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kapitalismus

Nestlé und die Gemeinde Vittel liefern sich einen Wasserkrieg

Das eigene Geschäft scheint der Firma wichtiger zu sein als die lokale Wasserversorgung von Anwohnern.
Foto: imago |CHROMORANGE

Dieser Artikel stammt aus unserer Redaktion in Zürich.

Wasser ist ein begehrtes Gut, vor allem in extremen Hitzeperioden, wie wir sie in diesem Sommer erleben. Doch auch in solchen Zeiten wird aus Grund- und Quellwasser Kapital geschlagen. Das stört jeden, der nicht im Verwaltungsrat von Nestlé sitzt. Oder eine Gemeinde zu verwalten hat, wie die Bewohner von Vittel gerade feststellen müssen.

In dieser französischen Gemeinde befindet sich in 300 Metern Tiefe jene Quelle, die das erquickende Wasser liefert, das seit 1992 von Nestlé täglich in eine Million Flaschen abgefüllt und im Anschluss in die ganze Welt exportiert wird. Doch auch die Bewohner von Vittel beziehen ihr Wasser aus dieser lokalen Grundwasserquelle, genauso wie lokale Betriebe im Ort.

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Durch die Klimaveränderung und den verminderten Niederschlag fehlt der Quelle allerdings eines ganz dringend: Wassernachschub von oben. Sieben Jahre dauert es in der Regel, bis Regenwasser von der Erdoberfläche in die Quelle sickern und so den Fortbestand sichern kann. Die Quelle kann mit der derzeitigen Trockenperiode da nicht mehr mithalten. In Äthiopien stand Nestlé genau aus diesem Grund bereits im Frühling dieses Jahres wieder einmal in der Kritik: Auch dort wurde während einer Dürreperiode eine Bewilligung für Wasser ausgestellt.


VIDEO: Auch in Kanada will Nestlé Wasser abzapfen – mit abgelaufenen Bewilligungen


Die Lösung für das Problem: Die Quelle wird künftig nur noch von Nestlé angezapft, alle anderen in der Gemeinde Vittel gucken in die Röhre – eine Röhre wohlgemerkt, die neuerdings trinkbares Grundwasser aus einem 15 Kilometer entfernten Nachbardorf liefern soll. Diesen Plan hat sogar das lokale Wasserkomittee kürzlich abgesegnet, wie Blick schreibt. Die Reaktion der Bewohner: Empörung darüber, dass eine Gemeinde das Wohl einer Firma über das Wohl der Bewohner zu stellen scheint. Im Juli gingen dafür 200 Anwohner und Landwirte auf die Strasse, auf Heuballen wurden Parolen wie "Wasser hat Priorität für Anwohner" gesprüht. Im Herbst soll die definitive Entscheidung fallen, für viele Bewohner scheint es allerdings schon entschieden zu sein.

Zwar wird die neue Röhre für die Wasserzufuhr von Nestlé gratis zur Verfügung gestellt, das Wasser aus dem Nachbardorf wird weiterhin kostenlos für die Bewohner Vittels sein und auch die vielen Arbeitsplätze, die Nestlé mit seinem Standort in Vittel bietet, können nicht ganz ausser Acht gelassen werden. Denkt man dann noch an die Steuern, die so ein internationaler Konzern abdrückt und daran, dass die Gemeinde vermutlich an den Nutzungsrechten für die Quelle gut verdient, kann man ein ganz kleines bisschen nachvollziehen, warum Gemeindevertreter es gutheissen könnten, dass Bewohner in Vittel künftig abgefülltes Wasser in Flaschen kaufen müssen, wenn sie "ihr eigenes" Wasser trinken wollen. Eine gute Idee ist es trotzdem nicht.

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