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Restaurant Confessionals

Wie es ist, an Weihnachten in einem Fast-Food-Restaurant zu arbeiten

Weihnachten in einem Fast-Food-Restaurant ist eine ziemlich besondere Erfahrung, irgendwo zwischen skurril und trist. Und so gar nicht fröhlich, sondern eher bemitleidenswert. Aber es hat auch seine guten Seiten: weniger Kunden, mehr Alkohol.
Foto von Mister G.C. via Flickr

Willkommen zurück zu den Restaurant Confessionals, wo wir den Leuten aus der Gastronomie eine Stimme geben, die ansonsten viel zu selten zu Wort kommen. Hier erfährst du, was sich hinter den Kulissen in deinen Lieblingsrestaurants so alles abspielt. Pünktlich zum Fest der Liebe sprechen wir mit einem 22-jährigen Londoner, der in einem Fast-Food-Restaurant arbeitet und uns erzählt, wie es ist, an Weihnachten zu arbeiten.

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Ich stehe sehr früh auf—richtig früh. An Weihnachten fahren keine öffentlichen Verkehrsmittel in London und da ich kein Fahrrad habe, muss ich zur Arbeit laufen. Das ist aber OK. Ich stehe also 5 Uhr morgens auf und mache sowas wie einen kleinen Spaziergang. Die Straßen sind menschenleer, richtig angenehm. Diese Ruhe ist mein persönliches Weihnachtsgeschenk. Das würde zumindest meine Mutter sagen. London ist am Weihnachtsmorgen richtig ruhig, fast wie in einem Zombiefilm: Alle sind tot und ich irre einfach umher. (Anm. d. R.: Er spielt wahrscheinlich auf 28 Days Later an.)

Ich stelle mir dann gern vor, dass die Welt untergegangen ist und ich wäre der letzte Mensch auf diesem Planeten. Ein beruhigendes Gefühl: Du weißt dass du in den nächsten acht Stunden einfach nur hinter der Theke stehst und keiner kommt. Du wartest nur darauf, dass dein Chef Mitleid hat und dich früher nach Hause schickt. Am meisten vermisse ich meine Mutter und meinen kleinen Bruder, aber es ist ja nur ein einziger Tag im Jahr. Ich sehe sie ja am nächsten Tag wieder. Weihnachten spielt in meiner Familie ehrlich gesagt keine große Rolle und deshalb arbeite ich auch. Das macht mir nichts aus, ich mache das gern.

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Ich arbeite bei [einer bekannten Fast-Food-Kette] und im Voraus weiß ich nicht, ob meineFiliale an Weihnachten geöffnet sein wird. Das ist ganz legal, die einzelnen Filialleiter entscheiden das. Ich kenne ein paar Leute, die nie an Weihnachten arbeiten mussten. Einer meiner Kollegen—nennen wir ihn einfach John—sagt, dass er die letzten fünf Jahre hintereinander an Weihnachten arbeiten musste. Ich bin erst seit zwei Jahren hier und wenn ich mich richtig erinnere, musste er nur letztes Jahr an Weihnachten arbeiten. John ist eigentlich nicht so daneben. Ich frage mich, wie es wohl bei ihm zu Hause ist. Er steht auf Jason Mraz und Karaoke, ist also eigentlich ein ganz netter Typ.

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Auf Arbeit angekommen erledige ich erstmal die üblichen Aufgaben: alle Würzsaucen auffüllen, die Tische säubern, die Toiletten prüfen. Meistens rauche ich noch eine draußen und gönne mir noch einen Moment der Ruhe. Dann kommen meine Kollegen: Headsets aufgesetzt, Uniformen gerichtet. Wir trinken Kaffee und machen Witze. Wir sitzen ja alle im selben Boot.

Ich stelle mir dann gern vor, dass die Welt untergegangen ist. Ein beruhigendes Gefühl: Du weißt dass du in den nächsten acht Stunden einfach nur hinter der Theke stehst und keiner kommt. Du wartest nur darauf, dass dein Chef Mitleid hat und dich früher nach Hause schickt.

