Koch ist man aus Leidenschaft und nicht des Geldes wegen

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Koch ist man aus Leidenschaft und nicht des Geldes wegen

Obwohl er geschäftlich erfolgreich war, entschied sich Ricardo Zarate, seine vier Restaurants aufzugeben und noch einmal komplett neu anzufangen, um endlich wieder mit Leidenschaft zu kochen.

Wer Koch wird, tut das meist aus einer Leidenschaft heraus. Das passt aber oft nicht zur geschäftlichen Seite des Kochdaseins. Aber Erfolg als Koch zu haben, muss nicht immer heißen viel Geld zu verdienen. Das habe ich auf die harte Tour gelernt.

Seit ich meine Heimat und meine Familie in Peru zurückgelassen habe, wollte ich meinen Traum verwirklichen oder zumindest auf etwas hinarbeiten, dass es wert war, dass ich von meiner Familie getrennt lebte. Das kann für jeden etwas anderes sein: einige wollen ein Restaurant eröffnen, andere wollen Küchenchef sein, berühmt werden oder sich selbst durch das Essen finden.

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Ich träumte davon, ein peruanisches Restaurant zu eröffnen und das habe ich mit dem Mo-Chica in Los Angeles geschafft. Dann wurde ich 2012 irgendwie von Food & Wine zum besten neuen Koch gekürt und ich erhielt auch den Publikumspreis in der gleichen Kategorie. Ein paar Jahre später hatte ich dann ein kleines Restaurantimperium mit vier peruanisch angehauchten Restaurants. Trotz der ganzen Auszeichnungen und des Erfolgs fühlte sich irgendwas nicht richtig an. So weh mir das auch tat, ich musste alles hinter mir lassen und noch einmal bei Null anfangen.

Vier Restaurants einfach so aufzugeben war verdammt schmerzhaft—wie wenn man von einem Hochhaus springt und mit dem Kopf auf dem Boden aufschlägt. Dann muss man auch noch bedenken, dass peruanische Küche bis damals nicht so weit verbreitet war, was sich erst mit meinen Restaurants vollkommen geändert hat. Und der Weg dorthin war ein ziemlich steiniger.

Am Anfang habe ich für so viele mögliche Investoren gekocht und versucht, sie davon zu überzeugen, in ein peruanisches Nobelrestaurant zu investieren—vergebens. Deshalb habe ich das Mo-Chica mit eigenen Kapital eröffnet, meine ganzen Ersparnisse dafür genutzt und Geld bei Verwandten geliehen, insgesamt 30.000 Dollar. Alles lief gut, dachte ich. Dann erkannte ich, dass ich meinen Traum irgendwie aus den Augen verliere, je größer mein Restaurant wurde. Ich kochte nicht mehr aus dem Grund, warum ich mit dem Kochen überhaupt angefangen habe: Leidenschaft.

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Manche verlieren sich in den glamourösen Seiten Restaurantwelt und vergessen das Essen dabei ganz. Die Kochbranche nenne ich auch gerne „Recycling-Industrie", weil man hier neben den Leuten, die eine ähnliche Leidenschaft fürs Essen hegen wie man selbst, auch Leute trifft, die es in anderen Bereichen einfach nicht geschafft haben und in dieser Branche eine neue Chance suchen. Und das sind die Menschen, nach denen man Ausschau halten sollte.

Irgendwann ist man an dem Punkt, wo man der Wahrheit ins Auge blicken muss. Das hieß für mich, dass ich mir eingestehen musste, dass ich meine Restaurants aus Leidenschaft führen will—und nicht des Geldes wegen.

Von denen trifft man einige, wenn man so wie ich ein paar nationale Preise gewinnt. In dieser neuen Welt lernt man viele neue Leute kennen und man will es jedem einzelnen recht machen. Das schafft man zwar nicht, aber man versucht es trotzdem mit allen Mitteln. Und man wird schneller zum Opfer, wenn man etwas mit viel Leidenschaft aufbaut. Es macht einen extrem angreifbar.

Für viele geht es nur ums Geld, aber als Peruaner war der amerikanische Traum nichts für mich. Ich lebe gern in den USA, aber ich wurde, ganz einfach gesagt, anders erzogen und habe andere Werte vermittelt bekommen.

Eines Tages dachte ich mir: „Scheiße, das klappt so nicht." Mir wurde alles zu viel, das gebe ich auch gern zu. Irgendwann ist man an dem Punkt, wo man der Wahrheit ins Auge blicken muss. Das hieß für mich, dass ich mir eingestehen musste, dass ich meine Restaurants aus Leidenschaft führen will—und nicht des Geldes wegen. Für mich musste jedes Restaurant ein Spiegel meiner Persönlichkeit sein und das war nicht mehr so. Damit habe ich auch schweren Herzens 250 Angestellte hinter mir gelassen.

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Noch im selben Jahr, als ich meine Restaurants aufgegeben habe, ist mein Bruder bei einem Autounfall gestorben. Er war ein bekannter Koch in Großbritannien, hatte ein paar Restaurants und wir standen ständig im Wettbewerb, wie die meisten Geschwister. Ich hatte ihn endlich davon überzeugt, zu mir nach L.A. zu ziehen, damit wir ein gemeinsames Restaurant aufziehen können. Und dann ist er gestorben.

Das war wie ein Schlag ins Gesicht und hat alles in ein anderes Licht gerückt. Ich wusste, dass ich jetzt etwas verändern und mich von Altem lossagen musste. Seitdem arbeite ich nur noch aus Leidenschaft.

Die anderthalbjährige Auszeit war das Beste, was ich damals hätte tun können. Es war wie ein Neuanfang. Ein Koch braucht Inspirationen, um wirklich in seiner Arbeit aufgehen zu können, dafür war die Zeit echt super. Damals habe ich auch mein erstes Kochbuch geschrieben. Und ich eröffne bald ein Restaurant, das meine Persönlichkeit vollkommen widerspiegelt. Endlich.

Ich weiß, dass ich verdammtes Glück hatte. Wenn man mir vor 30 Jahren, als ich noch als Kind in Peru Fußball ohne Schuhe gespielt habe, weil ich mir keine leisten konnte, gesagt hätte, dass ich es einmal so weit bringen würde, hätte ich das nicht geglaubt.

Ich möchte euch nur eines mit auf den Weg geben: Gebt eure Leidenschaft nicht einfach wegen des Geldes auf. Nie.

Aufgezeichnet von Javier Cabral