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TV-Koch

Was ist nur bei Horst Lichter los?

Er sammelt Trödel, Menschen und Geschichten, hat die erfolgreichste Show im Nachmittagsprogramm und weint doch im Fernsehen. Was ist passiert?
Alle Bilder: Imago

Horst Lichter hat keine Zeit für Arschlöcher. So heißt seine Autobiographie Keine Zeit für Arschlöcher – und es ist schon die zweite. Die erste ist erst acht Jahre alt. Es scheint, als habe der Mann eine Menge loszuwerden. Horst Lichter ist einer der beliebtesten Fernsehköche des Landes, 2014 gewann er dafür eine Goldene Kamera. Und dabei kocht er kaum noch. Mit seiner Trödelshow Bares für Rares ist er hingegen sehr erfolgreich. Die Show ist die erfolgreichste Daytime Show des ZDF. Gerne schauen drei Millionen Menschen zu, darunter sind überraschend viele junge Menschen – zumindest für ZDF-Verhältnisse (zehn Prozent Marktanteil). Der Sender hat gerade 200 neue Folgen bestellt.

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Lichter selber ist Sammler, sein Restaurant „Oldiethek" war halb Gastraum, halb Museum. Er selbst sagt, er sammle keine Dinge, sondern Menschen und ihre Geschichten. Als er jünger war, hätte er immer schon ältere Freunde gehabt, weil die die besten Geschichten hatten.

Ein Clown?

Ohne seine Sammelwut wäre aus Lichter kein Fernsehkoch geworden. Das Lokalfernsehen schaute in der „Oldiethek" vorbei, dann ging er zu Markus Lanz und infizierte sich dort mit dieser Markuslanzhafitgkeit – danach war er ein Promi-Koch. In der „Oldiethek" kochte er mit einem alten Kohleofen, ganz alleine. Sein Restaurant war ein Jahr im Voraus ausgebucht und dieser Ofen war seine Bühne, auf der er den »Clown« spielte und seinen Gästen Geschichten erzählte – während er gehörige Mengen Butter und Sahne verbrauchte, seine Lieblingszutaten. Mittlerweile hat er das Restaurant aufgegeben.

Er entschied sich schon in der Schule dafür, die Rolle des „Clowns" zu spielen, weil er merkte, dass er damit überall dazugehören kann und sich damit emotional unverwundbar macht. Das muss auch die Zeit gewesen sein, in der er begann, für alles nur die Verniedlichungsform zu benutzen. „Bierchen", „Messerchen", „ein Tässchen Kaffee", so redet er die meiste Zeit. Und wenn er Witze erzählt, hat man irgendwie immer Sorge, dass ihm als Nächstes ein Altherrenwitz herausrutscht. Da ist der Humor so wie seine Küche: »gutbürgerlich«. Er ist so was wie der Spießer-Hipster, etwas verrückt, aber auch nicht sehr.

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Als ihn das Fernsehen einmal in seinem Restaurant „Oldiethek" besuchte, nannte ihn die Sprecherin den „Schlemmerkönig der Nostalgie". Er sagt, er komme ohne „neumodische Scheiße" aus und genau wegen dieser Dinge – dem Trödel, dem Kohleofen, seinem Humor und seiner Demut – gilt er als bodenständig und herzlich. Das ist nicht selbstverständlich, denn Horst Lichter hatte eine Menge Schicksalsschläge zu überstehen, als er noch jünger war. Schon als junger Mann hatte er einen Herzinfarkt und zwei Schlaganfälle, weil er so viel arbeitete. Sein Vater starb, als er noch jung war, und auch sein erstes Kind starb noch als Säugling. Er nennt sich selbst einen „Weltmeister im Verdrängen".

Michael Kessler

Horst Lichter, der so gerne Witze und Geschichten erzählt, wurde selber früh das Ziel von Witzen. Bei Switch Reloaded parodierte der Schauspieler Michael Kessler ihn als jemanden, der hinter der Kamera Schnaps säuft und vor der Kamera andere Fernsehköche knutscht und grenzwertige Witze über Frauen macht.

Doch Michael Kessler hat Lichter später in einem anderen Format persönlich getroffen, Kessler ist. In dieser Sendung besucht Kessler Menschen, über die er sich früher lustig gemacht hat. Kessler versucht darin, Lichter zu verstehen, und trifft Familie und Freunde. Am Ende verwandelt sich Kessler in die Figur Lichter. Die Figur wird dann von dem echten Horst Lichter interviewt. Dort erzählt der echte Lichter, dass er sich seinen Bart vor 35 Jahren als „Gag" wachsen ließ, denn „ich war ja immer nur der Clown". Als der falsche Lichter den echten Lichter am Ende trifft, ist der echte Lichter sichtbar gerührt und stellt sich selbst schwere Fragen: „Unter uns Horst, wie geht es dir wirklich?" Dann: „Was bist du wirklich für ein Mensch?" Und: „Was kannst du wirklich gut?" Am Ende muss der echte Horst Lichter sogar weinen, weil er merkt, wie schwer es ihm fällt, mit sich selber zu reden. „Ich glaube, die meisten Menschen belügen sich selber auch, aber ich würde es von mir nicht erwarten, dass ich mich belüge." An einer Stelle fragt der echte Lichter den falschen: „Was kannst du überhaupt nicht?" „Kochen", antwortet Kessler und der echte Lichter lacht.

Ganz am Ende des Interviews sagt Lichter zu seinem falschen Gegenüber: „Also, ich mag dich, Horst."