An Weihnachten arbeiten sechs Leute bei uns im Restaurant. Das sind nicht wirklich viele, aber es gibt ja auch nicht so viel zu tun. Nur wenige Leute sind verzweifelt genug, um Weihnachten bei uns zu verbringen. Ein öder Arbeitstag. Wenn wir können, trinken wir was. Wir bringen das meist in Wasserflaschen und so mit. Das kann ganz schön ausarten: Einige von uns trinken eigentlich nicht, die trifft es dann ganz schön. Ich trinke zwar auch nicht viel Alkohol, aber einige schießen sich echt ab. Die Regeln sind an Weihnachten etwas lockerer, also man drückt schon mal ein Auge zu, wenn ihr versteht…

Eine meiner Kolleginnen ist nicht christlich und feiert kein Weihnachten. Sie kommt also gern für ein bisschen mehr Geld zur Arbeit. Andere, mit denen ich sonst unter der Woche arbeite, kommen an Weihnachten nicht, vielleicht aus religiösen Gründen, wer weiß. Jeder hat seine Gründe und es steht mir nicht zu, sie zu fragen, warum sie dieses oder jenes tun.

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Es kommen ganz unterschiedliche Kunden zu uns: einsame Seelen und Betrunkene, die kein richtiges zu Hause haben. Die lassen wir manchmal einfach bleiben, sie vergraulen sich ja nicht gegenseitig. Aber auch Ärzte und Krankenpfleger kommen im Laufe des Tages bei uns vorbei. Oder die Hotelangestellten von nebenan, die einfach mal raus müssen. Wirklich erstaunlich. Der einzige Unterschied zu einem normalen Arbeitstag ist, glaube ich, dass es einfach weniger Touristen gibt, die den ganzen Verkehr aufhalten, weil sie ihre Bestellung nicht richtig aufgeben können.

Letztes Jahr kam ein Paar mit zwei Kindern und bestellte die ganze Karte rauf und runter. Sie waren glücklich, was ja gut ist, aber irgendwie hat mich das traurig gestimmt.

Bei den Bestellungen ist auch nichts anders. Es gibt Weihnachtsspecials und so, aber eigentlich weiß man nie, was die Kunden wollen. Einige bestellen einfach nur einen Kaffee. Manche kommen vielleicht auch einfach nur um zu sehen, wie es an Weihnachten bei uns ist. Die Erfahrung kann man sich aber sparen. Bleibt zu Hause im Warmen! Esst euren Truthahn (oder den Weihnachtsbraten)!

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Irgendwann kommen die Familien, bis dahin herrscht eine gespenstische Stille. Letztes Jahr kam ein Paar mit zwei Kindern und bestellte die ganze Karte rauf und runter. Sie waren glücklich, was ja gut ist, aber irgendwie hat mich das traurig gestimmt. Unser Restaurant ist nicht der richtige Ort für ein Weihnachtsessen—selbst wenn man Weihnachten nicht richtig feiert. Aber ich arbeite ja auch hier und wer im Glashaus sitzt… Keine Ahnung. Ich würde nicht mit meinen Kinder zum Essen hierher kommen. Außerdem ist es immer wieder komisch, jedem Kunden „Fröhliche Weihnachten!" wünschen zu müssen, einige wollen vielleicht lieber nicht daran erinnert werden. Wenn alles so fröhlich wäre, würde man ja nicht hier sein.

Das Beste an Weihnachten ist jedoch, dass wir ab und zu unsere eigene Musik abspielen dürfen. Wenn es leer ist, legen wir ein paar gute Sachen auf: Stormzy, Frank Ocean und so weiter. Damit geht die Zeit schneller vorbei. Die Anlage bei uns ist eigentlich ziemlich gut und man kann richtig was hören, wenn sonst alles still ist.

Insgesamt ist Weihnachten bei uns aber wie jeder andere Tag, nur dass die Arbeit einfacher ist. Wenigstens deswegen arbeite ich gern an Weihnachten.

Aufgezeichnet von David Whelan.