens wenn ich meine Hosentaschen am nächsten Morgen ausleere, finde ich drei leere Zigarettenschachteln und kann mich nicht einmal daran erinnern, sie geraucht zu haben.

Man muss nur ein paar Köche auf einen Haufen werfen und man merkt schnell, dass sie immer noch die gleichen Schweine wie damals in der Kochschule sind. Schweine, die das beste Essen zubereiten, das du je gegessen hast. Ach, übrigens: Kellner und Barmitarbeiter verarschen wir immer noch genau wie früher in der Schule.

Aufgezeichnet von Stefanie Staelens.