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Restaurant Confessionals

Wegen meines Gastrojobs hasse ich Kinder

Als ich vor ein paar Jahren anfing, in der Gastronomie zu arbeiten, mochte ich Kinder. Aber mit der Zeit wurde mir klar, dass sie Miniatur-Terroristen sind, die jedes Essen ruinieren.
Foto via Flickr-User Richard Schatzberger

Willkommen zurück zu den Restaurant Confessionals, wo wir den Leuten aus der Gastronomie eine Stimme geben, die ansonsten viel zu selten zu Wort kommen. Hier erfährst du, was sich hinter den Kulissen in deinen Lieblingsrestaurants so alles abspielt. Für diese Ausgabe haben wir uns mit einer niederländischen Kellnerin unterhalten, die durch ihren Job Kinder hassen gelernt hat.

Als ich vor ein paar Jahren anfing, in einem Restaurant zu arbeiten, mochte ich Kinder sehr gerne.

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Wenn eine Gruppe von Vätern mit ein paar Kleinkindern im Schlepptau hereinkam, schwärmte ich meinen Kollegen vor, wie süß sie doch waren. Sie lachten mich aus und hatten nur eins dazu zu sagen: „Wart' ab …"

Heute habe ich nicht mehr viel für Kinder übrig. Unter unseren Gästen befinden sich viele Familien und sie zu bedienen, ist so anstrengend, dass ich dazu gezwungen wurde, meine rosarote Brille abzunehmen und der Wahrheit ins Auge zu blicken: Kinder sind Miniatur-Terroristen—und meistens sind ihre Eltern kein bisschen besser.

Mein Arbeitsplatz könnte man als Familienrestaurant beschreiben, es sind einfach immer Kinder anwesend. Deswegen läuft der Laden. Die meiste Zeit macht das Spaß, aber Sonntage sind anders. An diesem Tag beschließt halb Amsterdam, mit ihren Kindern essen zu gehen. Wenn unser Restaurant voll von kleinen, lauten Menschen ist, fällt es uns Kellnern schwer, unseren Job gut zu machen.

Kinder sind Miniterroristen—und meistens sind ihre Eltern kein bisschen besser.

Dass Kinder eben Kinder sind und ständig spielen wollen, macht es gefährlich. Wir haben Malbücher und Stifte, aber das war's mit Unterhaltung für sie. Um ihre überschüssige Energie abzubauen, rennen die Kinder um die Tische herum. Sie spielen auch gerne Fangen, Fußball oder fahren auf ihren Rollerblades herum, sie sitzen mit ihren Murmeln und anderen kleinen, runden Gegenständen auf dem Boden und stellen mit ihrem Spielzeug eine ernsthafte Stolpergefahr für die Kellner dar.

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Wenn man mit einem Tablett mit Kaffeetassen auf einen Tisch zugeht, muss man sehr gut darin sein, Hürden aus dem Weg zu gehen. Kinder mit diesen Sneakers mit Rollen stoßen oft gegen meine Beine und mir bleibt das Herz kurz stehen. Nicht nur, weil ich fast auf die Fresse falle, sondern auch weil die Eltern mir dafür die Schuld geben, wenn ihr Kind einen Teller Kartoffelpüree oder—noch schlimmer—ein heißes Getränk abbekommt.

Das Schlimmste, auf das ich fast getreten wäre, war ein Kleinkind. Ich erinnere mich, wie ich mit ein paar Tellern in den Händen auf einen Tisch zuging, als plötzlich ein Kind aus dem Nichts auftauchte. Instinktiv versuchte ich, ihm auszuweichen, weil ich wusste, dass sich irgendwo um mich herum noch ein anderes Kind befindet. Dann bemerkte ich, dass ich gerade über ein Baby gesprungen war, dass zwischen den Tischen herumkrabbelte. Dieser Vorfall machte mich sehr wütend. Jeder im gesamten Restaurant starrte mich an und das Kind hätte dabei ernsthaft verletzt werden können. Der absolut schlimmste Moment folgte aber, als ich die Eltern darum bat, ihr Kind vom Boden aufzuheben und sie mich ansahen, als wäre ich ein kinderverachtendes Monster.

Schau, wir könnten ein Schild aufstellen, wie wir sie aus Schwimmbädern kennen, das Kindern verbietet, um die Tische zu rennen. Manchmal habe ich das Gefühl, wir sollten eine Warnung in die Speisekarten drucken oder auf irgendeine Wand oder so schreiben, dass Eltern für ihre Kinder selbst verantwortlich sind. Man denkt vielleicht, das wär nicht notwendig, aber an einem gewöhnlichen Sonntag verbringe ich sehr viel Zeit damit, irgendwelche Kinder anzuschreien, die wie Verrückte herumrennen. Ich möchte damit nicht sagen, dass laute, aktive Kinder das Resultat schlechter Erziehung sind. Es kommt mir eher so vor, als würden die Eltern ein Abendessen mit Familie und Freunden in einem Restaurant als gute Gelegenheit sehen, sich eine Pause von ihren Kindern zu gönnen.

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Es fühlt sich an, als würde man einen schief gelaufenen Kindergeburtstag managen und das ist nicht Teil meiner Jobbeschreibung.

