Zu Weihnachten wird Wodka gefrühstückt

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Traditionen

Zu Weihnachten wird Wodka gefrühstückt

Polnische Weihnachten sind schon so eine Sache. Morgens säufst du, anschließend hungerst du und um Mitternacht hältst du ein Pläuschchen mit deinem Goldfisch.

Von meinen polnischen Wurzeln ist nach 25 Jahren in Deutschland leider nicht mehr viel übrig geblieben. Aber an einer Sache hänge ich noch sehr und hoffe, sie auch mal meinen Kindern und Enkelkindern näher bringen zu können: polnische Weihnachtstraditionen.

Polish x-mas 3

Es fängt eigentlich schon direkt nach dem Aufstehen an. Kaum bist du wach geworden und hast realisiert, dass Weihnachten ist, legt man in meiner Familie schon mit der ersten Tradition los – dem gemeinsamen Wodka trinken. Wir versammeln uns also alle gemeinsam in der Küche, wünschen uns einen guten Morgen und trinken den ersten Wodka, und zwar auf nüchternem Magen.

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Dieses Ritual hat allerdings auch einen zweckmäßigen Hintergrund. Im Gegensatz zum gefühlten Rest der Welt, der sich in der Adventszeit an Lebkuchen, gebrannten Mandeln und Glühwein erfreut, wird in Polen gefastet. An Heiligabend wird das Ganze dann auf die Spitze getrieben. Man darf während des ganzen Tages nichts essen. Um den Appetit ein wenig zu zähmen, wird bei uns daher schon morgens ein kleines Schnäpschen getrunken. Mein Opa, der die Tradition einst eingeführt hat, kannte das Geheimnis vom appetithemmenden Wodka nämlich schon lange, bevor Kate Moss mit ihrer Wodka-Diät für Schlagzeilen sorgte. Außerdem gibt es dem Kreislauf und dem Gemüt noch den nötigen Kick, um den restlichen Tag friedvoll zu überstehen.

Sauerkraut

Sauerkraut mit Steinpilzen und Champignons

Was dann folgt, ist das übliche Weihnachtschaos, das an diesen Tagen vermutlich jeder allzu gut kennt. Erst am späten Nachmittag folgt dann der restliche polnische Traditionswahnsinn. Zu diesem Zeitpunkt hat die wohlwollende Wirkung des Wodkas schon lange nachgelassen und so langsam macht sich der Hunger breit. Gegessen werden darf aber erst dann, wenn der erste Stern am Himmel steht. Ja, du hast richtig gelesen. Man wartet darauf, dass sich Venus endlich zeigt und das Abendessen einläutet. Zurückzuführen ist das Ganze natürlich auf den Stern, dem die drei armen Trottel vor über 2000 Jahren kilometerweit gefolgt sind.

Ist es nun endlich so weit, versammeln sich alle am gedeckten Tisch. Es wird immer ein Gedeck mehr aufgetischt, als die Anzahl der anwesenden Personen. Damit will man auf einen unangemeldeten Gast vorbereitet sein. Maria und Josef sind ja schließlich damals von Tür zu Tür gezogen und niemand hatte die beiden aufgenommen. Das darf sich nicht wiederholen – Amen.

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Polen ist ja nun nicht gerade für seinen Reichtum bekannt, wohl aber für seinen Aberglauben. Mit der Hoffnung auf einen kleinen Geldsegen im neuen Jahr legt man dafür entweder ein wenig Heu unter den Tisch bzw. unter die Tischdecke oder steckt sich vor dem Essen ein wenig Geld in die Hosentaschen. Mit diesem Ritual sollst du dann das ganze Jahr über die Taschen voller Kohle haben. Natürlich ist das alles schon sehr naiv. Aber zugegeben: Mit meinen 30 Jahren hock ich immer noch mit meinem halben Sparschwein in der Tasche am Esstisch und hoffe finanziell auf ein besseres neues Jahr.

Carp

Bevor man sich nun auf das Essen stürzen kann, wird erst noch ein weiterer polnischer Brauch vollzogen: das Brechen und Teilen der Weihnachtsoblate. Es handelt sich dabei um ein rechteckiges Stück trockenen Teigs, das eine Botschaft, das Jesuskind oder etwas anderes christliches abbildet. In Polen lassen mancherorts die Leute ihre Oblate vom Pfarrer segnen. Dort tragen sie aber auch an Ostern ihr gesamtes Sonntagsfrühstück in die Kirche, um es mit ein paar Tropfen Weihwasser zu segnen.

Hat man seine Oblate mit allen Anwesenden geteilt und sich dabei gegenseitig Glückwünsche ausgesprochen, darf endlich gegessen werden. Auf dem Tisch stehen in der Regel 12 verschiedene Gerichte. Wobei das Erste bereits die oben erwähnte Oblate ist.

Maultaschen

Gefüllte Maultasche mit der polnischen Makówka

Es folgen eine Fischsuppe, Karpfen, wahlweise eine zweite Fischart, Kartoffeln, polnisches Sauerkraut mit Pilzen, Maultaschen gefüllt mit Käse oder Kirschen, eine unglaublich süße Mohnspeise namens Makówka und ein Kompott aus Trockenfrüchten.

Wer aufgepasst hat, hat gemerkt, dass wir noch lange nicht bei 12 Gerichten angekommen sind. Daher wird meist ein wenig geschummelt und Soßen sowie Getränke einfach in die Essensliste mit aufgenommen. Der Rest verläuft dann wieder so, wie du es vermutlich auch kennst: Entspannen, Weitertrinken und Geschenke auspacken.

Kompott

Kompott aus ausgekochten Trockenfrüchten

Eine Sache noch: Ein Aberglaube in Polen besagt, dass an Heiligabend um Mitternacht die Tiere anfangen zu sprechen und erzählen unter anderem, wie gut oder schlecht sie von den Menschen behandelt werden. Um diese also ein wenig milder zu stimmen, wird die Weihnachtsoblate daher auch mit den Haustieren geteilt. Man weiß ja nie, wobei sie dich schon beobachtet haben.