Sonntags haben wir oft Reservierungen von großen Gruppen mit Kindern. Meistens sind es junge Eltern, die reichlich Wein bestellen, während ihre Kinder miteinander spielen. Die Erwachsenen sind viel entspannter und ausgelassener als normalerweise, weil sie sich in einem geschlossenen Raum befinden, in dem die Mitarbeiter ein Auge darauf werfen, dass ihre Kinder den Raum nicht verlassen. Das führt dazu, dass sie selbst nicht mehr auf ihre Sprösslinge schauen, was uns im Grunde genommen zu Babysittern macht, während wir eigentlich damit beschäftigt sind, Bestellungen aufzunehmen und zu servieren.

Die Eltern finden es super, dass wir ein „kinderfreundliches" Restaurant sind und das macht mich rasend. Ich habe gelernt, nein zu sagen, wenn mich Gäste fragen, ob die Erwachsenen alle zusammen an einem Tisch sitzen können, während sie ihren Nachwuchs alleine lassen. Sorry, Mama und Papa, aber ein Tisch voller Kleinkinder ist kein Witz. Es fühlt sich an, als würde man einen schief gelaufenen Kindergeburtstag managen und das ist nicht Teil meiner Jobbeschreibung.

Es passiert auch häufig, dass Kinder beim Spielen das saubere Silberbesteck und die Gläser von den leeren Tischen nehmen. Oder sie verteilen den Inhalt von vollen Gläsern über den Tischdecken und sind so laut, dass sich alle anderen Gäste über den Lärmpegel beschweren. Wenn ich nicht mehr weiß, welches Kind zu welchem Tisch gehört, dann gehe ich zum Kind hin und sage ihm, es solle sich beruhigen. Leider schätzen das die Eltern meistens nicht besonders. Sie werden wütend oder interpretieren meine Anweisungen als Angriff auf ihre Erziehungsmethoden. Antworten wie „Ich kann selbst entscheiden, wie ich mit meinem eigenen Kind umgehe" und „Kümmern Sie Sich um Ihren eigenen Kram" kommen häufig vor und sind sehr unangenehm.

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Egal, was wir tun, meistens ist es falsch. Ein Elternteil meckert, dass wir sein Kind nicht „seine Kindheit genießen" lassen und ein anderer, dass wir keine Brettspiele für sie haben, während ein weiterer bemängelt, dass die Buntstifte zu alt sind. Und der Rest der Kunden—ohne Kinder—beschwert sich über sie.

Gäste, die sich über Kinder beschweren, erwecken meistens den Eindruck, dass sie sie absolut nicht ausstehen können. Sie finden, die WCs stinken nach Babykacke, dreckigen Windeln und Windelcreme oder ihnen passt es nicht, dass eine Frau neben ihnen stillt, während sie beim Essen sind. Diese Leute bei Laune zu halten, ist genauso nervtötend, wie sich mit Kindern herumzuschlagen. Ich verstehe sie schon, aber wenn sie wirklich nicht neben Kindern sitzen wollen, wieso kommen sie dann in unser Restaurant?

Überall finden wir Babytücher. Wie ich diese feuchten, dreckigen Dinger hasse.

Ich sollte das nicht sagen, aber im Laufe der Zeit hat sich unser Restaurant in eine „kinderfreundliche" Zone und eine „kinderfreie" Zone geteilt. Wir bekommen mindestens drei Anrufe pro Tag von Leuten, die einen Tisch reservieren wollen, aber nur in dem Teil des Restaurants ohne Kinder. Wir sagen ihnen immer, dass es so einen Bereich nicht gibt und dass wir nichts versprechen können, aber wir versuchen, die eine Hälfte des Restaurants mit Familien zu füllen und die andere Hälfte ruhiger zu halten. Es gibt definitiv eine Nachfrage nach kinderfreien Restaurants, aber keiner traut sich, es laut zu sagen.

Wie ich gesagt habe: Sonntage sind viel schlimmer als alle anderen Tage. Das liegt nicht nur daran, dass es schwieriger wird, das Essen und die Getränke an die Tische zu bringen, sondern auch, weil man Babysitter spielen und sich mit den zusätzlichen Beschwerden von Gästen ohne Kinder auseinandersetzen muss. Das verdreifacht unser Arbeitspensum, für das wir eigentlich angestellt wurden. Die Bestellungen werden außerdem komplizierter, weil die Kinder ihre Hauptspeise essen wollen, währen die Eltern die Vorspeise bekommen. Wir rennen ständig mit kleinen Behältern und Babyflaschen zwischen Küche und Tischen hin und her. Manchmal sollen wir die Babynahrung mit heißem Wasser, manchmal mit kalten Wasser aufgießen. Zwischen unseren Schichten sind wir damit beschäftigt, Spaghetti und rote Sauce von unserem Polstern zu kratzen und jeder Tisch, an dem Kinder saßen, ist ein einziges Schlachtfeld. Überall finden wir Babytücher. Wie ich diese feuchten, dreckigen Dinger hasse.

Wenn ich nach so einem Sonntag nach Hause komme, fühle ich mich, als hätte ich 24 Stunden durchgearbeitet. Es raubt mir alle Energie. Ich lasse mich auf mein Bett fallen und bewege mich den Rest des Tages keinen Meter. Eins ist mir klar geworden: Ich bin noch nicht einmal annähernd bereit, Kinder zu bekommen.

Aufgezeichnet von Stefanie Staelens.